Stuttgart:Jobs gegen Sex

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Er sollte Ex-Prostituierte in bürgerliche Jobs bringen - stattdessen bedrängte er sie im Büro und forderte Sex: Gegen einen 62-jährigen Arbeitsvermittler wurde wegen sexueller Nötigung Anklage erhoben.

Von Roman Deininger, Stuttgart

Man kennt den Mann in Stuttgart, den freundlichen, grauhaarigen Herrn von der Arbeitsagentur. Er hat Projekte betreut, mit denen er es immer wieder mal in die Zeitung schaffte: Auf dem Cannstatter Wasen zum Beispiel, einem der größten Volksfeste der Republik, vermittelte er Aushilfsjobs - hier eine Kellnerin für ein Bierzelt, dort einen Aufbauhelfer für die Geisterbahn.

Manchmal verlegte er sein Büro mitten auf den Wasen. Und wenn es irgendwo Streit um den Lohn gab, radelte er hin und schlichtete die Sache.

Nun hat der 62-Jährige wieder einmal große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Diesmal dürfte sie ihm aber gar nicht gefallen: Dem Arbeitsvermittler wird vorgeworfen, zwei ehemaligen Prostituierten Jobs gegen Sex angeboten zu haben.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart gab am Dienstag bekannt, dass sie gegen den Mann Anklage wegen sexueller Nötigung und Bestechlichkeit erhoben hat. Er soll die Vorwürfe in polizeilichen Vernehmungen eingeräumt haben. Von der Arbeitsagentur heißt es, dem "langjährigen, engagierten" Mitarbeiter sei nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Dezember 2013 "umgehend" gekündigt worden.

"Es ist ein Einzelfall", betonte eine Agentursprecherin.

Der Angeklagte sollte Aussteigerinnen aus dem Rotlichtmilieu bürgerliche Jobs vermitteln

Ins Aufgabenfeld des Angeklagten fiel bei der Arbeitsagentur dem Vernehmen nach ein Projekt, das Aussteigerinnen aus dem Rotlichtmilieu in bürgerliche Jobs bringen sollte. In diesem Rahmen soll er im Oktober 2012 und im Oktober 2013 eine 44 und eine 55 Jahre alte Frau sexuell belästigt, angefasst und anzüglich angesprochen haben. Er soll sich über die Brüste der Frauen geäußert und einer der beiden seine Hand in die Hose gesteckt haben.

Beide Male soll er seine Bürotür vorher von innen abgeschlossen haben. Er soll in deutlichen Worten Sex von den Frauen gefordert und vor ihnen masturbiert haben. Außerdem soll er die Frauen auch privat angerufen und Sex verlangt haben. Die Frauen lehnten die Angebote des Mannes ab.

"Die Frauen waren ihm ausgeliefert", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der baden-württembergische Landesfrauenrat teilte mit: "Solche Dinge zeigen, dass Prostituierte gesellschaftlich als Freiwild betrachtet werden."

Da der Angeklagte geständig ist und nicht vorbestraft, wurde der Haftbefehl gegen ihn unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart soll am 20. Oktober beginnen.

© SZ vom 02.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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