Bundestagswahl:Wer Merkel bestrafen will, muss nicht mehr AfD wählen

Frauke Petry

Nur ein Thema ist zu wenig: AfD-Chefin Frauke Petry strauchelt im Bundestagswahlkampf.

(Foto: dpa)

Die AfD führte bislang einen Wahlkampf gegen die "Flüchtlingskanzlerin" Angela Merkel. Das könnte der Partei zum Verhängnis werden.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Der Jubel in der AfD war groß, als Angela Merkel Ende November erklärte, erneut als Kanzlerkandidatin der Union antreten zu wollen. Das werde der Partei nützen: Merkel, die "Flüchtlingskanzlerin", sei die beste Wahlkampfhelferin der AfD, so das Kalkül.

Merkels erneute Kanzlerkandidatur sei "eine weitere Bankrotterklärung der Union", jubelte damals AfD-Vize Alexander Gauland. Es sei an den Wählern, das "verkrustete Merkel-Kartell zu beseitigen". Es gebe eine "Alternative zur Alternativlosigkeit der Kanzlerin: die Alternative für Deutschland".

Wahlkampfstrategen wissen aber: Wähler verhalten sich wie scheue Rehe. Wenn es ihnen unangenehm wird, sind sie weg. Inzwischen ist die AfD in den jüngsten Umfragen auf etwa acht Prozent in der Wählergunst abgestürzt. So hatte sich die Partei den Start in das neue Jahr vermutlich nicht vorgestellt.

Die AfD wird nur mit einem Thema wahrgenommen

Das Problem der AfD ist: Sie wird allein mit der Flüchtlingsfrage in Verbindung gebracht. Einst angetreten als Anti-Euro-Partei, ist heute der Kampf gegen die "Flüchtlingskanzlerin" zum alles beherrschenden Markenkern geworden. Die Partei fischt bewusst am rechten Rand. Sie bekommt Zulauf zwar auch von Wählern der Union und etwas weniger von jenen von SPD, Linken und Grünen. Aber am meisten holt sie unter den Nichtwählern.

Diese könnten jetzt womöglich auch in Martin Schulz eine Alternative sehen. Wenn der Kanzlerkandidat der SPD seine Partei auf 30 Prozent oder gar mehr führt, bringt er in Wahlen etwas mit, was die AfD nicht hat: eine Machtperspektive jenseits der großen Koalition. Wer Merkel bestrafen will, muss nicht mehr AfD wählen.

Dass die Frage der Machtperspektive mit Blick auf die Bundestagswahl wichtig ist, zeigt das Beispiel Die Linke. Die Partei stagniert auch deshalb, weil sie zumindest auf Bundesebene noch immer nicht bereit ist, einen eindeutigen Machtanspruch zu formulieren, also etwa die Aussicht auf ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis. Ewige Opposition ist kein Erfolgsmodell.

Die AfD formuliert so einen Machtanspruch zwar - aber nur als potenzieller Seniorpartner einer Regierung. Das wiederum ist eine unrealistische Option. Wer die AfD nicht nur aus Protest wählt, sondern damit die Partei mittelfristig mitregiert, den dürften solche Ansagen eher verstören.

Merkel taugt nicht mehr als Hassobjekt

Dazu kommt: Merkel taugt nicht mehr als das Hassobjekt, als das die AfD sie gerne hinstellen würde. Aus der "Flüchtlingskanzlerin" ist längst eine "Abschottungskanzlerin" geworden. Die Balkanroute ist zwar nicht mit Billigung der Kanzlerin geschlossen worden, aber sie hat auch nicht viel dagegen unternommen. Der Türkei-Deal und andere Abkommen haben den Zuzug von Flüchtlingen stark sinken lassen. Abschiebungen sind auch mit Merkels Unterstützung leichter geworden.

Das Ergebnis: Im Rekordjahr 2015 haben 890 000 Menschen Zuflucht in Deutschland gesucht. Im Jahr 2016 waren es 280 000 Menschen. Und in diesem Jahr dürften die Zahlen weiter zurückgehen.

Hartgesottene AfD-Anhänger mag das nicht beeindrucken. Aber Wechselwähler, die problemlos zwischen Linken, Union, AfD und SPD hin und her wandern, scheinen sich gerade von der AfD ab- und anderen Möglichkeiten zuzuwenden.

Die AfD attackiert Merkel dennoch für das angebliche Staatsversagen, für ihren angeblichen Rechtsbruch, als sie Anfang September 2015 erklärte, sie werde die Einreise von Flüchtlingen nicht mit Gewalt stoppen. (Ein Rechtsbruch war das übrigens eher nicht: Das europäische Recht sieht ein "Selbsteintrittsrecht" vor. Das bedeutet: Jeder EU-Staat kann freiwillig so viele Flüchtlinge ins Land lassen, wie er möchte.)

Die Konjunktur von Protestparteien hält in der Regel nur so lange an, wie es Grund für den Protest gibt. Nun scheinen die großen Probleme des Jahres 2015 - die Unterbringung der Flüchtenden und ihre Registrierung - weitgehend gelöst. Und die AfD verpasst es, sich konstruktiv in die Debatte um die Zukunft Deutschlands einzubringen.

Bundeskanzlerin Merkel das Etikett "Flüchtlingskanzlerin" zu verpassen, dürfte der AfD im Wahlkampf nicht mehr helfen.

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