Aufstand in Syrien:Wie Assad alle Chancen verspielte

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US-Präsident Obama prüft seine Optionen, Europa ist über die Vorgänge in Syrien erschüttert. Eine bevorstehende militärische Intervention scheint mittlerweile eine Frage des Wie, nicht mehr des Ob zu sein. Ein Eingreifen birgt jedoch Gefahren: Syrien ist eine Arena für fremde Ambitionen geworden.

Sonja Zekri

Kofi Annan warnt vor einer Bewaffnung der syrischen Rebellen. Aber wie die Dinge liegen, warnt er wohl vergebens. Am Samstag reist der ehemalige UN-Generalsekretär nach Damaskus, um das bombende Assad-Regime und die erbittert kämpfende Opposition zu versöhnen. Die Chancen gehen gegen null, aber das ist nicht mal das Schlimmste.

US-Präsident Barack Obama lässt - am Vorabend des Präsidentschaftswahlkampfes - militärische Optionen prüfen. Europa ist erschüttert über Bilder von Kindern mit durchgeschnittener Kehle. Eine militärische Intervention, vor kurzem noch kategorisch ausgeschlossen, wird eine Frage des Wie, nicht des Ob.

Dass selbst vermeintlich maßvolle Eingriffe wie ein Flugverbot oder Schutzzonen die Entgrenzung bereits in sich tragen - vergessen. Dass Syriens Luftwaffe stark und zivile Verluste hoch wären - eine Herausforderung, mehr nicht. Dass niemand den Hauch einer Idee für die Zeit nach Assad hat - verdrängt. Gewiss könnte die Welt zum Besten des Landes eingreifen. Nur würde der Aufwand für Stabilisierung und Nation-Building womöglich selbst jenen in Afghanistan und Irak übertreffen.

Baschar al-Assad hat hundert Chancen verspielt. Nun rücken sogar engste Verbündete von ihm ab, wie etwa die radikalen Islamisten der Hamas in Gaza. So sehr er seinem Vater ähnelt, so sehr die Grausamkeit und die Paranoia seines Regimes inzwischen jener Präsident Hafis al-Assads gleichen, trennt Vater und Sohn doch ein fundamentaler Unterschied. Hafis al-Assad hat Syrien innenpolitisch brutal zusammengehalten, aber außenpolitisch als selbständigen Akteur etabliert.

Er hat sein Land neben der Sowjetunion verankert, die Beziehungen zu Iran über den Sturz des Schahs hinweggerettet, obwohl das säkulare Baath-Regime dem persischen Mullah-Staat nicht ferner sein könnte. Er hat den benachbarten Libanon kontrolliert. Für die geopolitische Architektur der Region war Syrien der Schlussstein. All dies hat der Sohn verspielt. Damaskus' Rolle litt mit dem Mord am libanesischen Ex-Premier Rafik Hariri 2005, festigte sich aber wieder.

Nach einem Jahr Volksaufstand jedoch ist Syrien eine Arena für fremde Ambitionen geworden.

Amerika wird versuchen, durch Einfluss auf die syrische Innenpolitik Schaden von Israel abzuwenden. Golfherrscher wie die interventionsversessenen Kataris oder Saudi-Arabien sehen in den syrischen Islamisten eine kommende Macht, alle zusammen wollen Iran schwächen. Für Irans Gegner sind die Konflikte um Teherans Atomprogramm und der Aufstand in Syrien kommunizierende Röhren.

Die Türkei beherbergt die Rebellen und fürchtet ein Erwachen kurdischer Sezessionswünsche. Der schiitisch regierte Irak will ein radikal-sunnitisches Regime in Syrien verhindern. Assad hat seine Gegner so weit gebracht, dass viele der chronisch misstrauischen Syrer einen Einmarsch fordern. Und er hat die Welt aus ihrer Lethargie gerissen.

© SZ vom 09.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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