Ägypten:Ausschreitungen nach Parlamentswahl

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Die Manipulationsvorwürfe nach den Parlamentswahlen in Ägypten werden lauter, die Proteste gewaltsamer. Autos brennen in mehreren Städten und Medien berichten von Toten.

Nach der Parlamentswahl in Ägypten, bei der die oppositionelle Muslimbruderschaft schwere Verluste erlitten hat, ist es in mehreren Städten des Landes zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte gingen vereinzelt mit Tränengas gegen die Demonstranten vor, die wiederum Autos, Reifen und mehrere Wahllokale in Brand gesetzt hatten. In Luxor gab es bei den Zusammenstößen fünf Verletzte, 30 Personen wurden festgenommen.

Die Demonstranten werfen der regierenden NDP Manipulation vor. Demonstranten verbrannten am Tag nach der Wahl ein Bild von NDP-Politiker Ahmed Ezz. (Foto: AFP)

Unterschiedlichen Berichten zufolge hat es bis zu vier Tote gegeben. Die Zeitung El Masri el Jum und die englischsprachige Egyptian Gazette berichteten von vier Toten. Die unabhängige Wahlbeobachterkoalition sprach von mindestens drei Toten im Zusammenhang mit Gewalt rund um den Urnengang. Ein Fall betrifft den Sohn eines unabhängigen Kandidaten, der in der Nacht zum Sonntag in Kairo beim Kleben von Wahlplakaten für seinen Vater erstochen wurde.

Die regierende Nationaldemokratische Partei (NDP) gab indirekt der fundamentalistischen Muslimbruderschaft die Schuld. Die Muslimbruderschaft und die liberale Partei Wafd warfen der NDP von Staatspräsident Husni Mubarak vor, sie habe die Wahl massiv manipuliert.

Diese Einschätzung teilten Menschenrechtsgruppen, die mangelnde Transparenz und Betrug beklagten. Die Muslimbruderschaft und die Wafd erklärten, sie würden wohl nur einen sehr geringen Anteil der Parlamentssitze zugesprochen bekommen. Bei der letzte Wahl 2005 hatte die Muslimbruderschaft überraschend 20 Prozent der Sitze errungen. In den vergangenen Wochen waren Sicherheitskräfte jedoch scharf gegen die verbotene Organisation vorgegangen, so dass dieses Mal mit einem deutlich schwächeren Abschneiden gerechnet wurde.

Ein Sprecher der Muslimbruderschaft, Abdel Galil el Scharnubi, erklärte, bisher habe keiner der 130 Kandidaten der Organisation, die als Unabhängige antraten, einen Sitz gewonnen. Sie seien entweder der NDP unterlegen oder müssten sich einer Stichwahl stellen. Auch die Wafd erklärte, sie habe noch keinen Sitz gewonnen. Einigen Kandidaten sei jedoch der Sprung in die Stichwahl gelungen.

Nur jeder Zehnte wählte

Mit offiziellen Ergebnissen wird am Dienstag gerechnet. Menschenrechtsorganisationen schätzten, dass die Wahlbeteiligung dieses Mal nur zwischen zehn und 15 Prozent lag. 2005 waren es noch 25 Prozent gewesen. Die Organisationen kritisierten, dass Vertretern der Opposition und Unabhängigen kein Zugang zu den Wahllokalen gewährt worden sei. Bereits am Sonntagabend hatten sich angesichts massiver Betrugsvorwürfe Hunderte Menschen bei Protesten Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert.

In der Hafenstadt Alexandria demonstrierten bereits am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale rund 800 Anhänger der Muslimbruderschaft vor einer Polizeiwache, die als zentrale Auszählstelle diente, und riefen "Nein zum Betrug". Hunderte Sicherheitskräfte waren im Einsatz, es kam zu kleineren Handgemengen. In Kairo marschierten mehrere hundert Demonstranten zu einer Auszählstation und wurden von einem Aufgebot an Sicherheitskräften gestoppt. Anhängern der Muslimbruderschaft wurden Augenzeugen zufolge am Sonntag teilweise der Zugang zu den Wahllokalen verwehrt. Außerdem seien Urnen manipuliert worden, hieß es in Berichten. Ein Wähler erklärte, niemand gebe seine Stimme ab, ohne im Gegenzug dafür bezahlt zu werden.

Die Überwachung der Abstimmung durch internationale Wahlbeobachter hatte die ägyptische Regierung abgelehnt. Die Internetseite der Muslimbruderschaft wurde vor der Wahl zeitweise blockiert. Auf einer Pressekonferenz nach Schließung der Wahllokale äußerte sich der Sprecher der Wahlkommission nicht zu den Betrugsvorwürfen. Sie seien einen Kommentar nicht wert, erklärte Sameh el Kaschef. "Die Ägypter haben heute von ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht", sagte er.

Beobachter werteten das harte Vorgehen gegen die Opposition als Zeichen von Nervosität innerhalb der regierenden NDP. Der 82-jährige Mubarak hat bislang noch nicht erklärt, ob er bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr erneut kandidieren wird. In Ägypten kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten gegen hohe Lebensmittelpreise, niedrige Löhne und Arbeitslosigkeit.

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