Barack Obama und Mitt Romney:Zwei Männer, zwei Welten

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Barack Obama und Mitt Romney - verschiedener könnten die beiden US-Präsidentschaftskandidaten kaum sein. Romney denkt als früherer Unternehmensberater sehr geradlinig: Ist ein Geschäft profitabel? Obama hat sich auf der Suche nach Anerkennung nie für Geld interessiert. So verschieden wie diese Politiker wird auch die Politik sein, die sie im Weißen Haus machen wollen.

Nicolas Richter, Washington

Der Amtsinhaber Obama und sein Herausforderer Romney: So verschieden wie die beiden US-Präsidentschaftskandidaten wird auch die Politik sein, die sie im Weißen Haus machen wollen. (Foto: dpa)

Ende Januar werden die Vereinigten Staaten einen intelligenten, leicht introvertierten Präsidenten haben, der sich für jedes Detail interessiert und sehr sorgfältig abwägt, bevor er Entscheidungen trifft. Offen ist nur, ob dieser Präsident Barack Obama oder Mitt Romney heißt.

Viel mehr allerdings haben diese beiden Rivalen um das Weiße Haus nicht gemeinsam, sie sind sogar ungewöhnlich verschiedene Typen, selbst dort, wo sie sich ähneln: Beide haben als Außenseiter angefangen und sind es in mancher Hinsicht geblieben, Obama allerdings, weil er schwarz ist, und Romney, weil er Mormone ist. Beide sind überdurchschnittlich pflichtbewusst; der eine jedoch, weil er immer nach oben wollte, der andere, weil er immer oben war.

Ihre Wähler sind so unterschiedlich wie sie selbst. Obama zieht überwiegend Schwarze, Latinos, Junge und Frauen an, Romney überwiegend weiße Männer. Den Amerikanern steht nun eine echte Richtungswahl bevor: Die Kandidaten stehen für ein völlig gegensätzliches Staatsverständnis, und es ist jeweils stark beeinflusst von ihren Erfahrungen.

Der Demokrat Obama, 51, ist ohne Vater, meist auch ohne Mutter aufgewachsen, mal in Indonesien, mal auf Hawaii. Er hat viele Jahre damit verbracht, sich über seine Identität klarzuwerden. Auf der Suche nach Anerkennung allerdings hat ihn Geld nie interessiert. Stattdessen ging er als Sozialarbeiter nach Chicago.

Der Republikaner Romney, 65, ist dagegen in einer heilen, wohlhabenden Familie groß geworden, als jüngster Sohn des Automanagers George Romney. Während Obama ohne Vater groß wurde, war Romneys Vater auch nach seinem Tod noch eine Leitfigur. Wie George hat auch Mitt erst viel Geld verdient und dann in der Politik nach höheren Aufgaben gesucht. Sein Streben nach dem höchsten Staatsamt erklärt sich auch aus der größten Niederlage seines Vaters: Der scheiterte 1968 im Vorwahlkampf um die Präsidentschaft. Es hat Mitt, der damals Anfang 20 war, sehr getroffen.

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Sein Urgroßvater war Polygamist und musste nach Mexiko fliehen, Enkel Mitt wurde als Missionar einst für tot erklärt - und heißt eigentlich gar nicht Mitt.

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Romney ist als früherer Unternehmensberater und Finanzinvestor ein Mann, der sehr geradlinig denkt: Ist ein Geschäft profitabel? Wenn nicht, kann man es richten? Wenn nicht, wird man es los? Romney hat sich zwar immer auch Zeit genommen für die Nöte anderer, als Amtsträger in der mormonischen Kirche etwa, aber Beruf und Mildtätigkeit waren bei ihm zwei streng getrennte Welten. Obama hat dagegen früh versucht, seinen Beruf und den Dienst an seinen Mitmenschen zu verbinden. Politik ist für ihn eine Berufung, während sie bei Romney die logische nächste Herausforderung ist nach einer Karriere, in der er schon alles erreicht hat.

"Ihre Rivalität stellt unsere Geduld auf die Probe, weil sie solch unterschiedliche Sprachen sprechen, dass sie scheinbar aneinander vorbeireden", bemerkte der Schriftsteller Walter Kirn im Magazin New Republic. Ein Beispiel für dieses gegenseitige Nicht-Verstehen-Wollen ist Obamas "You didn't build that"-Bemerkung. Er wollte damit bei einem Wahlkampfauftritt erklären, dass ein Kleinunternehmer nur dann etwas aufbauen kann, wenn der Staat zuvor Lehrer, Straßen und Brücken zur Verfügung gestellt hat. Romneys Team machte daraus ihr Parteitagsmotto "We built that!": Doch, wir Amerikaner haben unseren Erfolg gebaut, wir brauchen dafür nur uns selbst, jedenfalls keinen Staat.

Dies gibt im Kern wieder, worum es bei dieser Wahl geht: um die Verantwortung der Allgemeinheit, die Obama gestärkt hat und weiter stärken möchte, und um die Verantwortung des Einzelnen, die Romney aufwerten will. Die Meinungen dazu (oder ist es schon Glaube?) sind so verschieden, dass Verständigung nicht möglich ist.

Das bedeutet nicht, dass Romney nur schlecht findet, was Obama tut. In der Außenpolitik hat er erkennen lassen, dass er wenig ändern würde, und zeitweise haben beide Männer sogar für das Gleiche gekämpft. Im Wahlkampf wurde dies nur selten offenbar, denn die politischen Verhältnisse sind inzwischen so, dass Konsens - zumindest auf der Rechten - als Schwäche gilt. Bestes Beispiel dafür ist der unglaubliche Streit über die staatlich vorgeschriebene und geförderte Krankenversicherung für alle Bürger, ein Hauptthema der Wahl.

Als Romney von 2003 bis 2007 Gouverneur von Massachusetts war, lautete sein heimliches Ziel, bald ins Weiße Haus zu gelangen. Schon in seiner ersten Amtszeit also wollte er etwas Großes erreichen, auf das er später verweisen könnte. So entdeckte er die Gesundheitsreform, eigentlich ein Projekt der Demokraten. Romney machte sich das Projekt zu eigen, umarmte seine politischen Gegner und setzte die Reform durch. Obama fand die Idee so gut, dass er sie, wie im Wahlkampf versprochen, als Präsident landesweit verwirklichte.

Weil die Reform unter Rechten aber verhasst war, verurteilte Romney sie plötzlich, der gerade um die Kandidatur der Republikaner kämpfte - und verleugnete damit den größten Erfolg seines politischen Lebens. Als er sich jüngst als Mann der Mitte neu erfand, brüstete er sich wieder mit seiner Reform, wobei er aber ankündigte, jene von Obama rückgängig zu machen.

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Multimillionär, Mormone, Familienmensch, Wahlverlierer: Mitt Romney wollte die Republikaner zum Sieg führen und US-Präsident werden. Doch daraus wurde nichts. Was bewegt den Mann, der Barack Obama herausfordern wollte und scheiterte ? Wo sind seine Ursprünge und wie hat er es dorthin geschafft, wo er heute ist?

Wo Obamas Politik scheinbar aus tieferen Überzeugungen entsteht, behandelt Romney Themenkomplexe wie Firmen, die man kauft oder verkauft, je nachdem, was man gerade braucht. Das gilt genauso für Klimaschutz, Waffenkontrolle, Abtreibung, Einwanderung, Sozialhilfe. Obamas Meinung zu diesen Themen ist konstant. Romney ist bei allen von der Mitte nach rechts gerückt - und wieder zurück.

Man kann Romney zugutehalten, dass er die Radikalen in seiner Partei ausgetrickst hat, die Budgetkürzer, die Abtreibungsgegner, die Schwulen- und Ausländerfeinde. Selbst wer ihn unvoreingenommen betrachtet, hat allerdings Mühe zu erfahren, was Romney glaubt oder denkt.

Mit seinem neoliberalen Sparkommissar und Vizekandidaten Paul Ryan an der Seite erinnert Romney manchmal an Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2005. Sie kam als kühle, wenig mitfühlende Reformerin mit ihrem Steuerprofessor Paul Kirchhof, wurde deswegen in eine große Koalition gezwungen und ist nun als Frau der Mitte eine nüchterne Krisenmanagerin, die ihre Überzeugungen - siehe Atomkraft - oft nach der Stimmung im Land ausrichtet.

Die Republikaner des Jahres 2012 aber sind nicht CDU oder CSU. Sie verlangen so tiefe Einschnitte ins soziale Netz und in Regierungsaufgaben, dass der Staat kaum wiederzuerkennen wäre, wenn sie sich durchsetzen sollten. Romney hat sich bisher immer nach der Partei gerichtet, er hat ihr nie eine Überzeugung entgegengehalten und Gefolgschaft verlangt.

Obama wiederum hatte kaum Erfahrung in Washington, als er Präsident wurde, und auch er hat gelernt, dass selbst der erste Mann im Staat nur beschränkte Macht hat. Die Schließung Guantanamos hat er aufgegeben, ebenso sein Klimaschutzgesetz. Anders als Romney aber hat Obama nicht seine Meinung dazu geändert, er hat nur eingesehen, dass manches schlicht nicht durchzusetzen war.

Das bedeutet nicht, dass sich Obama nie neu erfunden und den Umständen angepasst hat: Als er sich im August 2011 mit den Republikanern im Kongress um das Budget streitet, erkennt er, dass er sich mit dieser Partei nie wird einigen können. Er gibt es auf, Vernunftpolitiker zu sein und spielt seitdem den Klassenkämpfer, der Amerikas Mitte vor den Rechten schützt.

Obama hat oft gesagt, dass er sich auch mit einer Amtszeit zufriedengeben könnte, wenn er am Ende etwas Bleibendes erreicht hätte. Aber die Unerbittlichkeit der Rechten hat ihn angespornt weiterzumachen. Vor allem ist es ein offenes Geheimnis, wie sehr er Romney verachtet. Diesem Mann, den Bilanzen scheinbar mehr begeistern als Bücher, möchte er nicht sein Erbe anvertrauen.

Romney wiederum scheint überzeugt zu sein, dass Obama einer jener typischen Politiker ist, die alle Probleme mit Geld lösen wollen, das ihnen nicht gehört - anders als Manager wie er, die entweder liefern oder gefeuert werden. Das enorme Haushaltsdefizit, das Obama verantwortet (zusammen mit etlichen republikanischen Vorgängern), sieht Romney als Gefahr für die Zukunft des Landes. Er hat aber nie vorrechnen können, wie er es beseitigen würde. In seinem Buch "No Apology" beklagt Romney, dass die Amerikaner den bedrohlichen Zustand der Staats- und Sozialkassen hinnähmen oder gar verschwiegen. Romney vergleicht dies mit der Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler.

Glaubt man also diesen beiden durch und durch verschiedenen Männern, wäre ein Wahlsieg des jeweils anderen mindestens eine Katastrophe für das Land. Am 6. November haben die Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten die Wahl.

© SZ vom 03.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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