Die SPD nach den Wahlen:Roter Kellner eines grünen Kochs

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Der Erfolg der Grünen kratzt am Selbstbewusstsein der Sozialdemokraten. An die Rolle des Juniorpartners müssen sie sich erst gewöhnen. Die SPD ist auf der Suche nach einem neuen Profil.

Susanne Höll, Berlin

Wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel spricht wie ein Grünen-Chef und sein äußerst bodenständiger Parteikollege Kurt Beck (SPD) von politischen Visionen, muss etwas passiert sein bei den Sozialdemokraten. Dem ist auch so. Die SPD zählt zu den Verlieren der beiden Landtagswahlen, was nur nicht so richtig aufgefallen ist.

Rot-Grün sind die Blumensträuße, die Nils Schmid und Kurt Beck am Tag nach der Schicksalswahl geschenkt bekommen. (Foto: dpa)

In Rheinland-Pfalz kann Ministerpräsident Beck zwar Ministerpräsident bleiben, aber nur dank der Gnade der ihm bislang nicht sonderlich verbundenen Grünen. In Baden-Württemberg sorgen die Genossen dagegen für eine Zäsur. Erstmals in der bundesdeutschen Parteigeschichte verhelfen die Sozialdemokraten einem Konkurrenten aus dem linken Lager - den Grünen nämlich - zur Macht und begnügen sich in einem Regierungsbündnis mit der Rolle des Juniors. Unter anderen Umständen hätte eine solche Konstellation zu einem Aufschrei in Teilen der Partei geführt und zu mancherlei Verwerfungen. Aber die japanische Atomkatastrophe hat auch für die Sozialdemokraten vieles geändert, eine Tatsache, die man sehr schön an Gabriel ablesen kann.

Der hatte noch im Herbst vergangenen Jahres, inmitten des Konflikts um das Bahnprojekt Stuttgart 21, gegen die Öko-Partei gewettert und deutlich gemacht, dass er einem von SPD-Ministern mitgetragenen grünen Ministerpräsidenten aber auch gar nichts abgewinnen kann. Nun klingt er ganz anders, ausgesprochen gelassen nämlich. Die Grünen hätten bei der Wahl "einen gerechten Lohn" für ihren jahrzehntelangen Kampf gegen die Atomenergie erhalten, sagt er am Montag in Berlin. Aus der Partei widerspricht ihm niemand. Die Sozialdemokraten haben sich, aus Einsicht und mangels Alternativen, damit arrangiert, dass sie zumindest in einem Bundesland der rote Kellner eines grünen Kochs sein werden.

"Abnutzungserscheinungen"

Gabriel gibt sich auch ansonsten redliche Mühe, das mediokre SPD-Ergebnis in milderem Licht erscheinen zu lassen. Bei den vier Landtagswahlen in diesem Jahr sei die SPD jedes Mal in der Regierung, in Hamburg sogar mit absoluter Mehrheit. Die starken Verluste für Beck in Rheinland-Pfalz begründet er mit "Abnutzungserscheinungen" einer seit 16 Jahren regierenden Landespartei. Beck hatte am Morgen im Willy-Brandt-Haus einen Strauß roter Blumen mit grünen blättern erhalten, so wie auch Nils Schmid, der SPD-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg. Dabei sprach der immer noch enttäuscht wirkende Ministerpräsident über die Bedeutung von Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit und dann darüber, in den nächsten fünf Jahren einen "visionären Kurs" zu fahren. Was genau er damit meinte, ließ er aber offen. Klar ist dagegen, dass sich die Hoffnung der SPD nun darauf gründet, dass man in Deutschland bald nicht mehr über Kernschmelzen und Restlaufzeiten redet.

"Ich bin sicher, dass Atomkraft nicht auf Dauer die politische Diskussion bestimmt", sagt Gabriel. Dann, so lautet seine Botschaft, komme auch die Volkspartei SPD mit ihren Themen wieder besser zum Zug, die sich schließlich um das ganze Volk kümmern wolle und nicht nur um einen Teil. Einen kleinen Seitenhieb auf die grünen Konkurrenten kann sich Gabriel dann doch nicht verkneifen: "Der gesellschaftliche Zusammenhalt, den wir wollen, ist größer, als sich Teile des Prenzlauer Berges sich vorstellen können." Prenzlauer Berg, das sei für Nicht-Berliner gesagt, ist ein Viertel voller Altbauten, in denen jung-dynamische Menschen mit grünen Vorlieben leben. Und solide Finanzpolitik soll, so sagt Gabriel, auch ein neues Markenzeichen der SPD werden. Als er das sagt, schaut er auf Schmid, der in Stuttgart alsbald Finanzminister werden dürfte.

"Gerechtigkeit wird das nächste Thema"

Mit seinem Wunsch nach Themenwechsel steht Gabriel nicht allein. Der hessische Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel, der bei der Kommunalwahl am Sonntag in seiner Heimat ebenfalls Stimmenverluste und eine erstarkende Grüne Partei verkraften muss, sagt: "Gerechtigkeit wird das nächste große politische Thema". Für die Sozialdemokraten jedenfalls sei der vergangene Wahlabend kein Grund, "in Panik zu verfallen". Wann sich die politische Konjunktur wieder ändert und ob dann tatsächlich die Sozialdemokraten spürbar mehr Aufwind erhalten, ist ungewiss. Aus der Führungsriege sagt das keiner laut. Dort hört man eher Sätze wie diese: "Ein Regierungswechsel in Baden-Württemberg wird auch die SPD beflügeln wie Kokain." Anders der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt. Er sagt, das Profil der SPD sei nicht deutlich genug, ansonsten würde sie von der schlechten Arbeit der Bundesregierung doch schon jetzt stärker profitieren.

Einen Erfolg allerdings genießen die Sozialdemokraten, wenngleich es nicht der ihre ist: den misslungenen Versuch der Linkspartei, in die Landtage von Stuttgart und Mainz zu kommen. Schäfer-Gümbel, der dereinst seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti in ein rot-rot-grünes Bündnis gefolgt wäre, erklärt die Ex-PDS inzwischen in der alten Bundesrepublik für erledigt. "Die Linkspartei wird in westdeutschen Landtagen keine Rolle mehr spielen", sagt er. So weit gehenden Erwartungen widerspricht der aus Nordrhein-Westfalen stammenden Vize-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß: "Es wäre wohl verfrüht, das Ende der Linkspartei im Westen auszurufen." Vielleicht habe die Linkspartei aber ihren Zenit im Westen tatsächlich überschritten, sagt er. Wichtiger ist ihm etwas anderes: Der Wahlsonntag habe gezeigt, dass SPD und Grüne ohne Hilfe Dritter eine Mehrheit links von Union und FDP zustande bringen könnten.

© SZ vom 29.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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