CDU/CSU nach der Bundestagswahl:Gute Merkel, böser Seehofer

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Horst Seehofer bei seinem Auftritt in Berlin. (Foto: Johannes Eisele/AFP)

Die Union genießt ihren Triumph. Die Fraktion kürt Volker Kauder fast einstimmig zum Chef. Und die Parteispitze hat sich ein Spiel einfallen lassen, um die Sozialdemokraten in die große Koalition zu zwingen.

Von Michael König, Berlin

Er hat einen Fleck am Revers. Sie bemerkt das sofort, nestelt daran herum, streicht sein Sakko anschließend mit der Hand glatt. Schöne Bilder sind das von Horst Seehofer und Angela Merkel, zu Beginn der ersten Fraktionssitzung der Union nach der Wahl. Er wirkt stolz, sie mütterlich, das passt zu dem, was gerade im Koalitionspoker passiert.

Die Union hat die Wahl gewonnen, das zeigt sie auch am Dienstag noch einmal deutlich. Im Fraktionsraum im Bundestag fallen Abgeordnete einander in die Arme, sie klatschen ab, rufen "Glückwunsch" oder prahlen mit ihren Erststimmenergebnissen. Viele neue Mitglieder sind da, ihre Fotos liegen auf Listen aus. Fraktionschef Volker Kauder wird fast einstimmig wiedergewählt und bekommt 97,4 Prozent der Stimmen.

Allein zwölf Neue hat die CSU-Landesgruppe zu bieten. Jünger und weiblicher sei seine Truppe geworden, verkündet Seehofer stolz. Er ist am Dienstagmittag in die bayerische Vertretung in Berlin gekommen, um sie vorzustellen. Eine "starke Mannschaft" habe er da, prahlt er. "Wir sind stabil, wir sind gut drauf, wir stehen bereit."

Guter Bulle, böser Bulle

Das Problem ist: mit der Bereitschaft steht die Union bislang alleine da. Ihr Koalitionspartner FDP ist futsch, ein neuer auch am zweiten Tag nach der Wahl nicht in Sicht. Merkel und Seehofer setzen auf die SPD, das haben beide klargemacht. Auch wenn sich die SPD ziert. Sie spielen jetzt "Guter Bulle, böser Bulle", um die Sozialdemokraten in Richtung großer Koalition zu drängen.

Merkel ist der gute Bulle, sie setzt auf ihre Nähe zu SPD-Chef Sigmar Gabriel, den sie aus Zeiten der großen Koalition von 2005 bis 2009 kennt und zu schätzen weiß. Sie hat ihn am Montag angerufen, er hat sie zunächst vertröstet.

Gabriel muss den Parteikonvent der SPD am Freitag abwarten. 200 Delegierte tagen dann im Willy-Brandt-Haus hinter verschlossenen Türen. Mit Widerstand gegen Schwarz-Rot ist zu rechnen. "Große Vorbehalte" oder auch "starke Bauchschmerzen" sind Ausdrücke, die Genossen dieser Tage gerne benutzen. Auf Facebook hat sich eine Gruppe gegründet: "Sozialdemokrat_innen gegen die Große Koalition." Binnen zwei Tagen haben 4600 Menschen auf "Gefällt mir" geklickt.

Die einflussreiche NRW-SPD hat derweil einen Beschluss formuliert, der sich zumindest als Distanzierung interpretieren lässt: man wolle "kein Mehrheitsbeschaffer" für die Union sein. Heißt: Wir verkaufen uns teuer. Und zur Not machen wir eben nicht mit. Und dann?

"Schwerer historischer Fehler"

Da kommt der böse Bulle ins Spiel, Horst Seehofer. Er hebt am Montag den rhetorischen Zeigefinger, schickt eine Drohung in Richtung Willy-Brandt-Haus. Die SPD müsse wollen. "Alles andere wäre ein schwerer Fehler", sagt er. "Ein schwerer historischer Fehler, wenn sich die SPD der Verantwortung entzieht."

Die Drohung hat wohl auch damit zu tun, dass Seehofer Schwarz-Grün nicht leiden kann. Er will das am Montag zunächst nicht ausführlich darlegen, sagt lediglich: "Mit den Spitzenleuten der Grünen, die im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben, werde wir keine Gespräche führen. Das werde ich nicht tun." Das zielt auf Jürgen Trittin, der Seehofer im Wahlkampf ausdauernd "Crazy Horst" genannt hat.

Die Karriere von Horst Seehofer
:Einzelkämpfer mit Machtinstinkt

Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.

"Wir sind doch hier nicht in Fantasialand"

Minuten später, die CSU-Landesgruppe stellt sich gerade zum Foto auf, erreicht Seehofer die Nachricht: Trittin kündigt seinen Rückzug an. Und nun? Das sollte doch einiges erleichtern?

Seehofer reagiert unwirsch: "Wir führen doch hier keine Personalverhandlungen, uns geht es um Inhalte." Vieles von dem, was die Grünen wollten, finde er "völlig daneben". Schwarz-Grün sei "überhaupt nicht die Frage", sagt er und fügt an: "Jetzt warten wir mal ab, wie sich die SPD entscheidet."

Aber was, wenn die nicht will? Macht es die Union dann alleine, in einer Minderheitsregierung? "Wir sind doch hier nicht in Fantasialand", sagt Seehofer. Die SPD sei "in Wallung", werde sich aber schon wieder beruhigen.

Im Übrigen solle jetzt niemand in Panik verfallen: "Es ist ja nicht so, dass Deutschland nicht regiert wird. Schauen Sie ins Kanzleramt, die Kanzlerin ist da und regiert."

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