Angela Merkel und Italiens Premier Enrico Letta:Zwei, die guten Willens sind

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Als erstes nach Deutschland: Italiens neuer Premier Enrico Letta und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. (Foto: AFP)

Angela Merkel flötet beim Antrittsbesuch des neuen italienischen Ministerpräsidenten, wie wohl sie sich mit ihm fühlt. Auch Enrico Letta vermeidet jede Kampfansage an die Bundeskanzlerin. Unterschiede gibt es zwar. Sie sind sogar unverkennbar, doch sie sollen bloß nicht zu groß erscheinen.

Von Nico Fried, Berlin

Hoppla, die Kanzlerin! Gerade mal eine halbe Stunde kennt sie Enrico Letta, da flötet Angela Merkel schon in ziemlich hohen Tönen. Sie wolle "in Anwesenheit des italienischen Ministerpräsidenten sagen, dass ich mich mit ihm zusammen sehr wohl fühle". So toll lief's ja nicht zwischen Berlin und Rom in letzter Zeit - und nun wird hier plötzlich ein wenig herumgeflirtet?

Gemach, gemach. Es ist natürlich eine rein politische Äußerung Angela Merkels. Es ist die Antwort auf die erste Frage in der Pressekonferenz, ob sie sich nicht isoliert fühle nach vielstimmiger Kritik am Sparkurs in Europa, für den allenthalben die Kanzlerin verantwortlich gemacht wird.

Die Freundlichkeit an die Adresse des großen, schlanken, fast asketisch wirkenden Mannes zu ihrer Rechten ist mithin zunächst nur als ein Dementi ihrer angeblichen Isolation gemeint. Immerhin aber bleibt es auch unwidersprochen.

Antrittsbesuch Enrico Lettas in Berlin am Dienstagabend. Dass der neue Ministerpräsident als erstes zu Merkel nach Deutschland reist, kann etwas bedeuten, muss es aber nicht.

Die Kanzlerin freut sich darüber, der Ministerpräsident geht nicht direkt darauf ein, sagt aber doch allgemein, dass die Europäische Union immer gute Ergebnisse bekommen habe, wenn Italien und Deutschland gemeinsam gehandelt hätten. Erst am Tag darauf, am Mittwoch trifft Letta den französischen Präsidenten François Hollande in Paris.

Konsolidierung und Wachstum

Letta sagt in Berlin nichts, was man als Kampfansage zu Merkel hervorheben könnte. Es gibt Unterschiede, ja, unverkennbar, aber beide sind bemüht, sie nicht unüberwindlich erscheinen zu lassen.

Merkel etwa betont mehrmals, dass Haushaltskonsolidierung und Wirtschaftswachstum nicht gegeneinander gestellt werden dürften, sondern sich gegenseitig bedingten. Letta wiederum erweckt nicht den Eindruck, dass er den Sparkurs für Italien lockern wolle. Im Gegenteil eröffnet er sein Statement mit dem Hinweis, die neue Regierung komme mit der "festen Verpflichtung, weiterhin auf der Straße der Haushaltssanierung voranzuschreiten".

Allerdings erwarte er von Europa insgesamt, dass es nach der "Entschlossenheit, mit der es die Regeln für die geringere Verschuldung eingeführt hat, die gleiche Entschlossenheit in Bezug auf Wachstum zeigt".

Merkel konzediert, dass man da an einigen Stellen noch besser werden könne, dafür würdigt Letta die bisherigen Beschlüsse der Europäischen Union, an deren Rahmen er sich halten wolle. Merkel und Letta - zwei, die guten Willens sind.

Gewisse Unterschiede zwischen der Kanzlerin und ihrem Gast gibt es auch in der Bewertung dessen, was schon verändert wurde in Italien. Die Kanzlerin sagt, das Land sei bei der Erledigung seiner Aufgaben "schon einen beträchtlichen Weg gegangen".

Dazu muss man wissen, dass sie das eigentlich immer sagt, zum Beispiel auch in Griechenland. Es ist ein Merkel-Satz, der unbestimmt genug ist, gleichermaßen Geschehenes zu würdigen wie Weiteres zu erwarten. Bei Letta klingt das anders. Mit Blick auf die Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union, stellt er selbstbewusst fest: "Wir haben unseren Teil gemacht."

Lettas Industrieminister und Parteifreund Flavio Zanonato allerdings bringt im Interview mit La Repubblica schon mal den Gedanken auf, den EU-Stabilitätspakt neu zu verhandeln und Investitionen künftig nicht mehr anzurechnen auf die Grenze für die Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Es rumort, und das nicht nur in Italien. Auch Lettas zweiter Gastgeber Hollande hat diese Idee schon einmal ventiliert. Und der neue Premier selbst hatte zum Amtsantritt eine Abkehr vom strikten Austeritäts-Kurs verlangt: "Sparprogramme alleine werden uns umbringen", sagte er noch am Montag in seiner Regierungserklärung. Im Abgeordnetenhaus und im Senat brachte ihm das breite Mehrheiten bei der Vertrauensabstimmung ein.

Die EU-Kommission sah sich zumindest veranlasst, Letta an von der Vorgängerregierung unter Mario Monti gemachte Zusagen zu erinnern: "Die mit Italien vereinbarten Ziele bleiben gültig", sagte ein Sprecher von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn in Brüssel. "Ich bin sicher, dass ich mich auf die Zusage verlassen kann, den Prozess notwendiger Reformen fortzusetzen", erklärte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

Dass sich die Kanzlerin mit Letta öffentlich wohl fühlt, kann natürlich auch ein wenig an dessen Vorgängern liegen. Das Verhältnis zu Mario Monti galt als etwas belastet, nachdem sich Merkel auf dem Sommergipfel der EU im vergangenen Jahr von ihm ausgetrickst fühlte.

Kompetenz in Sachen Koalitionen

Dessen Vorgänger Silvio Berlusconi wiederum fühlte sich von Merkel schlecht behandelt und agitierte im letzten Wahlkampf offen gegen die deutsche Kanzlerin. Auf die Frage nach Berlusconis Rolle in der großen Koalition in Italien antwortet Merkel am Dienstagabend: "Ich glaube, dass alle, die direkt oder indirekt an dieser Regierung beteiligt sind, um ihre Verantwortung wissen."

Beim Abendessen nach der Pressekonferenz, sagt Letta vor den Journalisten, wolle er sich von Merkel auch Rat holen, wie man eigentlich so eine große Koalition führt.

Wenn er es insgeheim darauf anlegen sollte, Berlusconi aus der Regierung zu kriegen, hat er mit der deutschen Kanzlerin durchaus eine kompetente Gesprächspartnerin: Merkel hat ihren Partner in der großen Koalition seinerzeit bekanntermaßen in die Opposition regiert. Vorsorglich verkündet die Kanzlerin, es werde nach dem Abendessen mit Letta "keine zweite Pressekonferenz geben".

© SZ vom 02.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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