Die Grünen: Neue Regierungsoptionen:Es geht auch ohne SPD

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Mit der Entscheidung für eine Jamaika-Koalition weisen die Grünen im Saarland der gesamten Partei den Weg und zeigen: In der Not kann Grün auch ohne Rot. Ansteckungsgefahr!

Nico Fried

Die grünen Bundespolitiker reagieren auf die Koalitionsbildung im Saarland erstaunlich reserviert. Mit Blick auf die schwarz-gelb-grüne Regierung ist von einem Experiment die Rede, das keinen Modellcharakter habe, das an der Opposition gegen die neue Regierung in Berlin nichts ändern werde und das man irgendwie und überhaupt mit Vorsicht betrachte.

Wagen neue Wege: Die Grünen im Saarland (Foto: Foto: dpa)

Ach du liebe Güte, mancher Spitzengrüne hat sich vermutlich das letzte Mal so gewunden, als er in jungen Jahren von der Polizei mit einem frisierten Mofa erwischt wurde.

Die Grünen in Berlin sollten ihren Freunden im Südwesten dankbar sein. Bei allen politischen Besonderheiten an der Saar, deren hohe Zahl in bemerkenswertem Gegensatz zur Winzigkeit des Bundeslandes steht, bleibt doch das Signal, dass auch die Grünen dort wie ihre Hamburger Kollegen mehr Freiheit wagen.

Grassierende Realitätsverweigerung

Denn der Glaube, dass nur Rot und Grün unverbrüchlich zusammengehören, ist spätestens mit dem Niedergang der SPD für die Grünen zum Risiko geworden: Ansteckungsgefahr! Dass viele Sozialdemokraten das Ende eines Projektes bis heute nicht erkennen wollen und die Grünen wie selbstverständlich als Juniorpartner einplanen, ist nur ein weiterer Beweis für die grassierende Realitätsverweigerung in der SPD.

Auch einen Dreikampf mit der SPD und den Linken um die Vorherrschaft im Oppositionslager können die Grünen nicht gewinnen. Wozu auch? Eine Machtoption wird sich aus diesem Dreierlei so schnell nicht bilden. Stattdessen konkurrierte man nur um die gleichen Stimmen. Sozial, sozialer, supersozial.

Glaubwürdiger als die SPD sind die Grünen bei diesem Thema nicht: Mit ihrer frühzeitigen Abkehr von der Agenda 2010 haben sie nur weniger schmerzhaft bereits hinter sich gebracht, was die SPD in den nächsten Monaten noch vollziehen wird, ohne davon einen Nutzen zu haben.

Den Grünen aber ist ein Markenkern geblieben, die Meinungsführerschaft in der Ökologie und Nachhaltigkeit, ein Thema für die ganze Breite der Gesellschaft. Oft kopiert und nie erreicht, beackern die Grünen schon lange dieses Feld, auf dem sich die anderen Parteien früher oder später einfinden werden.

Neue Aussichten

Die Grünen müssen sich, anders als die SPD, nicht neu erfinden. Vielversprechender wäre es, sich als die einzige Oppositionspartei zu präsentieren, die auf mittlere Sicht in der Lage sein wird, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Mit Union und FDP. Oder eben statt der FDP.

Hubert Ulrich, der etwas linkische und von den Bundesgrünen oft belächelte Chef im Saarland, hat den Künasts und Trittins vorgemacht, was sie nicht vermochten: Er hat seine Leute in eine Regierungsoption geführt, während die Spitzenkandidaten im Bund den Wahlkampf damit verbrachten, eine Option nach der anderen verschwinden zu sehen.

Vier Jahre müssten eigentlich reichen für einen Generationswechsel, der zu neuen politischen Aussichten auch die passenden Leute an die Spitze bringt.

© SZ vom 13.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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