Sanktionen gegen Russland:Lindners Wahlkampf hilft Putins Politik

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Freut sich über Zwietracht im Westen: Russlands Staatschef Putin. (Foto: AP)

FDP-Chef Lindner nennt die Krim-Annexion ein "dauerhaftes Provisorium". Damit bricht er kein Tabu , er vergrößert nur das Tohuwabohu. Das nützt nur einem: Russlands Präsidenten.

Kommentar von Daniel Brössler

Als Russlands Präsident Wladimir Putin 2014 seine grünen Männchen auf der Krim einmarschieren und die ukrainische Halbinsel annektieren ließ, schuf er ein Problem, das noch viele Politikergenerationen beschäftigen wird. Es war klar, dass die Völkergemeinschaft den Landraub nicht würde akzeptieren, Russland ihn aber auch nicht ohne Weiteres würde rückgängig machen können. Wer möchte, kann das ein "dauerhaftes Provisorium" nennen.

Der Vorsitzende und Spitzenkandidat der FDP für die Bundestagswahl, Christian Lindner, hat das gerade getan. Anders als er für sich in Anspruch nimmt, hat er damit kein Tabu gebrochen. Er hat nur das Tohuwabohu in der Diskussion rund um die Sanktionen gegen Russland vergrößert. Dieses Durcheinander nützt auf längere Sicht nur einem: Wladimir Putin.

Wer Krim-Sanktionen aufhebt, lädt zu neuen Verstößen ein

Vor der Annexion der Krim und dem Beginn eines gewaltsamen Konflikt im Osten der Ukraine wusste Putin, dass er eine scharfe Antwort nicht wird fürchten müssen. Prägend hierfür war die Erfahrung des Georgien-Krieges 2008, der das Verhältnis des Westens zu Russland kaum beeinträchtigt zu haben schien. Nicht vorbereitet gewesen ist der Kremlchef auf die Einigkeit, mit der die USA und die Europäische Union seit nunmehr drei Jahren wirtschaftliche und politische Strafmaßnahmen aufrechterhalten. Dem Präsidenten bleibt die Hoffnung, dass die Einigkeit des Westens doch noch zerbricht und die Sanktionen durch sinkende Zustimmung der Bevölkerung ihre Basis verlieren. Diese Hoffnung ist nicht unbegründet.

Einen vielversprechenden Anfang stellt aus Putins Sicht der europäisch-amerikanische Streit über das neue Sanktionsgesetz des US-Kongresses dar. Es versperrt Präsident Donald Trump Sonderwege nach Moskau, enthält aber auch die Möglichkeit, europäische Firmen zu bestrafen, die am Pipeline-Projekt Nord Stream 2 beteiligt sind. Tatsächlich ist dieser Röhrendeal fragwürdig. Er hintertreibt das Ziel der EU, unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden. Er erhöht die Verwundbarkeit von Staaten wie der Ukraine, weil sie an Bedeutung im Gastransit verlieren. Und es vertieft die Konflikte zwischen Ost und West innerhalb der EU. Doch das alles ist nicht wirklich die Sorge Washingtons. Vielmehr entsteht der Eindruck, es gehe hier um wirtschaftliche Interessen des Flüssiggas-Lieferanten USA. Das weckt Zweifel daran, dass Amerikaner und Europäer noch an einem Strang ziehen. Absicht des Kongresses war es, die Sanktionen vor Trump zu schützen. Absurd wäre es, wenn nun das Gesetz die Position des Westens gegenüber Moskau insgesamt schwächte.

Bisher wird diese Position von einem einfachen Prinzip bestimmt: Die Sanktionen sind verhängt worden als Antwort auf einen nicht akzeptablen Zustand, und sie werden aufgehoben, wenn dieser Zustand beendet ist. FDP-Chef Lindner hat offenbar nicht bemerkt, dass dabei von Anfang an unterschieden wurde zwischen der Lage auf der Krim und im Osten der Ukraine. Die Krim-Sanktionen sind deutlich enger gefasst und stellen klar, dass der Völkerrechtsbruch dort nicht hingenommen wird. Die Wirtschaftsstrafen treffen vor allem die annektierte Halbinsel und können nur dann umgangen werden, wenn Lieferanten und Regierungen sich übertölpeln lassen wie zuletzt im Fall der Gasturbinen von Siemens.

Viel schmerzhafter und weit reichender sind die Sanktionen wegen der russischen Unterstützung der Separatisten im Donbass. Die Moskauer Führung hat es mit der Umsetzung des Minsker Abkommens in der Hand, diese Sanktionen abzumildern oder gar loszuwerden.

Deutlich attraktiver wäre es für Russland natürlich, würden Sanktionen ohne oder ohne nennenswerte Gegenleistungen gelockert. Fahrlässig oder mutwillig besorgen Wahlkämpfer wie Lindner daher Putins Geschäft, wenn sie den Eindruck erwecken, der Weg "raus aus der Sackgasse" führe über Vorleistungen des Westens. Solche Äußerungen kommen dem verständlichen Wunsch nach einem Ausgleich mit Russland und nach einem Ende dieses angsteinflößenden Konflikts entgegen. Sie scheinen aber auch zu bestätigen, dass der Westen schuldig oder mitschuldig an der Krise ist. Das stellt Ursache und Folgen auf den Kopf.

Nicht die Sanktionen sind die Aggression. Sie sind die - maßvolle - Reaktion auf die Aggression Russlands gegen ein Nachbarland und dienen der Verteidigung der ukrainischen Souveränität. Aber eben nicht nur. Sie stellen auch klar, dass die Verletzung von Grenzen in Europa nicht ohne Konsequenzen bleibt. Von dieser geduldig wiederholten Botschaft hängt die Zukunft Europas ab. Wer eine Abkürzung sucht, läuft nur tiefer in die Sackgasse hinein.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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