Debatte in Hamburg:Flüchtlinge: Für Gleichberechtigung bitte hier unterschreiben

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  • Die Hamburger CDU will, dass Flüchtlinge eine Integrationsvereinbarung unterschreiben.
  • SPD, Grüne und FDP halten das nicht für nötig - und plädieren für mehr Informationsbroschüren und -veranstaltungen.
  • Die Stadt ist nach den Übergriffen von Silvester verunsichert.

Von Hannah Beitzer, Hamburg

In Deutschland sind alle Menschen gleich. Die Gesellschaft ist offen. Jeder muss sich an Recht und Ordnung halten. Selbstjustiz ist verboten. Religiöse Rechtsordnungen haben keine Gültigkeit. Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Frauen sind hier als Polizistinnen, Lehrerinnen, Vorgesetzte, Kolleginnen zu akzeptieren. Gewalt gegen Frauen und Kinder ist verboten. Egal, ob zuhause oder auf der Straße. Die Leugnung des Holocaust ist strafbar.

Das sind einige der Regeln, die die CDU in Hamburg an neu angekommene Flüchtlinge verteilen will. 22 000 Flüchtlinge kamen 2015 in die Stadt, überall entstanden Notunterkünfte, ganze Wohnsiedlungen will Hamburg die nächsten Monate und Jahre errichten. Und dann war da noch Silvester: Hunderte sexuelle Übergriffe und Diebstähle gab es auf der Reeperbahn, dem vielleicht bekanntesten touristischen Wahrzeichen der Stadt.

SPD und Grüne wollen keinen Vertrag

Wie soll das alles bloß gutgehen?, fragen sich inzwischen nicht mehr nur die offensichtlich Rechten in Hamburg. Aus bürgerlichen Kreisen entstehen Initiativen, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte wehren. Und wie überall in Deutschland wird auch in Hamburg diskutiert, wie man eigentlich verhindern kann, dass so etwas wie an Silvester noch einmal passiert.

Auch SPD und Grüne machen sich darüber Gedanken. Ein Antrag, den sie in die Bürgerschaft eingebracht haben, ist jedoch allgemeiner formuliert als die CDU-Regeln. Die Fraktionen plädieren in ihm dafür, die Erstinformationen über deutsche Regeln und Gesetze in den Flüchtlingsunterkünften zu intensivieren: "Denn nur wer seine Rechte und Pflichten kennt und akzeptiert, kann Rechte geltend machen und Pflichten nachkommen." Es heißt darin aber auch sehr klar: "Verstöße gegen die Werteordnung unseres Grundgesetzes sind nicht hinnehmbar."

SPD und Grüne wollen die schriftlichen Informationen, die es bereits gibt, ausbauen und in mehrere Sprachen übersetzen. Außerdem fordern sie Integrationskurse in den Flüchtlingsunterkünften. Ganz ähnlich formuliert es auch die FDP, die ebenfalls einen Antrag eingebracht hat - aber trotzdem SPD und Grünen vorwirft, sie wollten "nur Broschüren verteilen".

Für Integrationshilfen gibt es in ganz Deutschland schon Vorbilder. Mehrere Schwimmbäder erklären zum Beispiel auf Bildtafeln und Flyern inzwischen nicht nur die Baderegeln, sondern auch, dass es verboten ist, Frauen anzufassen - ganz egal, ob sie Badeanzug oder Burkini tragen. Zum Karneval verteilten Karnevalsvereine und staatliche Stellen Broschüren, die erklären, warum eine Umarmung im Festgemenge keine Einladung zum Sex ist. In Mainz gab es sogar "Fastnachtkurse" der Polizei für Geflüchtete.

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Und auch außerhalb von Ausnahmesituationen wie dem Karneval tut sich einiges. Zum Beispiel veröffentlichte im vergangenen Jahr das bayerische Justizministerium ein Video, das in etwas mehr als drei Minuten die wichtigsten Regeln des deutschen Rechtstaates erklärt. Es ist Teil einer größeren Kampagne. Staatsanwälte, Richter und Rechtspfleger sollen in Bayern gegen eine geringe Aufwandsentschädigung Integrationsunterricht in Flüchtlingsunterkünften geben. Auf diese Initiative bezieht sich ausdrücklich der Hamburger Antrag von SPD und Grünen.

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Aber reicht es wirklich, die Rechte und Pflichten nur zu kennen? Die CDU in Hamburg findet: Nein. Sie will, dass sich die Flüchtlinge per Unterschrift dazu verpflichten, sich auch daran zu halten. Karin Prien, flüchtlingspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sagt: "Den Empfang und die Akzeptanz dieser 'Grundlagenvereinbarung für den Aufenthalt in Hamburg' soll jeder Neuankömmling quittieren." Die Abgeordneten von SPD und Grünen hingegen halten von dieser Art des Integrationsvertrags nichts. Nun diskutiert bald der Innenausschuss über die verschiedenen Anträge.

Zuletzt hatte die CSU eine "Integrationspflicht" ins Gespräch gebracht, unterstützt auch von Politikern der Schwesterpartei CDU. Sie hatten gefordert, dass Flüchtlingen, die vorher vertraglich vereinbarte Regeln und Werte nicht beachten, die Leistungen gekürzt werden sollen. Das soll auch gelten, wenn sie angebotene Integrations- und Sprachkurse nicht besuchten. Politiker der SPD hatten das Konzept als populistisch und sinnlos kritisiert. Sie betonten, dass Flüchtlinge sich jetzt schon an die deutschen Gesetze halten müssten - und keinen extra Vertrag benötigten.

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