100 Prozent erneuerbare Energie:Grüne streiten um Ökostrom

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100 Prozent Ökostrom: Ein Windrad und eine Photovoltaikanlage bei Brodersby, nahe Olpenitz in Schleswig-Holstein (Bild von 2011). (Foto: dpa)

Für die Grünen war eine Totalversorgung Deutschlands mit erneuerbaren Energien mal oberste Priorität. Aber nun stellen einige Parteimitglieder das Ziel in Frage.

Von Michael Bauchmüller

Als die Grünen noch davon träumten, nach der Bundestagswahl 2013 wieder Minister aufstellen zu dürfen, da ließen sie ihre Mitglieder per Befragung neun Regierungsprioritäten aufstellen. Priorität 1: 100 Prozent erneuerbare Energien. Schon bis 2030 solle Deutschland komplett mit Ökostrom versorgt werden, zehn Jahre später sollten auch Autos und Häuser nur noch grüne Energie verbrauchen.

Diese Forderung war damals nicht weiter überraschend, schon seit 2010 trat die Partei für die grüne Komplettversorgung ein. Nur blieben damals noch 20 Jahre, sie zu erreichen. Nach den ersten fünf Jahren aber macht Ökostrom gerade 30 Prozent aus.

Soll es um eine Zahl gehen - oder um Systemveränderungen?

Die Parteispitze will das Ziel dennoch im Programm halten, wenn auch im Kleid eines Vorwurfs. Die Regierung, so heißt es im Leitantrag des Bundesvorstands, bremse den Ökostrom. Und dann: "Trotzdem werden wir dafür kämpfen, denn wir wollen binnen zwei Jahrzehnten aus der Kohle aussteigen." Die 100 Prozent seien ein "ehrgeiziges, aber richtiges Ziel", sagt Grünen-Chefin Simone Peter zu Süddeutsche.de. Mit konsequenter Politik lasse sich das schaffen. "Bisher haben die Erneuerbaren die Erwartungen immer deutlich übertroffen", sagt Peter.

Eine Reihe anderer führender Grünen hat da Zweifel. Eine Gruppe um den schleswig-holsteinischen Energieminister Robert Habeck will das Ziel kippen. Die Fixierung darauf "verstellt die eigentliche Aufgabe", heißt es in ihrem Änderungsantrag. "Ziel müssen weit größere Systemveränderungen sein", sagt Habeck, "und nicht das Festhalten an einer Zahl mit der falschen Bezugsgröße." Es gehe um mehr als nur Strom. Hinter dem Antrag stehen auch grüne Umweltminister dreier weiterer Bundesländer und der zuständige Fraktionsvize.

Aber das Ziel einfach fallen lassen? An der Basis rumort es. Hans-Josef Fell, lange Jahre grüner Ökoenergie-Prediger im Bundestag, macht nun gegen seine Parteifreunde mobil. Die Parteispitze brauche "nun alle Unterstützung von der grünen Basis", verlangt er in einem offenen Brief, nur so lasse sich der "Frontalangriff" der eigenen Leute abwehren. Zu entscheiden haben es die Parteitags-Delegierten, Ende nächster Woche in Halle.

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