Datenschutzbeauftragter:Schaar zerpflückt Verfassungsschutz-Reform

Die Innenminister kündigen an, den pannengeplagten Verfassungsschutz moderner und transparenter zu machen - und ernten Kritik: Der Datenschutzbeauftragte Schaar spricht von Stückwerk und auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mäkelt an der Reform.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ist unzufrieden mit der Reform der Sicherheitsbehörden und wirft Bund und Ländern Versäumnisse vor. "Das ist Stückwerk", sagte Schaar der Nachrichtenagentur dpa. "Ein Gesamtkonzept ist nicht erkennbar." Bund und Länder hätten bereits einzelne Neuerungen eingeführt, ohne aber die Strukturen insgesamt zu überdenken.

Nach Informationen der Zeitung Die Welt wollen die Innenminister von Bund und Ländern den Verfassungsschutz moderner und transparenter machen. Unter anderem solle das Internet als "Aufklärungs- und Präventionsmedium" stärker genutzt werden.

Die Zeitung stützt sich auf das Konzept zur "Neuausrichtung des Verfassungsschutzes", das die Innenminister am Freitag in Rostock-Warnemünde beschließen wollen. Geplant ist demnach eine zentrale Datenbank für "extremistische Internetauftritte". Schaar geht das aber nicht weit genug: "Ich hoffe, dass etwas mehr dabei herauskommt, als wieder nur eine neue Datei."

Leutheusser-Schnarrenberger: Bisherige Reform "äußerst zaghaft"

Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte die bisherige Verfassungsschutzreform nach der NSU-Mordserie als "äußerst zaghaft". Der Welt sagte sie, dass "effektivere Strukturen" notwendig seien. Dazu müssten die Verfassungsschutzämter der Länder zusammengelegt werden, der Militärische Abschirmdienst sollte aufgelöst werden.

Kernpunkte des Konzepts der Innenminister sind die Einrichtung eines zentralen V-Leute-Registers beim Bundesamt für Verfassungsschutz und einheitliche Standards für deren Führung. Bei den V-Leuten soll es künftig eine Probezeit "von mindestens sechs Monaten" geben, ihre Führer sollen jeweils nach fünf Jahren wechseln. Honorare des Staates sollten künftig "objektiv nachvollziehbar und dokumentiert" sein. "Geld- und Sachzuwendungen und sonstige Leistungen" dürften nur erfolgsabhängig gezahlt werden.

Die neue zentrale V-Leute-Datei soll keine "Klarnamen" enthalten, um die Zuträger nicht zu gefährden. Gespeichert werden sollen der Deckname, Charaktermerkmale, Herkunft, Besonderheiten, Kontakte zu Gruppierungen und Personen.

Schaar: "Schnellschüsse nicht sinnvoll"

Angesichts der Ermittlungspannen im Fall der rechtsextremen Terrorzelle NSU hatten Bund und Länder zuletzt eine gemeinsame Neonazi-Datei der Sicherheitsbehörden eingerichtet, um radikale Rechtsextremisten besser aufzuspüren. Sie gründeten auch mehrere gemeinsame Abwehrzentren gegen Extremismus, in denen sich Polizei und Nachrichtendienste über Gefahren austauschen.

Schaar beklagte, mit diesem Informationsaustausch werde das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten aufgeweicht. "Das Pooling sämtlicher Informationen ist verfassungsrechtlich sehr riskant." Die Anti-Terror-Datei - eine Datensammlung zu gefährlichen Islamisten, nach deren Vorbild die Neonazi-Datei aufgebaut wurde - steht aus diesem Grund beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand. Schaar kritisierte, dass Bund und Länder das Ergebnis aus Karlsruhe nicht abgewartet hätten. "In diesem sensiblen Bereich sind Schnellschüsse nicht sinnvoll."

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