Bundespräsident Gauck:Muslime, ein Teil von Deutschland

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Bundespräsident Gauck wirbt für eine tolerante Sicht auf den Islam und einen offenen Diskurs über Integration. Er schließt sich der Äußerung seines Vorgängers, der Islam gehöre zu Deutschland, an - schränkt jedoch den Satz von Christian Wulff in einem wesentlichen Punkt ein.

Zum Abschluss seiner Nahost-Reise besucht Bundespräsident Joachim Gauck das palästinensische Westjordanland. Zur gleichen Zeit erscheint ein Interview, in dem er für eine tolerante Sicht auf den Islam wirbt. Dem Satz seines Vorgängers Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, stimme er in seiner Intention zu, sagte Gauck der Wochenzeitung Die Zeit: "Die Absicht war die, zu sagen: Leute, bitte einmal tief durchatmen und sich der Wirklichkeit öffnen. Und die Wirklichkeit ist, dass in diesem Lande viele Muslime leben."

Joachim Gauck besuchte mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt eine Mädchenschule in Nablus. (Foto: dpa)

Wulff war für eben diesen Satz stark kritisiert worden - sein Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten schwächt ihn nun ab: "Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland." Dahinter stecke eine Vorstellung von Beheimatung nicht durch Geburt, sondern der Bejahung des Ortes und der Normen, die dort gelten.

Gauck äußerte aber auch Verständnis für jene, denen Wulffs Äußerung zu weit ging: "Da kann ich diejenigen eben auch verstehen, die fragen: Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation?" Es sei deswegen wichtig, dass es in Deutschland Lehrstühle für Islamwissenschaften gebe, um den Diskurs zu fördern.

Am Mittwoch hatte Gauck bei einem Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu außerdem sein Unbehagen über Israels Siedlungspolitik bekundet. Dabei machte er nach Angaben seines Sprechers aber deutlich, dass Kritik aus Deutschland an der Siedlungspolitik nicht die Freundschaft mit Israel in Frage stelle. Im Jahr 2010 hatte Israel ein Siedlungsmoratorium auslaufen lassen und mit dem Bau neuer Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem begonnen. Der Siedlungsbau ist einer der Hauptstreitpunkte im Nahost-Konflikt.

Gauck betonte gegenüber der Zeit auch, dass er sich der besonderen Verantwortung Deutschlands bewusst sei: "Ich bin ein Deutscher, und ich bin im Dritten Reich geboren, ich war fünf Jahre alt, als wir befreit wurden. Ich trage also keine persönliche Schuld, aber in mir ist sehr wohl ein verstörendes Wissen über diesen tiefen Fall einer doch wohl großen Kulturnation."

© Süddeutsche.de/beitz/afp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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