Außenansicht:Mit diesen Maßnahmen sollte die EU auf Trump reagieren

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Wegen Donald Trumps negativer Haltung zur internationalen Zusammenarbeit muss die Europäische Union die Zukunft des Westens stärker gestalten. (Foto: dpa)

Dank Donald Trump liegt die Zukunft des Westens in den Händen der EU. Sie muss sich auf diese Aufgabe vorbereiten.

Gastbeitrag von Charles A. Kupchan

Die erste Europareise des neuen amerikanischen Präsidenten wird noch lange nachwirken. Statt eines Bekenntnisses zu westlichen Werten und Institutionen zeigte Donald Trump das Gegenteil - er brüskierte die engsten demokratischen Verbündeten Amerikas und setzte sich von ihnen ab.

Seine Auftritte waren so erstaunlich, dass Angela Merkel, die nicht gerade für Überreaktionen bekannt ist, verkündete, dass Europa nun auf sich allein gestellt sei. Und als ob das noch nicht genug wäre, kündigte Trump den Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen an und positionierte die Vereinigten Staaten damit gegen beinahe jedes andere Land der Welt.

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Der Grund? Der US-Präsident ärgert sich wohl mächtig über die dortigen Proteste gegen ihn. Wird aus der Fahrt mit der Queen in einer goldenen Kutsche doch nichts?

Bis zu diesen Ereignissen gab ich mich, wie viele andere auch, der Hoffnung hin, dass Trumps negative Haltung zur internationalen Zusammenarbeit, insbesondere mit westlichen Partnern, lediglich eine Phase sein könnte - das Ergebnis schlechter Einflüsse von radikalen Beratern im Weißen Haus und der intellektuellen und politischen Unreife des Präsidenten.

Merkel hatte Recht: Die Europäer müssen ihr Schicksal in die Hand nehmen

Jetzt aber entpuppte sich diese Hoffnung als Illusion. Trump demonstrierte, dass sein "America first" in Wirklichkeit "America only" bedeutet, und dass er tatsächlich vorhat, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschmiedete Gemeinschaft westlicher Demokratien zu verlassen. Trumps ätzende Rhetorik ist zu bedrohlicher Wirklichkeit geworden.

Es ist nicht eine Welt ohne den Westen, die sich da abzeichnet, sondern eine westliche Welt ohne die USA. Trump machte deutlich, dass er die transatlantische Gemeinschaft aufgibt; Merkel hatte also recht, als sie sagte, Europäer müssten ihr Schicksal in ihre eigenen Hände nehmen. Die Frage ist, ob die EU inmitten eigener populistischer Probleme und der Brexit-Verhandlungen imstande ist, der Eckpfeiler der westlichen Welt zu sein.

Seit Trump sein wahres Gesicht zeigte, kann Europa kaum Richtung Washington schauen. Er bestätigte, dass er ein Geschäftsmann und kein Staatsmann ist; für ihn sind alle Beziehungen rein geschäftlich, selbst die mit engen Verbündeten. Deutschland ist "very bad", weil es weniger als zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgibt und einen beträchtlichen Handelsüberschuss ausweist. Schuldig, Euer Ehren.

Der Präsident behandelt Verbündete, als wären sie seine Mieter

Doch bei der Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen Verbündeten geht es um viel mehr als die Frage, wer was zahlt. Der Zauber der westlichen Welt liegt darin, dass sie diese Nullsummen-Welt, in der jeder nur für sich selbst kämpft, hinter sich gelassen hat.

Nach zu vielen Kriegen haben diese demokratischen Staaten verstanden, dass eine internationale Gemeinschaft auf der Basis von Vertrauen, einvernehmlichen Regeln, multilateralen Institutionen und Freihandel aufgebaut werden muss, um dem Blutvergießen zu entgehen. Ganz selbstverständlich haben die Mitglieder dieser Gemeinschaft auf kurzfristige Gewinne zugunsten langfristiger Solidarität verzichtet. Das Ergebnis war eine beispiellose Ära von Frieden und Wohlstand.

Trump ist sich dieser Geschichte nicht bewusst - oder er lehnt sie ab. Er behandelt Deutschland und andere demokratische Verbündete, als ob sie seine Mieter wären. Wenn sie pünktlich zahlen, ist alles gut. Wenn nicht, gibt es Ärger.

Angesichts dieses Präsidenten ist es nun an der Europäischen Union, westliche Werte und Institutionen zu schützen, bis die USA wieder zu sich gekommen sind. Weder Deutschland noch die EU als Ganzes sind zurzeit bereit, diese Rolle zu spielen. Aber die Präsidentschaft von Trump könnte der Schock sein, der Europa wachrüttelt.

Um die durch "America first" entstandene Führungslücke zu füllen, sollte sich die EU am besten durch die folgenden Maßnahmen vorbereiten.

Erstens braucht die EU eine ausgeglichenere Struktur der Beschlussfassung. Deutschland ist einflussreicher geworden, als ihm guttut; das nährt Unmut bei seinen Partnern. Berlin wird die stärkste Stimme der EU bleiben - aber der innere Kreis der Union muss weiter und einflussreicher werden.

Frankreichs politisches Comeback unter Emmanuel Macron wird sicherlich helfen, aber Deutschland muss sich daran gewöhnen, einen Konsens mit Italien, Spanien, und ausgewählten kleineren Mitgliedstaaten auszuarbeiten - gerade in Anbetracht des Brexit. Wenn die EU den Westen anführen soll, müssen alle Mitglieder mit an Bord sein.

Zweitens muss die EU eine gemeinsame Wirtschafts-, Außen- und Verteidigungspolitik vorantreiben, trotz der fortschreitenden Anti-EU-Stimmung auf der populistischen Linken und Rechten. Die EU wird ohne mehr zentralisierte und kompetente Institutionen nicht effektiv führen können. Der sich anbahnende Bruch mit den Vereinigten Staaten könnte der Schub sein, der die Europäer überzeugt, ihre Souveränität weiter zu bündeln.

Die EU sollte die Vereinigten Staaten weiterhin als bevorzugten Partner sehen

Drittens sollte die EU versuchen, effektivere Partnerschaften mit anderen - auch nicht demokratischen - Ländern zu schmieden, um die Abkehr der Vereinigten Staaten vom Multilateralismus auszugleichen. Ob bewusst oder nicht gibt Trump US-Einfluss auf und zwingt Europa, woanders Koalitionen der Willigen aufzubauen. Die Möglichkeit, dass China für die EU in den nächsten Jahren ein besserer Partner beim Kampf gegen den Klimawandel und für die Liberalisierung des Handels sein könnte als die USA, spricht bereits Bände.

Schließlich sollte die EU atlantisch bleiben und die Vereinigten Staaten auch weiterhin als bevorzugten Partner behandeln - selbst wenn die transatlantische Beziehung geschäftsmäßiger wird. Immerhin ist der jahrzehntelange Erfolg der atlantischen Gesellschaft nicht nur in gemeinsamen Werten und Einstellungen begründet, sondern auch in gemeinsamen Interessen.

Selbst wenn Trump hauptsächlich aufgrund kurzfristiger Kosten-Nutzen-Überlegungen handelt, wird eine Zusammenarbeit mit Europa meist ein guter Deal sein. In diesem Sinne sollte Angela Merkel die deutschen Verteidigungsausgaben erhöhen und die Binnennachfrage stimulieren - nicht nur, um Trump zu besänftigen, sondern auch, um dringend notwendiges Wachstum und Jobs in der Euro-Zone zu schaffen.

Europäer sollten zudem nicht vergessen, dass Trumps Ära zum Glück zeitlich begrenzt ist. Er ist völlig losgelöst vom politischen Mainstream; somit ist seine Präsidentschaft eine Anomalie und kein Zeichen der Zukunft. Amerika wird wiederkommen. Doch in der Zwischenzeit wird die Europäische Union die westliche Stellung halten müssen.

Charles A. Kupchan, 58, ist Professor in Georgetown und Senior Fellow am Council on Foreign Relations. Er war Sonderbeauftragter für Nationale Sicherheit des US-Präsidenten.

Aus dem Englischen von Alexandra Berlina.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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