Brüssel:EU-Staaten einigen sich auf Verschärfung der Asylpolitik

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  • Die Mitgliedsstaaten verständigen sich nach einem zwölfstündigen Verhandlungsmarathon darauf, in der EU geschlossene Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge einzurichten.
  • Italien hatte zuvor noch mit einer Blockade der Gipfelbeschlüsse gedroht und Zugeständnisse von den übrigen EU-Ländern gefordert.
  • Offen ist, ob das von Kanzlerin Merkel und ihren EU-Kollegen erzielte Ergebnis den Weg aus dem erbitterten Asylstreit in Deutschland weisen kann.
  • Auch eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen die Partner.

Nach zähen Verhandlungen haben sich Kanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen beim Gipfel in Brüssel auf eine Verschärfung der europäischen Asylpolitik geeinigt. Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs hätten sich auf Schlussfolgerungen einschließlich der Migration verständigt, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk bei Twitter mit.

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Die Mitgliedsstaaten einigten sich demnach auf Aufnahmelager für Flüchtlinge innerhalb der EU. Aus Seenot gerettete Migranten sollten "auf Grundlage gemeinsamer Anstrengungen" in von Mitgliedstaaten freiwillig eingerichtete "kontrollierte Zentren" gebracht werden, hieß es. Dort solle "mit voller EU-Unterstützung" überprüft werden, ob es sich "um irreguläre Migranten, die zurückgebracht werden" handele oder um Schutzbedürftige. Für Asylberechtigte werde dann "das Soliaritätsprinzip" unter den Mitgliedstaaten der EU gelten, erklärte der Gipfel. Sie könnten dann in andere EU-Länder einreisen, aber nur, wenn diese dem auf freiwilliger Basis zustimmten. Welche EU-Mitglieder das tun, ist noch unklar.

Zugleich sollen nach dem Willen der EU-Staaten auch Sammellager in nordafrikanischen Staaten entstehen, damit sich weniger Migranten illegal auf den Weg übers Mittelmeer machen. Allerdings lehnen die betroffenen Staaten dies bislang ab. Im Laufe des Nachmittags hatten neben Merkel etliche weitere Staats- und Regierungschefs Unterstützung für die Idee von Sammellagern signalisiert. Solche Zentren sollen Menschenschmugglern die Geschäftsgrundlage entziehen und das Sterben auf dem Mittelmeer beenden. Bootsflüchtlinge würden dann nach der Aufnahme durch Schiffe nicht wie bisher nach Europa gebracht, sondern in solche Auffanglager. Für diesen Vorschlag hatte sich zuletzt auch EU-Ratspräsident Donald Tusk stark gemacht.

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Offen ist, ob das von Merkel und ihren EU-Kollegen erzielte Ergebnis den Weg aus dem erbitterten Asylstreit in Deutschland weisen kann. Merkel sucht dringend einen europäischen Ansatz, um das Weiterziehen von registrierten Asylbewerbern aus anderen EU-Ländern nach Deutschland zu bremsen. Anderenfalls will Innenminister Horst Seehofer solche Migranten im Alleingang an der deutschen Grenze abweisen.

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Merkel begrüßte die Einigung auf dem Gipfel: Es sei eine "gute Botschaft", dass die Staats- und Regierungschefs dazu einen gemeinsamen Text verabschiedet haben, sagte die Kanzlerin nach den Beratungen in Brüssel. Es warte zwar noch eine Menge Arbeit am gemeinsamen Asylsystem. "Aber ich bin optimistisch nach dem heutigen Tag, dass wir wirklich weiter arbeiten können."

Bei möglichen Sammelstellen für Bootsflüchtlinge außerhalb der EU werde mit dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration zusammengearbeitet und internationales Recht eingehalten. "Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir gesagt haben: Wir wollen in Partnerschaft mit Afrika arbeiten", sagte Merkel. Die Grenzschutzagentur Frontex werde bis 2020 aufgestockt.

Merkel steht wegen des Asylstreits unter großem Druck. Die CSU fordert von der Kanzlerin eine Lösung der Frage bis Anfang Juli. Die CDU-Chefin hatte auf einem eilig einberufenen Mini-EU-Gipfel am vergangenen Sonntag in Aussicht gestellt, die Bedenken aus München mit dem Abschluss zwischenstaatlicher Abkommen zerstreuen zu wollen.

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Italien hatte am Abend mit einer Blockade der Gipfelbeschlüsse gedroht und Zugeständnisse von den übrigen EU-Ländern gefordert. Wegen seiner Lage am Mittelmeer ist das Land erster Anlaufpunkt für Zehntausende Migranten und fühlt sich von den europäischen Partnern im Stich gelassen. Allerdings ist Deutschland das Land, das EU-weit die meisten Flüchtlinge aufnimmt.

Auf europäischer Ebene war der Druck, eine Einigung zu erzielen, in den vergangenen Wochen gewachsen, seit in Rom die neue Regierung aus rechter Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung im Amt ist. Diese hatte in den vergangenen Tagen Flüchtlingsschiffen privater Hilfsorganisationen die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bewertet die Beschlüsse des EU-Gipfels zur Asylpolitik positiv. "Wir sind froh, dass es jetzt endlich einen Fokus auf die Außengrenzen gibt", sagte Kurz. Die Einigung sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung".

Sanktionen gegen Russland, mehr Geld für die Türkei

Des Weiteren beschlossen die Gipfel-Teilnehmer, die vor vier Jahren gegen Russland eingeführten Wirtschaftssanktionen abermals zu verlängern. Die EU-Partner sehen keinen Fortschritt im Friedensprozess in der Ostukraine, der Minsker Friedensplan sei noch nicht komplett erfüllt. Experten gehen davon aus, dass die Sanktionen Russland bereits einen dreistelligen Milliarden-Betrag gekostet haben. Die Entscheidung solle formell in den kommenden Tagen bestätigt werden. Unter anderem geht es um Einschränkungen bei Geschäften mit russischen Banken und im Energiesektor. Die Verlängerung soll dann bis Ende Januar 2019 laufen.

Die Türkei bekommt von der EU weitere drei Milliarden Euro, um Flüchtlinge aus Syrien zu versorgen. Nach monatelangen Diskussionen einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf die Finanzierung der Hilfe. Demnach werden zwei Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt der EU genommen. Aus den nationalen Haushalten soll eine weitere Milliarde fließen.

© SZ.de/dpa/Reuters/AFP/AP/jobr/bix - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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