Anschlag in Barcelona:Wie die Angreifer in Barcelona vorgegangen sind

An armed Catalan Mossos d'esquadra officer stands guard at Las Ramblas street where a van crashed into pedestrians in Barcelona

Bewaffnete Beamten der katalanischen Polizei stehen Wache auf der Rambla, wo ein Attentäter am Donnerstag 13 Menschen tötete.

(Foto: REUTERS)
  • Die katalanische Polizei vermutet mittlerweile, dass der Täter von Barcelona doch nicht der bisher hauptverdächtige 17-jährige Marokkaner war.
  • In Cambrils war offenbar ein zweiter Anschlag geplant, diesen verhinderte die Polizei - doch bei der Verfolgungsjagd starb eine Frau.
  • Die Polizei geht von einer Terrorzelle aus, die jetzt zerschlagen sein soll. Nach einem Mitglied wird noch gefahndet.

Von Thomas Urban

Mit Hochdruck fahndet die spanische Polizei weiter nach dem mutmaßlichen Todesfahrer von Barcelona, der am Donnerstag mit einem Lieferwagen über die Flaniermeile La Rambla gefahren ist und dabei 13 Menschen in den Tod gerissen hat. Die katalanische Polizei geht mittlerweile davon aus, dass der Fahrer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der bisherige 17-jährige Hauptverdächtige, ein in Spanien geborener Marokkaner, war. Stattdessen fokussieren sich die Ermittlungen jetzt offenbar auf einen 22-jährigen Landsmann von ihm. Die katalanische Polizei warnt dennoch vor voreiligen Schlüssen, sicher könne sie noch nicht sagen, wer den Lieferwagen gefahren hat.

In den ersten Stunden nach dem Anschlag hatten die Behörden viele Einzelinformationen an die Medien weitergegeben, die sich teilweise widersprachen; hinzu kamen nicht bewiesene Szenarien in den Lokalmedien, deren Autoren sich auf Kontakte in den Sicherheitskräften beriefen. Hinzu kam, dass sich sowohl die Guardia Civil, die nationale Polizeitruppe, als auch die Mossos, die Polizeieinheiten der katalanischen Regionalregierung, sowie die Stadtpolizei von Barcelona offensichtlich anfangs unkoordiniert an die Presse wandten.

In Cambrils hat die Polizei offenbar einen weiteren Anschlag verhindern können

Doch mittlerweile hat sich, auch wegen der Befragungen von vier Festgenommenen, ein klareres Bild von den Ereignissen ergeben. Die wichtigste Information: Es gab nicht zwei nahezu parallel verlaufene Anschläge, nämlich den auf der Rambla mit 13 Toten und einen weiteren in der Nacht zum Freitag in der 140 Kilometer entfernten Küstenstadt Cambrils mit einer Toten. Vielmehr hat dort die Polizei wohl in letzter Minute einen Terroranschlag verhindert. Die Tote von Cambrils wurde auf einem Zebrastreifen von einem Auto mit verdächtigen Personen erfasst, die sich eine Verfolungsjagd mit einem Polizeiwagen lieferten.

In diesem Wagen saßen fünf Männer zwischen 17 und 38 Jahren, die sich selbst als Dschihadisten sahen und nach Vermutungen der Polizei auf dem Weg zur belebten Hafenpromenade waren, um dort ebenfalls in die Menschenmenge zu fahren. Doch ihr Wagen, ein Audi A 3, fiel einer Polizeikontrolle auf. Der Fahrer hielt nicht an, als er dazu aufgefordert wurde, sondern gab Gas und erfasste einen Polizisten. Dieser wurde zu Boden geschleudert, erlitt aber keine lebensgefährlichen Verletzungen.

Nachdem der Audi die Frau überfahren hatte, prallte er in einem Kreisverkehr gegen gegen einen weiteren Polizeiwagen, er überschlug sich und blieb auf dem Dach liegen. Die fünf nur leicht verletzten Männer krabbelten aus dem Wagen, sie liefen nach Zeugenberichten mit einer Axt und Messern auf einen Polizisten zu. Dieser schoss demnach vier der fünf Angreifer nieder. Sie waren sofort tot. Der fünfte wurde nach etwa 100 Metern von einem anderen Polizisten gestellt, als er diesen angriff, wurde er angeschossen. Auch er verstarb später.

Unter diesen fünf Toten war offenbar auch der ursprünglich als Fahrer des Lieferwagens von Barcelona vermutete 17-jährige Marokkaner. Er hatte nach Erkenntnissen der Polizei den Wagen des Typs Fiat Talento angemietet, allerdings mit dem Ausweis seines älteren Bruders. Dieser war noch am Donnerstagabend in seinem Wohnort Ripoll verhaftet worden. Nach Informationen der spanischen Presse hat er bestritten, von den Anschlagsplänen gewusst zu haben, sein jüngerer Bruder habe ihm seinen Ausweis entwendet.

Der Attentäter von Barcelona stahl auf der Flucht ein Auto und tötete den Besitzer

Rekonstruiert wurde mittlerweile auch der Fluchtweg des Fahrers von Barcelona: Der weiße Lieferwagen war nach 550 Metern zum Stehen gekommen. Zeugen berichteten, der Fahrer sei herausgesprungen und in eine Seitenstraße gelaufen. Dort hielt er einen zufällig vorbeikommenden Ford Focus an, stach auf den Fahrer ein, zwang diesen auf den Rücksitz und fuhr auf eine der Ausfallstraßen nach Nordwesten.

Als Polizisten ihn kontrollieren wollten, fuhr er einen von ihnen an und raste davon. Nach wenigen Kilometern stoppte er den Wagen im Vorort Saint Just Desvern und verschwand in einer Hochhaussiedlung. Der Besitzer des Autos war mittlerweile verblutet und tot.

Die Behörden gehen davon aus, dass der Anschlag von Barcelona spontan ausgeführt wurde. Die fünf Toten sowie die vier Verdächtigen, die an verschiedenen Orten in der katalanischen Provinz festgenommen wurde, gehörten demnach einer Dschihadistenzelle an, die einen gewaltigen Terroranschlag geplant habe. Dazu seien in den letzten Wochen nach und nach rund zwei Dutzend Gasflaschen in eine Wohnung in der Ortschaft Alcanar 200 Kilometer südwestlich von Barcelona geschafft worden. Vermutlich sollte der gemietete Lieferwagen zu einer gewaltigen Bombe gemacht werden. Als Zielorte wären die Rambla oder der Busbahnhof im Berufsverkehr in Frage gekommen, es hätte Hunderte von Toten geben können.

Doch ging bei der Vorbereitung der Superbombe, so vermuten die Ermittler, etwas schief: Am Mittwochabend explodierte das gesamte Gasflaschenarsenal, das Haus wurde zerstört, in den Trümmern wurden Überreste von ein bis zwei Toten entdeckt. Da den Tätern somit die Mittel für ihr Vorhaben fehlten und der Ermittlungsdruck stieg, mussten sie ihren Plan kurzfristig ändern: Sie entschieden sich für das Fahrzeug als Waffe, nach dem Vorbild der Täter von Nizza und Berlin.

Am Samstagmittag gab die spanische Regierung vorsichtig Entwarnung: Die Terrorzelle sei zerschlagen, sagte Innenminister Juan Ignacio Zoido. Das könne er auf Grundlage dessen, was man über die Getöteten, Festgenommen und Identifizierten weiß, sagen. Ob das die Menschen in Spanien wirklich beruhigt, ist ungewiss. Denn der Haupttäter ist möglicherweise noch auf freiem Fuß.

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