Tierschutz: die "Öko-Krieger":Geheimagenten des Tigers

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"Wir reden über organisierte Kriminalität": Wie Mitglieder einer radikalen Umweltorganisation verbrecherischen Tierhändlern auf die Spur kommen.

Frank Stern

Man braucht schon viel Phantasie, um sich diesen Typen als einen Undercover-Agenten vorzustellen. Als Thomas Lee, so jedenfalls stellt er sich vor, in einem Café in Singapur erscheint, wirkt er eher wie ein Student auf dem Weg zur nächsten Party: Jeans, T-Shirt, Sonnenbrille. Doch so durchschnittlich, wie er auf den ersten Blick erscheint, ist der junge Mann keineswegs. Einen Großteil des Jahres ist er im Auftrag der Environmental Investigation Agency (EIA) unterwegs, um Umweltverbrechen aufzuklären. Er dringt in Bereiche vor, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

Sein Fell und seine Knochen bringen Geld, daher ist der Tiger gefährdet. Die Organisation EIA versucht, Wildtiere zu retten. (Foto: Foto: AP)

Die EIA wurde vor 25 Jahren in London von einer Handvoll Umweltaktivisten gegründet, um den Handel mit geschützten Wildtieren, die Zerstörung der Natur zu dokumentieren und Politiker zum Handeln zu bewegen. Die phonetische Nähe zur CIA kam dabei nicht von ungefähr: Um an Beweise zu gelangen, begann die Agency damit, kleine Undercover-Teams an die Ökofront zu schicken, die als Vertreter fiktiver Firmen, als Käufer oder Händler getarnt die Mechanismen des Niedergangs aufdecken sollten.

Ob das Abschlachten von Delfinen vor Japan oder die Elfenbeinjagd in Afrika, ob die Produktion von Ozonkillern in China oder das Abholzen von Indonesiens Tropenwäldern - EIA-Ermittler hielten den Raubbau auf Video fest und setzten Regierungen und internationale Organisationen unter Zugzwang.

Blut und Wasser geschwitzt

Als Thomas Lee vor fünf Jahren bei der EIA anheuerte, war er mit der verdeckten Recherche bereits vertraut. Seine Feuertaufe hatte der gebürtige Chinese zuvor in Ecuador bestanden, als er sich, mit falscher Identität und versteckter Kamera ausgestattet, illegalen Haifischflossenhändlern an die Fersen heftete. "Ich habe Blut und Wasser geschwitzt", räumt er ein. Inzwischen ist der Meeresbiologe routinierter, doch er verschweigt nicht, dass solche Aktionen ihm psychisch einiges abverlangen. "Der Job ist ziemlich anstrengend", sagt er. "Um überzeugend zu sein, muss man ein anderer werden, über Wochen eine Rolle spielen und ganz darin aufgehen."

Was nicht heißt, dass die Camouflage funktioniert. Bei einem seiner Einsätze in Malaysia jedenfalls war das Publikum wenig angetan - Lee flog auf und landete im Gefängnis. Zusammen mit einem Kollegen hatte er in einem Hafen eine illegale Holzladung aus Indonesien entdeckt und den Besitzer und seine Männer über den Transport ausgefragt. Die wurden misstrauisch. Sie zwangen Lee, seine Tasche zu öffnen und fanden seine Kamera. Die Polizei nahm die Umweltschützer fest und steckte sie in eine verdreckte Zelle: eine Tasse Wasser pro Tag, das Essen ungenießbar, ein Loch im Boden als Klo und in der Nacht Myriaden Moskitos. Die EIA in London setzte alle Hebel in Bewegung, um ihn und seinen Partner nach vier Tagen freizubekommen.

"Öko-Krieger"

Dass es weit enger werden kann, bekam vor einigen Jahren ein Zweierteam zu spüren, das in Indonesien gegen die Tropenholzmafia ermittelte. In eine Falle gelockt, wurden Faith Doherty von der EIA und ein Mitarbeiter der indonesischen Umweltorganisation Telepak von Mitgliedern eines mächtigen Clans stundenlang festgehalten und misshandelt. Ihr Leben hing am seidenen Faden, und dass sie irgendwie aus der Sache herausgekommen sind, lag wohl nur daran, dass der Mord an einer britischen Naturschützerin zu hohe Wellen geschlagen hätte. "Wir reden hier über organisierte Kriminalität", sagt Lee. "Wer dort versucht einzudringen, geht ein Risiko ein. Jeder bei der EIA weiß und akzeptiert das."

In den letzten Monaten war er zumeist für die Tiger im Einsatz, deren größtes Pech es ist, dass ihre Felle als Prestigeobjekte gelten. Tigerknochen wird wundersame Heilwirkung zugeschrieben, ihre Penisse stärken angeblich die Manneskraft. Die Nachfrage treibt die Preise, und der illegale Handel hat Konjunktur, was die EIA vor allem China anlastet. Erst im Oktober haben die "Öko-Krieger" die Volksrepublik wieder mal wegen ihres Versagens beim Schutz der letzten, in freier Wildbahn lebenden Tiger angeprangert - und das ohne alle diplomatische Finesse von Neu-Delhi aus.

"Ohne Sensation geht es nicht"

Die Vorwürfe sind gut belegt: In den letzten fünf Jahren haben EIA-Ermittler in China eine Fülle von Beweisen für ein florierendes Schwarzmarktgeschäft mit Fellen und anderen Tigerprodukten und für die Untätigkeit der Behörden zusammengetragen. Dabei gingen die Europäer auf ihren Erkundungstouren anfangs als neugierige Touristen durch. Es dauerte nicht lange, da fielen die Türen ins Schloss, sobald sie irgendwo auftauchten. Inzwischen schickt die EIA Thomas Lee ins Krisengebiet. "Für einen chinesischen Landsmann schließen die Händler auch die Hinterzimmer auf", sagt der.

Unumstritten sind die Methoden der EIA nicht, doch kaum einer bestreitet, dass die oft unter Gefahr gedrehten Videos auch politisch Wirkung zeigen. "Ohne Sensation geht es nicht", unterstützt Wolfgang Lohbeck von der deutschen Greenpeace-Sektion in Hamburg den Ansatz der Engländer und bescheinigt ihnen Kompetenz und sorgfältige Recherche. "Das ist eine seriöse und schlagkräftige Truppe, mit der wir an einem Strang ziehen - auch wenn wir uns manchmal die Erfolge gegenseitig streitig machen."

Etwas verhaltener fällt die Bewertung von Seiten des WWF aus. Zwar erkennt man die Arbeit der EIA durchaus an, aber ganz uneingeschränkt ist der Zuspruch nicht. "Die Art, wie die EIA Informationen beschafft, kommt nicht immer gut an", sagt Volker Homes vom WWF Deutschland. Die EIA nutze Methoden, wie sie Polizei- und Zollbehörden anwendeten: "Das ist nicht unser Stil."

Welcher Stil auch der richtige sein mag, für Asiens letzte freilebende Tiger, deren Zahl Optimisten auf knapp 5000 schätzen, kommen die Rettungsversuche womöglich zu spät. "Der illegale Handel von Tigerfellen zwischen Indien, Nepal und China ist die derzeit größte Bedrohung für den Fortbestand dieser asiatischen Großkatzen", sagt Lee. "Es fehlt der politische Wille, wirksam gegen Öko-Kriminalität vorzugehen."

© SZ vom 17.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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