Arbeit im Parlament während EM-Halbfinales:"Die Fanmeile hört man bestimmt bis in den Bundestag"

Lesezeit: 2 min

Dienst schieben, wenn ganz Deutschland Fußball guckt: Manfred Todtenhausen ist FDP-Abgeordneter, Fußballfan - und hat am Abend des Halbfinales Deutschland - Italien Dienst als Schriftführer im Bundestag. Ein Gespräch über einen großen Schmerz.

Friederike Zoe Grasshoff

Manfred Todtenhausen, 61, FDP-Bundestagsabgeordneter, hat noch kein Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verpasst. Sein Verein: Wuppertaler SV Borussia, 4. Liga. Sein größter Wunsch: Das Halbfinale Deutschland gegen Italien sehen. Live. Doch daraus wird nichts.

Manfred Todtenhausen wird das Halbfinale Deutschland gegen Italien verpassen - er hat sich als Schriftführer gemeldet. (Foto: Hermann J. Müller/Dt. Bundestag)

SZ.de: Herr Todtenhausen...

Todtenhausen: Sie haben von meinem Pech gehört. (lacht) Das ist entsetzlich: Jetzt bin ich erst seit heute Schriftführer im Bundestag. Und dann das. Ich hatte meine Zeit ja eigentlich schon mit Fußball verplant.

SZ.de: Sie können also das Halbfinale Deutschland gegen Italien nicht sehen. Ganz schöner Mist, oder?

Todtenhausen: Ich werde wohl heimlich einen Live-Ticker auf meinem Handy verfolgen müssen.

SZ.de: Das ist ja furchtbar. Müssen da unbedingt zwei Schriftführer sitzen? Kann Ihre Kollegin das nicht alleine machen?

Todtenhausen: Das wäre schön. Leider sind zwei Schriftführer vorgeschrieben. Aus der Nummer komme ich nicht mehr raus.

SZ.de: Unter uns, können Sie sich nicht krank melden?

Todtenhausen: Das ist nicht mein Stil.

SZ.de: Wie konnte Ihnen das überhaupt passieren?

Todtenhausen: Das frage ich mich auch. Als ich am Dienstag gefragt worden bin, ob ich die Funktion des Schriftführers übernehmen möchte, wusste ich nicht, dass das EM-Spiel dann für mich gelaufen ist. Als mir das bewusst geworden ist, ist mir doch erst einmal ein Schreck in die Glieder gefahren. Ich hatte mich doch schon mit T-Shirt und Schminke ausgestattet.

SZ.de: Das Shirt können Sie ja dann im Bundestag tragen. Und die Schminke bringt etwas Farbe ins Plenum.

Todtenhausen: (prustet los) Das ist die Frage, ob ich mein Gesicht heimlich mit Deutschlandfarben schminken darf. Aber ich glaube nicht, dass das ist in diesem hohen Hause möglich ist.

SZ.de: Also keine Schminke im Plenarsaal?

Todtenhausen: Nein. Ich nehme vielleicht heimlich ein Fähnchen mit und wenn ich merke, dass da nicht so viel los ist, dann...

SZ.de: ...schwenken Sie es.

Todtenhausen: Vielleicht heimlich aus der Hüfte heraus, wenn ein Tor für Deutschland fällt. Ansonsten ist der Abend dann für mich gelaufen.

SZ.de: Wie weh tut der Gedanke daran?

Todtenhausen: Es schmerzt sehr, glauben Sie mir. Auf dieses Spiel habe ich mich so sehr gefreut, bisher habe ich keines verpasst. Und wenn ich es auch nur mit einem Auge gesehen habe - manchmal muss man ja dabei arbeiten. Vielleicht kann man ja einen Antrag stellen, dass im Plenarsaal eine Großleinwand aufgestellt wird. Ohne Ton, dass man wenigstens etwas sehen kann.

SZ.de: Und Sie glauben, dass das klappt?

Todtenhausen: Nein, das klappt nicht, da bin ich mir ziemlich sicher.

SZ.de: Schade. Aber voll wird es morgen Abend im Bundestag ja sicherlich nicht.

Todtenhausen: Ich gehe davon aus, dass bei den entsprechenden Tagesordnungspunkten die zuständigen Fachpolitiker da sein werden - wie sonst auch.

SZ.de: Oder sie sitzen vor dem Fernseher.

Todtenhausen: Naja, wenn 400.000 Menschen draußen auf der Fanmeile jubeln, kann man das bestimmt bis in den Bundestag hören.

SZ.de: Sie können das Spiel auch aufnehmen und es nach der Sitzung anschauen?

Todtenhausen: Das tu ich mir nicht an. Fußball ist für mich nur live richtig spannend. Aber wir kommen ja sowieso weiter. Das Endspiel Deutschland-Spanien guck ich mir dann an. Hoffentlich werden wir die harte Nuss knacken.

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