Stalking:"Es ist beinahe so eine Art Kriegsführung von ihm"

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Uwe Kisker (Foto: Stephan Schütze)

Seit 25 Jahren wird der Dortmunder Moderator Uwe Kisker mit anonymen Anrufen und Drohungen terrorisiert. Jetzt steht der Mann vor Gericht, der dafür verantwortlich sein soll.

Von Oliver Klasen

Uwe Kisker hat lange auf diesen Tag warten müssen. Jahrelang hat er belastendes Material gesammelt. Ein dicker Aktenordner ist zusammengekommen. Darin: Drohbriefe, Drohfaxe, Drohmails, außerdem eine Auswertung der Telekom, die ergeben hat, dass in drei Wochen 3100 Anrufe eingingen, immer von derselben Nummer. Kisker hat Anzeige erstattet, mehrfach ist er zur Polizei gegangen, und er hat sich, wie er sagt, auch von Beamten nicht entmutigen lassen, die sagten, man könne nicht viel unternehmen. Kisker hat den Aktenordner trotzdem eigenhändig zur Staatsanwaltschaft geschleppt und die Ermittler aufgefordert, sich das Material anzusehen.

Uwe Kisker ist Stalking-Opfer. Wenn er an diesem Donnerstag den Sitzungssaal des Dortmunder Amtsgerichts betritt, wird er auf den Mann treffen, von dem er sich seit mehr als 25 Jahren bedroht fühlt. Anfangs habe der Stalker es auf Kiskers Frau abgesehen, war offenbar krankhaft verliebt, wollte die beiden auseinanderbringen. Als das nicht gelungen sei, habe er sich ganz auf Kisker konzentriert, ihn beschimpft und bedroht. Das Telefon sei seine Waffe gewesen, aber er sei auch vor der Wohnung der Kiskers aufgetaucht, habe gegen die Tür gehämmert und Kiskers Frau mitnehmen wollen. Der Fall kam damals sogar vor Gericht. Kontaktsperre, Näherungsverbot, Bewährung. Doch als die abgelaufen war, habe der Mann einfach weitergemacht.

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Obwohl die Täter der Polizei häufig bekannt sind, werden nur ein bis zwei Prozent aller Stalker verurteilt. Jetzt bessert Justizminister Maas beim Gesetz nach - Opferverbände warnen, dass das nicht ausreiche.

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Der Prozess, den Kisker jetzt angestrengt hat, ist der erneute Versuch, den Stalker zu stoppen. Angeklagt ist er nach Paragraf 238 Strafgesetzbuch wegen Nachstellung, wie Stalking offiziell heißt. "Ich hoffe, dass da endgültig der Deckel drauf kommt und der Typ in den Knast gehen muss", sagt Kisker am Telefon. Er wohnt in Dortmund, arbeitet bei einem Baumaschinenhersteller, moderiert und berichtet für das Lokalfernsehen. Jeder in Dortmund, der Schlagerpartys mag oder Amateurfußball, kennt Kisker. Er redet gerne "geraderaus, so wie ich in dem Moment denke", und ein Vorteil von schnoddrigem Ruhrgebietsslang ist, dass er die Härten des Lebens manchmal ganz gut überdecken kann.

Je näher der Prozessbeginn rückt, desto aufgewühlter wird Kisker. "In den letzten Wochen kann ich kaum schlafen. Ich war beim Arzt, bekomme Beruhigungstabletten", sagt er. Er hat sich mit seinem Anwalt beraten, im Prozess ist er als Zeuge geladen, die Anklageschrift liegt ihm vor, alle Unterlagen sind vorbereitet. Trotzdem sagt er: "Ich gehe mit einem unguten Gefühl" ins Gericht.

Tatsächlich muss nachgewiesen werden, dass der Stalker die Lebensumstände von Kisker "schwerwiegend beeinträchtigt" hat, wie es im Gesetzestext heißt. Aber was heißt das konkret? Muss das mutmaßliche Opfer den Wohnort wechseln? Den Job aufgeben? Sich in psychologische Behandlung begeben? Zu einem geregelten Alltagsleben nicht mehr fähig sein? Kisker wollte sich sein Leben nicht kaputtmachen lassen, behielt seinen Job als Moderator und sein Haus in einer ehemaligen Dortmunder Bergarbeitersiedlung. Ist das jetzt ein Nachteil vor Gericht?

Kiskers Fall wird noch nach altem Recht verhandelt

Weil Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die Einwände von Opferverbänden nachvollziehbar fand, hat er im Sommer nachgebessert und ein Gesetz eingebracht, das den Stalkingparagrafen konkretisieren soll. Künftig sollen auch Handlungen, die "objektiv geeignet sind", die Lebensumstände des Opfers "schwer zu beeinträchtigen", strafbar sein. Einfach ausgedrückt: Es kommt nicht mehr darauf an, ob der Stalker mit seinen Drohungen und Einschüchterungen wirklich Erfolg hat. Doch das neue Gesetz ist noch nicht in Kraft, vergangene Woche wurde es im Bundestag beraten. Kiskers Fall wird noch nach der alten Regelung behandelt.

Noch im Sommer, als es in den Medien Berichte über das neue Gesetz gab, war Kisker guter Dinge. Damals hatte er einigermaßen Ruhe. Nur gelegentlich gingen nachts anonymne Anrufe ein, aber Kisker hat sein Handy, dessen Nummer aus beruflichen Gründen frei im Internet sichtbar ist, zu dieser Zeit ohnehin ausgeschaltet. In den vergangenen Wochen habe der Stalker seine Aktivitäten aber wieder verstärkt. Er habe nicht stillgehalten, wie man es in Erwartung des kommenden Prozesses vielleicht erwarten könne, sondern im Gegenteil deutlich öfter angerufen. Jüngstes Signal: Ein mittlerweile gelöschter Post auf Kiskers Facebookseite, der ein Bild von einem Männchen zeigt, das auf dem Rücken liegt und schallend lacht. "Der ist sich sicher, dass ihm nichts passiert. Es ist beinahe so eine Art Kriegsführung von ihm", sagt Kisker.

Tatsächlich kommt es nur relativ selten zu einer Verurteilung von Stalking-Verdächtigen. Im Jahr 2014, neuere Zahlen gibt es noch nicht, wurden bundesweit lediglich 205 Personen wegen Nachstellung verurteilt. Das ist lediglich etwa ein Prozent aller Fälle, die in der Polizeistatistik verzeichnet sind.

Bis zu drei Jahre Gefängnis beträgt die Strafandrohung im Falle von Nachstellung. Kisker ist jedoch skeptisch, ob dem Verdächtigen im Prozess tatsächlich ein Vergehen nachgewiesen werden kann. "Es ist völlig offen, wie das ausgeht", sagt er selbst über seinen Fall.

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