Asylpolitik:Der Rechtsstaat in 03:14 Minuten erklärt

  • Ab Januar startet das bayerische Justizministerium eine Aufklärungsinitiative, um Flüchtlingen das deutsche Rechtssystem näher zu bringen.
  • Flüchtlinge mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit sollen in Kursen über Gleichberechtigung und die Trennung zwischen Staat und Kirche unterrichtet werden.
  • Kritiker sehen die Probleme an anderen Stellen.

Von Lisa Schnell

Es klingt besorgniserregend, was Justizminister Winfried Bausback über die Rechtsauffassung einiger Flüchtlinge erzählt. Einer wollte tagelang nicht mit einer Staatsanwältin sprechen, nur, weil sie eine Frau ist. Es gäbe Eltern, die ihre Kinder lieber als Dolmetscher benutzten anstatt sie in die Schule zu schicken. Ja, zu deren Erziehung es gehöre, ihr Kind "blau" zu schlagen. Sicher, das seien keine Massenphänomene, sagt Bausback, trotzdem: "So was darf von der deutschen Rechtsordnung nicht akzeptiert werden." Was er dagegen unternehmen will, stellte er am Donnerstag vor.

Von Januar 2016 an startet das bayerische Justizministerium eine Aufklärungsinitiative, um Flüchtlingen klar zu machen, was die deutsche Rechtsordnung von ihnen erwartet und was sie zu bieten hat. Für Flüchtlinge mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit aus Eritrea, dem Irak, Pakistan oder Syrien soll es Rechtsunterricht in Asylunterkünften geben. Dort werden ihnen Grundwerte wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die Trennung zwischen Staat und Religion beigebracht. Außerdem soll es Vorträge zum Familien-, Straf- und Vertragsrecht geben.

Wer die Kurse geben soll

Mehr als 800 Staatsanwälte, Richter und Rechtspfleger haben sich freiwillig als Lehrer gemeldet. Sie bekommen ein kleines Referentenhonorar, etwa 150 Euro pro Unterrichtseinheit. Viele hatten aber angeboten, auf die Bezahlung zu verzichten oder sie zu spenden.

Zusätzlich gibt es Infomaterial, aber auch vier Filme, die auf der Seite des Justizministeriums abgerufen werden können. In Zeichentrickoptik werden dort die Grundwerte der deutschen Verfassung erklärt. Ein durchgestrichenes Geldscheinbündel zwischen Richter und einer Menschenmenge? Klare Botschaft: hier bitte keine Korruption.

"Wir wollen keine Paralleljustiz", sagt Reinhard Nemetz, Präsident des Münchner Amtsgerichts, der die Kurse in München organisiert. Ehrenmorde oder die Verheiratung von Kindern seien durchaus Themen in Flüchtlingsunterkünften. Es könne nicht sein, dass Flüchtlinge "ihre eigene Rechtsordnung im Rucksack mitnehmen".

Was daran kritisiert wird

Der Jurist Christian Helmrich von der Universität Regensburg hat andere Erfahrungen gemacht. Er betreut Studenten, die ehrenamtlich Flüchtlinge in Rechtsfragen beraten. Dass bei den meisten ein "generelles Unverständnis über die deutsche Rechtsordnung" vorherrsche, kann er nicht sagen. Das Problem sei eher, dass sie das deutsche Asylrecht nicht verstehen. "Die haben keine Ahnung, was mit ihnen passiert", sagt er.

Dafür gebe es "gut funktionierende Beratungssysteme von allgemeinen Einrichtungen", sagt Justizminister Bausback. Diese allgemeinen Einrichtungen seien "Flüchtlingsinitiativen, die völlig überlastet sind", meint dagegen Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat. Sicher, die Rechtsauffassungen von muslimischen, aber auch christlichen Fundamentalisten in den Unterkünften seien ein Problem. Dringlicher als die Filme des Ministeriums sei aber eine staatliche Rechtsberatung zu Asylfragen.

Auch wenn die Initiative für etwa 700 000 Euro gut gemeint sei, könne der Eindruck entstehen, es bedürfe der "Zivilisierung" von Asylbewerbern, gibt Jurist Helmrich zu bedenken. Diesem Vorwurf will Amtsgerichtspräsident Nemetz unbedingt entgegenwirken. "Oberlehrerhaft" sollten die Kurse auf keinen Fall sein. Es ginge darum, die Leute zu "überzeugen" und damit einen Beitrag zur Integration zu leisten, damit sie "ihren Platz in der Gesellschaft finden können".

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