Afghanistan:Wie der "Schlächter von Kabul" Afghanistan zum Frieden verhelfen könnte

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Der afghanische Warlord wird in Jalalabad von Anhängern empfangen. (Foto: REUTERS)

Warlord, Hardcore-Islamist, "Sowjetfresser": Gulbuddin Hekmatyar war immer schon eine verlässliche Größe im afghanischen Kriegselend. Nun macht er den Taliban die Gefolgsleute streitig.

Von Tomas Avenarius

Was den Leumund angeht, sind sich - abgesehen von seinen Gefolgsleuten - alle sehr, sehr einig: Die Erzählungen über Gulbuddin Hekmatyar halten der Realität nicht stand - aber nur, weil der Mann noch brutaler, grausamer, durchtriebener und verlogener war und wahrscheinlich noch ist als vom Hörensagen bekannt.

Dennoch könnte der "Schlächter von Kabul" am Ende seines politisch-militärischen Lebenswegs einen Beitrag leisten zum Frieden in Afghanistan. Er hat "die Waffen niedergelegt" und ist nach Kabul zurückgekehrt (in einem Riesenkonvoi schwerst bewaffneter Kämpfer), um die Regierung mit den radikalislamischen Taliban zu versöhnen. Wobei: Wer den Lebensweg dieses Warlords, Islamistenführers und Politikers verfolgt, der ahnt, dass sich beim Vorschusslob für diesen Mann Zurückhaltung empfiehlt.

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Studium ohne Abschluss, Kampf gegen das Regime, Gefängnis, Flucht

Geboren als Sohn von Bauern in der afghanischen Provinz, brachte es Hekmatyar an der technischen Universität von Kabul weniger zu akademischem als zu zweifelhaftem politischen Ruhm. Als Islamist kämpfte der angehende Ingenieur (das Studium schloss er nie ab) gegen die Monarchie und nach dem Sturz des Königs gegen das linksgerichtete Regime. Dass er weltlich gekleideten Studentinnen Säure ins Gesicht gegossen hat, ist unbewiesen. Er selbst tut es als "kommunistische Propaganda" ab. Nachdem er kurz im Gefängnis gesessen hatte, floh er ins Nachbarland Pakistan und wurde mit seiner als Miliz aufgestellten Partei Hisb-i-Islami zum Mudschahed, zum Gotteskrieger.

Als die Sowjets zur Stützung des wackelnden Kabuler Regimes 1979 einmarschierten, wurde der heute etwa 69 Jahre alte Warlord zum Lieblingsgotteskrieger der Amerikaner, Saudis und Pakistaner. Er bekam das meiste Geld und die besten Waffen. In seiner Rolle als Sowjetfresser besuchte er auch bekennende Anti-Kommunisten wie Franz Josef Strauß.

Heute ist er offiziell kein Kriegsverbrecher mehr

Nach dem Abzug der Roten Armee, die von einer vom Westen hochgerüsteten Barfuß-Krieger-Allianz de facto geschlagen worden war, versuchten sich Hekmatyar und die andren zerstrittenen Kriegsherren von 1993 an am Regieren.

Das endete mit der Zerstörung der Hauptstadt: Der Bürgerkrieg zwischen dem paschtunischen Premier Hekmatyar und dem tadschikischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani samt seinem Chefstrategen Ahmed Schah Massud entfremdete das Volk von den Befreiern und spielte den neu begründeten Taliban in die Hände. Sie nahmen Kabul 1996 ein und vertrieben die Mudschahedin.

Nach dem 11. September 2001 wandte sich der erst nach Iran und später nach Pakistan geflohene Hekmatyar sofort gegen die einmarschierten US-Truppen und ihre Koalition, verlor aber im Vergleich zu den Taliban an Bedeutung. Nun hält er mit Kabul Frieden. Er wird dafür nicht länger als Kriegsverbrecher verfolgt und soll als Hardcore-Islamist den Taliban die Gefolgsleute streitig machen. So könnte er Afghanistan nach fast 40 Jahren Krieg noch zum Frieden verhelfen.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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