Aktivistin Malala Yousafzai:Das Mädchen, das die Taliban fürchten

Eine 14-Jährige aus Pakistan traut sich, was nur wenige ihrer Landsleute wagen: Malala Yousafzai kämpft gegen die Islamisten. Die Taliban haben sie bei einem Überfall schwer verletzt. Doch selbst die Kugeln können sie nicht stoppen.

Tobias Matern

Aftermath of attack on Malala Yousafzai

Kerzen für das schwer verletzte Mädchen Malala Yousafzai: Im pakistanischen Lahore hält ein Mädchen ein Plakat mit einem Bild der 14-Jährigen hoch, die von den Taliban angeschossen wurde.

(Foto: dpa)

Die Ärzte haben die Kugel aus ihrem Nacken entfernt, sie schwebt am Donnerstag immer noch in Lebensgefahr. 14 Jahre alt ist Malala Yousafzai, sie kämpft in Pakistan unter anderem für das Recht von Mädchen, in die Schule zu gehen.

Dafür musste sie nun fast mit dem Leben bezahlen. Als sie im Swat-Tal am Dienstag wie jeden Tag nach der Schule in den Bus einstieg, attackierte ein Überfall-Kommando der Taliban sie und schoss ihr in den Kopf. In einem Militär-Krankenhaus in der Provinzstadt Peschawar kämpfen die Ärzte seither um ihr Leben.

Malala Yousafzai traut sich, was sich nur noch weniger Pakistaner trauen: Sie bietet den Taliban öffentlich die Stirn. Im Jahr 2009 hatte sie unter falschem Namen für den Urdu-sprachigen Service der BBC ein Blog-Tagebuch geführt. Darin berichtete sie über ihr Leben unter den Islamisten. Denn diese hatten 2007 die Herrschaft in ihrer Heimat, dem pakistanischen Swat-Tal, übernommen, Mädchenschulen geschlossen, das Hören von Musik verboten und ihre eigene Rechtsprechung eingeführt.

Die pakistanische Armee vertrieb die Islamisten nach zweijähriger Herrschaft schließlich aus der Region, die wegen ihrer landschaftlichen Schönheit auch "die pakistanische Schweiz" genannt wird. Nach Ende der Kämpfe wurde Malalas Identität bekannt. Sie erhielt eine Auszeichnung für Tapferkeit von der pakistanischen Regierung und engagierte sich weiterhin für Mädchen- und Frauenrechte.

Die pakistanischen Taliban rühmten sich des nun verübten Anschlags auf Malala in Anrufen und Mitteilungen an zahlreiche Medien. Die Scharia sehe eindeutig vor, dass auch Frauen getötet werden müssten, die sich dem Kampf der Mudschaheddin in den Weg stellten, zitierten pakistanische Zeitungen einen Sprecher der Taliban. Er kündigte an, das Mädchen werde nicht verschont, falls es das Krankenhaus lebend verlassen könne.

Der Armeechef nennt sie eine "Ikone der Tapferkeit"

Die pakistanische Öffentlichkeit verfolgt schockiert den Überlebenskampf der 14-Jährigen. Die Medien berichten ausführlich über den Vorfall: "Der Zustand von Malala Yousafzai ist kritisch und genauso lässt sich der Zustand Pakistans beschreiben. Wir sind mit dem Krebs des Extremismus befallen und bis er nicht vollständig beseitigt ist, geraten wir immer weiter in die Welt der Grausamkeiten", kommentierte die Zeitung The News. Auch die pakistanische Regierung verurteilte die Tat. Premierminister Raja Pervez Ashraf forderte seine Landsleute auf, gegen die von den Islamisten verbreitete Ideologie zu kämpfen. "Sie ist unsere Tochter", sagte er über Malala.

Pakistans Armee kämpft seit Jahren gegen die Taliban und andere Extremisten, die in Pakistan aktiv sind. Den in Afghanistan aktiven Taliban jedoch gewährt der Geheimdienst nach fester Überzeugung westlicher Diplomaten Unterschlupf auf pakistanischem Territorium. Pakistan wolle sich für die Nachkriegsordnung in Afghanistan in Stellung bringen und seine traditionell engen Verbindungen zu den Taliban nutzen, sagen Beobachter. Dass Pakistan mit diesem Doppelspiel seine eigene Existenz gefährdet, prangen Aktivisten in Pakistan an - Gehör finden sie indes nicht.

Der pakistanische Armeechef Ashfaq Parvez Kayani unterrichtete sich am Mittwoch nach Angaben pakistanischer Medien persönlich im Krankenhaus im Peschawar über Malalas Zustand. Das Mädchen sei eine "Ikone der Tapferkeit", sagte er. Überlegungen, sie zur Behandlung ins Ausland zu bringen, wurden inzwischen verworfen, stattdessen wird sie zur weiteren Behandlung in eine Spezialklinik nach Rawalpindi verlegt. Auch zwei Schulfreundinnen Malalas wurden Opfer des Taliban-Angriffs. Eine von ihnen wurde schwer verletzt, die andere leicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: