Datenschutz in Europa:Placeboeffekt

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Auf einer neuen EU-Datenschutzverordnung lasten in Zeiten der Spionage-Affäre der US-Geheimdienste hohe Erwartungen. Doch die deutsche Politik wird Mühe haben, ihre Vorstellungen vom Datenschutz zu exportieren. Die Gesetze enden an den Landesgrenzen, die Glasfaserkabel nicht.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Der europäische Datenschutz erlebt gerade so etwas wie eine politische Seligsprechung. Nachdem besonders in Deutschland die Emotionen über das US-Ausspähprogramm Prism hochkochen und die Kanzlerin Europa zum globalen Vorbild in Sachen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte machen möchte, lasten nun alle Erwartungen auf einer neuen Datenschutzverordnung.

Dieses Stück Papier aus dem Haus der EU-Justizkommissarin Viviane Reding, über das seit einem halben Jahr verhandelt wird, macht gerade eine erstaunliche Karriere. Denn in Wahrheit war die Verordnung schon weidwund geschossen, bevor die Welt von Edward Snowden erfuhr. Und es waren vor allem die Deutschen, die sich gegen die Brüsseler Regelungswut wehrten, welche den guten deutschen Datenschutz zu verwässern drohte. Die Verordnung durchlebt ein typisch europäisches Schicksal: Wer auf dem Kontinent politische Harmonie und Rechtsfrieden möchte, der braucht Geduld, Nerven und muss kompromissbereit sein. 4000 Änderungsanträge der Lobby lassen sich bis zur Europawahl in einem knappen Jahr nicht bewältigen. Und die deutsche Stimmung lässt derzeit keinen Kompromiss zu.

Dennoch soll diese Verordnung die Volksseele beruhigen und das globale Datengeschäft nach Europas Vorstellung formen. Zwei Bundesminister sind eigens auf unbedeutende EU-Treffen gefahren, um den Eindruck von Geschäftigkeit zu vermitteln. Das ist naiv bis mutwillig irreführend. Denn die Verordnung sollte zunächst Verbraucher schützen: Wer darf was speichern, wenn man im Netz bestellt? Wer darf welche Daten verkaufen? Kann man einen Binnenmarkt für den digitalen Handel schaffen? Weil Reding und die Mehrheit der EU-Staaten laxe Vorstellungen vom Datenschutz haben, war Berlin bisher gar nicht scharf auf diese Verhandlungen.

Naiv wäre es aber zu glauben, dass nun das Problem Prism von Brüssel gleich mitgelöst werden könnte. Das wird nicht geschehen - aus rechtlichen wie auch aus machtpolitischen Gründen nicht. In der Sicherheitspolitik sind die Geheimdienste besonders tief im nationalen Bewusstsein verankert. Das geht die EU-Gemeinschaft nichts an. Keine Bundesregierung, auch keine SPD-geführte, würde dieses Werkzeug der Außenpolitik einer europäischen Aufsicht unterwerfen. Bei den Briten oder Franzosen kann man sich die Anfrage gleich sparen. Ein grobes Raster, ein selbstverpflichtendes Rahmenabkommen - vielleicht. Aber keine Aufsicht und erst recht kein Transfer von Souveränität.

Die Deutschen stehen in der Euro-Krise im Verdacht, dass an ihrem Wesen wieder einmal die Welt genesen soll. Die Datenschutzdebatte bestärkt diesen Verdacht - bei manchen löst sie gar eine Furcht aus. Auch wenn das Ausmaß der Datenüberwachung vielen in Europa und selbst in den USA den Atem verschlägt: Die deutsche Politik wird Mühe haben, ihre Vorstellungen vom Datenschutz zu exportieren. Die Gesetze enden an den Landesgrenzen, die Glasfaserkabel nicht.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version war im Text von einer neuen EU-Datenschutzrichtlinie die Rede. Geplant ist allerdings eine Datenschutzverordnung. Eine Richtlinie lässt den EU-Mitgliedsstaaten Spielraum in der nationalen Umsetzung, eine Verordnung gilt direkt und in allen Ländern gleich.

© SZ vom 20.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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