Abgasaffäre:Die zweite Waffe der Ermittler

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Die Staatsanwaltschaft München hat gegen den Audi-Vorstand ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Verantwortlichen könnten so belangt werden, wenn sie ihre Aufsichtspflichten verletzt haben.

Von Klaus Ott

Staatsanwälte, die bei Skandalen in großen Unternehmen den Vorstand haftbar machen wollen, aber für ein Strafverfahren gegen die Konzernspitze nicht oder noch nicht genug in der Hand haben, behelfen sich manchmal mit dem Bußgeldrecht.

Konkret: mit dem Paragrafen 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Dieser besagt, dass bis zu eine Million Euro zahlen muss, wer vorsätzlich oder fahrlässig Aufsichtsmaßnahmen unterlässt. Sofern dies dann dazu führt, dass der Konzern gegen Gesetze verstößt. Dieser Paragraf wurde vor Jahren im Schmiergeldfall Siemens dem langjährigen Vorstandschef Heinrich von Pierer zum Verhängnis, der 250 000 Euro Geldbuße auferlegt bekam. Damals sah das Gesetz noch niedrigere Beträge vor.

Diesen Paragrafen nutzt jetzt auch die Staatsanwaltschaft München II, um den Vorstand des Autoherstellers Audi ins Visier zu nehmen. Die Ermittler haben ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Namentlich eingetragen ist in den Akten noch niemand; auch nicht Rupert Stadler, der seit 2007 die Ingolstädter VW-Tochter leitet. Aber die Botschaft ist klar. Die Staatsanwaltschaft München II geht aufgrund ihrer bisherigen Erkenntnisse im Fall Audi davon aus, dass Stadler und seine Vorstandskollegen genügend Anlass gehabt hätten, sich um die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen zu kümmern. Und dass die Konzernspitze den Skandal dann hätte verhindern können.

Staatsanwaltschaft untersucht, ob Vorstand betrogen hat

Bereits bei der Razzia bei Audi vor fünf Monaten hatten die Ermittler gezielt nach Korrespondenz auch auf Vorstandsebene gesucht. 47 Personen waren genannt, für die sich die Staatsanwaltschaft interessierte, darunter zwei frühere Entwicklungsvorstände. Sowie, an Nummer 30, der VW-Chef und Audi-Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Müller. Und an Nummer 44 Audi-Chef Stadler. Inzwischen belegen zahlreiche Unterlagen, dass bei der Ingolstädter VW-Tochter jahrelang breit über die Abgasmanipulationen diskutiert worden war. Bis hin zu der Abteilung, die neue Modelle bei den Behörden zur Zulassung anmeldet. 2013 hatten Motorexperten sogar vor hohen Strafen in den USA gewarnt.

Hätte der Audi-Vorstand, so der Verdacht der Ermittler, den Betrieb ordentlich organisiert, dann wäre dies ganz oben bekannt geworden und abgestellt worden. Darüber hinaus geht die Staatsanwaltschaft allen Spuren nach, die auf eine Verwicklung des Vorstands in den mutmaßlichen Betrug hinweisen. Das Bußgeldverfahren schließt nicht aus, dass es auch zu Strafverfahren gegen Vorstandsmitglieder kommen könnte. Solche Ermittlungen dauern lange.

Maximal eine Million Euro Bußgeld, das hört sich angesichts der Millionengehälter auf Vorstandsebene nicht nach viel Geld an. Doch sobald die Justiz feststellt, dass vermeintliche Top-Manager versagt haben, sind meist auch Schadenersatzzahlungen von Vorstandsmitgliedern an das Unternehmen fällig. Im Fall Siemens waren das bei Pierer immerhin fünf Millionen Euro. Zwanzigmal so hoch wie das Bußgeld von 250 000 Euro.

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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