Erdogan in Berlin:Merkel pocht auf "ergebnisoffene" EU-Beitrittsgespräche mit Türkei

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Trotz aller Querelen zwischen Ankara und Europa: Die Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei sollen weitergehen. Doch welches Ergebnis sie haben sollen, darüber sind sich Merkel und der türkische Premier Erdogan auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz nicht einig. In Berlin gingen Tausende Demonstranten gegen Erdogan auf die Straße.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Türkei Fairness in den EU-Beitrittsverhandlungen zugesagt. "Die EU ist ein ehrlicher Verhandlungspartner", sagte sie nach einem Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan in Berlin. "Diese Verhandlungen werden weitergehen, unbeschadet der Fragen, die wir zu klären haben", sagte sie mit Hinweis auf die von der EU-Kommission im Fortschrittsbericht festgestellten Defizite in der Türkei.

Die Gespräche würden "ergebnisoffen geführt", sagte Merkel weiter.Die CDU favorisiert nur eine sogenannte privilegierte Partnerschaft zwischen der Türkei und der EU. Das sei "eine Frage, in der wir nicht übereinstimmen", sagte Merkel an Erdogan gerichtet. "Aber damit haben wir gelernt zu leben."

Beim Thema Zypern blieb Erdogan hart. Er bezeichnete das EU-Mitglied Zypern ausschließlich als "Süd-Zypern": "Dass Süd-Zypern aufgenommen wurde in die EU, das ist ein Fehler gewesen", sagte Erdogan. Er sagte, Merkel sehe das auch so. Die Kanzlerin reagierte nicht darauf. Ankara will Vollmitglied der EU werden, erkennt das EU-Mitglied Zypern aber nicht an. Dies ist einer der Streitpunkte.

Ankara hat schon seit 1999 Kandidatenstatus, die Verhandlungen laufen seit 2005. Doch konnten die Verhandlungspartner in den vergangenen zwei Jahren keine Fortschritte erzielen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und Zypern,der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft, eingefroren sind.

Bei seinem Besuch in Berlin setzte sich Erdogan auch dafür ein, den rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland eine doppelte Staatsbürgerschaft anzubieten. Er wünsche sich, dass türkische Bürger oder deutsche Bürger mit türkischen Ursprüngen in Deutschland diese Möglichkeit bekommen, sagte Erdogan. Zugleich ermunterte er die rund 50.000 Deutschen in seinem Land, die türkische Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Erdogan fordert Flugverbotszone

Beim Thema Syrien-Konflikt brachte Erdogan in Berlin erneut eine Flugverbotszone ins Spiel. Er forderte die Vereinten Nationen dazu auf, über eine solche Schutzzone zu entscheiden. Merkel bezeichnete die Gewalt in Syrien als großes Problem für die Türkei. Die Bundesregierung habe deshalb "Unterstützung humanitärer Art" angeboten. Die Kanzlerin dankte Erdogan für Besonnenheit im Umgang mit dem syrischen Konflikt.

Erdogan bat Deutschland wegen des Konflikts in Syrien um Unterstützung. "Wir brauchen unbedingt die Unterstützung und den Beistand Deutschlands", sagte er auch mit Blick auf die zahlreichen syrischen Flüchtlinge, die in Nachbarländern wie der Türkei Zuflucht suchen.

Die Türkei, ein früherer Partner Syriens, hat sich im Verlauf der Unruhen im Nachbarland zu einem der schärfsten Kritiker der Regierung des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad gewandelt. Durch syrischen Granatbeschuss über die Grenze hinweg hatte sich die Situation in den vergangenen Wochen verschärft.

Merkel sicherte Erdogan ebenfalls intensive Unterstützung im Kampf gegen die als terroristisch eingestufte kurdische PKK zu. Deutschland werde alles tun, um terroristische Aktivitäten der PKK zu unterbinden, sagte Merkel. Dies gelte gerade auch dann, wenn es um mögliche Planungen der PKK von deutschem Boden aus gehe. Die Kanzlerin kündigte an, es werde in diesem Zusammenhang häufigere Treffen der Innenstaatssekretäre beider Länder geben. Erdogan hatte Deutschland und Frankreich vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen Anhänger der PKK vorzugehen.

Demonstration gegen Erdogan

Am Brandenburger Tor in Berlin protestierten während des Besuchs nach Polizeiangaben rund 1800 Menschen gegen die Politik Erdogans. Die Demonstration verlief friedlich, wie die Polizei mitteilte. Die Organisatoren des Protests sprachen von rund 6000 Teilnehmern.

Für die Demonstration hatten sich zahlreiche Organisationen zusammengeschlossen. Es sei darum gegangen, eine "gemeinsame Opposition" gegen Erdogan zu bilden, erklärte das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit. Nach seinen Angaben hatten sich unter anderem die Alevitische Föderation, die Armenische Gemeinde, der Kurdische Dachverband und der Deutsch-Türkische Menschenrechtsverein dem Protest angeschlossen.

Teilnehmer der Demonstration warfen der Regierung Erdogans massive Menschenrechtsverletzungen vor. Eine der beteiligten Gruppen, der Verband Studierender aus Kurdistan, erhob den Vorwurf, die Gefängnisse in der Türkei seien zu "überfüllten Lagern mit Oppositionellen" geworden.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/Reuters/dapd/jasch - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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