Ackermann-Essen im Kanzleramt:Schnittchen für Deutschland

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Ein Abendessen im Kanzleramt macht Furore. Dennoch: Bei Festen des Staates gilt es vor allem eines zu repräsentieren: Bescheidenheit. Bei Brandt gab es Schnittchen, Merkel ließ Kartoffelsuppe servieren.

Nico Fried

Ist es unangemessen, wenn Angela Merkel ein Fest für einen Bankier im Kanzleramt ausrichtet? War es falsch, dass Gerhard Schröder Künstler einlud? Oder ist es nicht so, dass die Institutionen des Staates auch repräsentieren sollten - mit Banketten und Festen?

Das Abendessen für Deutsche-Bank-Chef Ackermann soll zwei- bis dreitausend Euro gekostet haben - die Feier machte dennoch Furore. (Foto: Foto: ddp)

Es hat schon Menschen gegeben, die zum Kaffee bei der Kanzlerin nicht einmal einen Keks bekommen haben. Angela Merkel ist, vorsichtig ausgedrückt, keine Gastgeberin, die zu Ausschweifungen neigt. Journalisten-Runden verköstigt sie zum Mittagessen mit Kartoffelsuppe und Wurst, wobei Hungrige schon mal überrascht angeschaut werden, wenn sie um einen zweiten Nachschlag bitten, möglicherweise weil Merkel eine Konzentration auf die geistige Nahrung wünscht.

Als die Kanzlerin auf dem Höhepunkt der Finanzkrise Wirtschaftsbosse, Bankiers, Experten und Minister um den Tisch versammelte, gab es ein Kohlgericht, von der Regierungschefin persönlich angeordnet. Und wenn beim Abendessen für Josef Ackermann tatsächlich nur zwei- bis dreitausend Euro für Spargel mit Schnitzel und das Servicepersonal angefallen sein sollten, zeugen weder Menu noch Preis von einem Hang der Kanzlerin zum Extraordinären.

Trotzdem macht dieser Abend nun Furore. Und ein bisschen unangenehm scheint er Merkel auch zu sein. Das Geburtstagsessen für Ackermann, das nach seinem Bekanntwerden nur noch ein Essen "aus Anlass" des Geburtstags von Ackermann und in den Worten Merkels nun sogar nur noch ein Essen "im Umfeld" des Geburtstags von Ackermann war, dieses Essen also hat jenseits der politischen Debatte das Interesse darauf gerichtet, was eigentlich so üblich ist im diffusen Bereich zwischen Regieren, Repräsentieren und Rehrücken servieren.

Nicht protzig, aber kommunikativ

Ganz grundsätzlich schätzen deutsche Kanzler eher kleine Runden. Prunk und Pomp geziemt sich nicht, seitdem hier demokratisch regiert wird. Bis heute ist vielen Deutschen deshalb auch das Kanzleramt in Berlin eher peinlich, weil es so monströs wirkt, was Gerhard Schröder wie Angela Merkel im Inneren durch eher geschäftige Schlichtheit auszugleichen versuchten. Die Innenausstatterin Sophie von Seidlein richtete das Kanzlerbüro ein: "Es ging darum, dass es angenehme Räume werden. Keine protzige Stimmung, eher eine kommunikative." Aber wie kommunikativ? Was wird da so besprochen, wenn Kanzler oder Kanzlerin die Einflussreichen zu Tisch bitten?

Gerhard Schröders Ex-Regierungssprecher Bela Anda hatte dazu am Donnerstag Interessantes zu berichten, was man von ihm in seiner Zeit als Sprecher selten behaupten konnte. "Investitionen dieser Art zahlen sich immer aus", schrieb Anda in der Bild-Zeitung. "Ein ,ich kümmer mich' im Rahmen eines Abendessens ist verbindlich - auch ohne Vertrag."

Nun ist es freilich dieses Gebaren, das fast zwangsläufig den Vorwurf der Kungelei nach sich ziehen muss. Angela Merkel hat deshalb besonders betont, dass sie zwar stundenlang mit Josef Ackermann dinieren, aber dennoch die Distanz wahren könne. Diese Darstellung muss nicht zutreffender sein als die von Anda, aber sie ist schlauer.

Aus der Zeit Schröders berichten Übelmeinende, er habe schon viele derselben Leute getroffen, die heute zu Merkel kommen, auch Ackermann, dabei sei aber mehr getrunken worden. Unter diesen auskunftsfreudigen Zeugen sind auch Leute, die mal für Schröder arbeiteten, dann aber nicht mehr erwünscht waren. Und selbst wenn es so gewesen wäre, muss es nicht immer auf Kosten des Steuerzahlers gegangen sein. Ganz wichtigen Gästen servierte Schröder mal einen sehr teuren Rotwein - ein Geschenk des damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac. Die Gäste waren übrigens Journalisten.

Ginge es nach Elisabeth Leutheusser von Quistorp, wäre die ganze Debatte schnell beendet. "Einen Schmarren" findet sie das Gezänk um den Abend für Ackermann. Frau Leutheusser von Quistorp war Hausdame im Bonner Kanzlerbungalow und hat für Ludwig Erhard, Kurt-Georg Kiesinger und Willy Brandt gearbeitet. Der Kanzlerbungalow - moderne Architektur, aber unprätentiös - stand sinnbildhaft für den Repräsentationsbegriff der Bonner Republik.

Ein gesetztes Essen war allenfalls für etwas mehr als ein Dutzend Gäste möglich. Wenn es mehr waren, wie an einem Konzertabend des Cellisten Mstislav Rostropowitsch zu Zeiten Willy Brandts, konnten nur Schnittchen serviert werden.

Teestunde bei der Kanzlergattin

Alle drei Kanzler ihrer Zeit hatten häufig Gäste aus, wie man so sagt, verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, berichtet Leutheusser von Quistorp. Bei Erhard war unter den Wirtschaftsbossen oft sein Fürther Freund und Quelle-Gründer Gustav Schickedanz, was heute ein sauberer Skandal wäre, damals aber niemanden störte. Unter Kiesinger durften Bundestagsabgeordnete ihre Besuchergruppen aus dem Wahlkreis mit einem besonderen Höhepunkt beglücken: eine Teestunde bei der Kanzlergattin.

Willy Brandt schließlich öffnete Haus und Garten mit seinen Kanzlerfesten auch für das gemeine Volk. Der Kioskbetreiber Karl Otto Krausse traf damals Diplomaten, Bosse, den Kanzler und sogar den Bundespräsidenten Gustav Heinemann - und gab danach der Zeit zu Protokoll, ihm habe gefallen, dass alle "so normal" gewesen seien.

Auch weil man damals sogar Rut Brandt zum Tanz auffordern durfte, waren die Kanzlerfeste nicht mit dem Tag der offenen Tür zu vergleichen, an dem heutzutage Angela Merkel ihren Besuchern vor dem Hauptportal des Kanzleramts erklärt, dass sie immer zum Seiteneingang reingeht.

© SZ vom 28.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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