Todesstrafe:Die zweite Hinrichtung

Hinrichtungen in den USA

Die Giftspritze gehört in den USA zu den gängigsten Hinrichtungsmethoden - auch wenn sie nicht immer gleich wirkt.

(Foto: Paul Buck/dpa)
  • Romell Broom wurde wegen Vergewaltigung und Mord vor 32 Jahren zum Tode verurteilt.
  • Bei seiner geplanten Hinrichtung im Jahr 2009 suchten Ärzte und Pfleger zwei Stunden eine Vene, um ihm den Medikamentencocktail zu spritzen - ohne Erfolg. Broom überlebte seine eigene Hinrichtung
  • In den USA gibt es immer wieder Probleme mit der Giftspritze, weil es teilweise sehr lange dauert, bis der Verurteilte stirbt.

Von Kathrin Werner, New York

Romell Broom gibt nicht auf: Er will nicht sterben. Seit 32 Jahren sitzt er in der Todeszelle im amerikanischen Bundesstaat Ohio. Einmal hat der Staat schon versucht, ihn zu töten, einmal schon hat Broom sein letztes Mahl bekommen und seine letzten Gebete gesprochen, aber er überlebte. Jetzt will er den Supreme Court, das höchste Gericht der USA, überzeugen, einen zweiten Hinrichtungsversuch für verfassungswidrig zu erklären.

Am 15. September 2009 wollte der Staat Romell Broom hinrichten, die Henker suchten zwei Stunden lang, stachen mindestens 18 Mal zu, aber sie fanden keine Vene, um ihm den tödlichen Medikamentencocktail zu spritzen. Laut Gerichtsunterlagen bohrte ein Team aus Krankenpflegern, Technikern und einem Arzt Löcher in seine Arme, Beine, Ellbogen, Hand- und Fußgelenke, um einen Katheter zu legen, in teilweise "bereits geschwollene und verletzte Gebiete".

Einmal sei eine Ärztin aus Versehen auf Knochen gestoßen. Die Venen hätten sich gewölbt, eine sei "geplatzt". Der Schmerz sei so furchtbar gewesen, dass er geweint und geschrien habe, sagt Broom. Menschenrechtsanwälte kritisieren immer wieder, dass die Staaten ihre Scharfrichter nicht ausreichend ausbilden.

Ein gescheiterter Exekutionsversuch gilt nicht als grausam

Der damalige Gouverneur von Ohio setzte den Vollzug der Todesstrafe bei Broom aus, doch die Staatsanwaltschaft klagte dagegen - und bekam im März dieses Jahres recht. Die Todesstrafe gegen einen verurteilten Mörder dürfe auch dann noch ein weiteres Mal vollstreckt werden, wenn ein erster Exekutionsversuch gescheitert ist, entschied das Höchste Gericht in Ohio: "Ein zweiter Hinrichtungsversuch ist weder grausam noch eine unübliche Bestrafung", urteilten die Richter in knapper Mehrheit, deshalb sei das Verbot von Grausamkeit nicht betroffen. Es sei nicht sicher, dass auch der zweite Versuch schmerzhaft würde.

Brooms Anwälte beriefen sich zudem auf den strafrechtlichen Grundsatz, dass niemand wegen einer Tat doppelt bestraft werden darf - laut Gericht habe aber im September 2009 gar keine Vollstreckung der Strafe stattgefunden, es sei ja kein Gift injiziert worden und sein Leben sei nie in Gefahr gewesen. Deshalb handele es sich nicht um eine Doppelbestrafung.

Broom beharrt bis heute auf seiner Unschuld

Jetzt also wenden sich Broom und seine Anwälte an das amerikanische Verfassungsgericht, das die Entscheidung aus Ohio aufheben kann. Die obersten Richter können dabei allerdings zum Vergleich auf keine Fälle aus der Vergangenheit zurückgreifen: Broom ist der erste Todeskandidat in der Geschichte der Vereinigten Staaten, der die Giftspritze überlebte.

Romell Broom ist heute 60 Jahre alt. Er ist zum Tode verurteilt worden, weil er 1984 ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und umgebracht hat. Er hat es an einem Freitagabend in Cleveland in Ohio mit dem Messer bedroht und in ein Auto gezerrt, als es mit zwei Freundinnen auf dem Heimweg von einem Football-Spiel war. Die anderen Mädchen entkamen. Broom, der vorher bereits wegen anderer Vergehen verurteilt worden war, beharrt bis heute auf seiner Unschuld.

In Amerika warten fast 3000 Menschen auf ihre Hinrichtung

Seit 1976 hat Ohio 53 Todesurteile vollstreckt, das letzte im Jahr 2014. Danach setzte der Staat alle geplanten Exekutionen aus, weil es bei der Hinrichtung Probleme mit der Giftspritze gab und es ungewöhnlich lange dauerte, bis der Verurteilte starb. Derzeit warten noch fast 3000 Menschen in amerikanischen Gefängnissen auf die Hinrichtung, die durchschnittliche Wartezeit auf der sogenannten Death Row beträgt 16 Jahre.

Das liegt auch daran, dass die Exekutionstechniken umstritten sind und den Bundesstaaten das Gift für die Todesspritze ausgeht. Die EU verhängte 2011 ein Exportverbot. Vor Kurzem hatte auch der US-Pharmakonzern Pfizer angekündigt, dafür zu sorgen, dass keines seiner Produkte mehr für Hinrichtungen verwendet wird. Laut der britischen Menschenrechtsorganisation Reprieve blockieren damit alle Hersteller, deren Mittel von der US-Gesundheitsbehörde Federal Drug Administration als Todessubstanz zugelassen sind, den Verkauf zu diesem Zweck.

31 US-Bundesstaaten erlauben weiterhin Exekutionen, etwa die Hälfte davon führt sie tatsächlich noch durch. Seit dem Verkaufsstopp der Pharmabranche haben die Behörden aber immer mehr Hinrichtungen verschoben, weil die Substanzen fehlten. Einige Bundesstaaten testen alternative Mittel, die nicht so schnell wirken oder zu Symptomen führten wie dem Gefühl, lebendig zu verbrennen.

Gift aus fragwürdigen oder illegalen Vertriebskanälen

Oklahoma verwendete ein von der Pfizer-Tochter hergestelltes Gift, mit dem Tiere eingeschläfert werden. 2014 kämpfte in dem Bundesstaat der verurteilte Mörder Clayton Lockett nach der Spritze 43 Minuten mit dem Tod, bis er an einem Herzinfarkt starb. Danach gab es heftige Proteste von Menschenrechtsgruppen. Die Behörden gaben später an, die Nadel sei nicht richtig in Locketts Vene eingeführt worden.

Inzwischen halten fast alle Bundesstaaten geheim, wie sie an ihr Gift gelangt sind. Stammt es aus dem Ausland, von einer illegalen Apotheke oder ist es Jahre alt und das Haltbarkeitsdatum abgelaufen? Einige Bundesstaaten greifen auf rechtlich fragwürdige oder eindeutig illegale Vertriebskanäle zurück. Texas zum Beispiel hat geheime Apotheken, welche die Arzneimittelzulassung umgehen können und ihre Substanzen an andere Bundesstaaten weiterverkaufen. Im Jahr 2011 beschlagnahmte die FDA die Giftreserven des Bundesstaates Georgia, der die Substanz in einer Londoner Apotheke gekauft hatte, die ihr Geschäft im Büro einer Fahrschule betrieb.

Noch immer ist zwar eine Mehrheit der Amerikaner für die Todesstrafe. Doch es liegt wohl auch an Geschichten wie jener von Romell Broom, dass diese Mehrheit immer kleiner wird.

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