Prozess:Dschungelcamp statt Schuldienst

Berufungs-Prozess nach Dschungelcamp-Reise

Nathalie Volk (rechts) und ihre Mutter auf dem Weg in das Landgericht Lüneburg.

(Foto: dpa)
  • Die Mutter des Models Nathalie Volk steht vor Gericht, weil sie im Januar 2016 ein falsches Attest benutzt haben soll, um die Tochter zur Dschungelcamp-RTL-Show nach Australien zu begleiten.
  • In einem vorherigen Prozess wurde die Mutter bereits zu einer Geldstrafe verurteilt, gegen das Urteil geht sie jetzt vor.
  • Das Land Niedersachsen will der Lehrerin wegen des Vorfalls den Beamtenstatus entziehen.

Von Thomas Hahn, Lüneburg

Der Donnerstag war kein Tag wie jeder andere für das Landgericht Lüneburg: Eine Prominenten-Warnung war ausgegeben, Polizisten regelten den Einlass, Journalisten sollten rechtzeitig erscheinen für einen der 20 Presseplätze im Verhandlungssaal 21. Im Zeugenstand wurde Nathalie Volk erwartet, eine Person des Glamour-Wesens, 21, bekannt aus dem Reality-Fernsehen. Es begann die Berufungsverhandlung gegen ihre Mutter, die im Januar 2016 ein falsches Attest benutzt haben soll, um die Tochter zur Dschungelcamp-RTL-Show nach Australien zu begleiten, statt am Soltauer Gymnasium ihrem Beruf als Mathe-Lehrerin nachzugehen. Das Amtsgericht Soltau hatte Mutter Volk Ende März 2017 zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen à 70 Euro verurteilt. Sie wehrt sich, der Prozess wird neu aufgerollt.

Der Andrang war dann gar nicht so groß. Immerhin, einige Fotografen liefen hektisch umher, als Nathalie Volk in rotem Mantel und standesgemäßem Schuhwerk neben ihrer Mutter kurz vor neun über den Bürgersteig am Gericht stöckelte. Aber auf den Bänken war viel Platz. Zieht der Glanz des Models nicht mehr? Oder schreckt die Tragweite des Verfahrens ab?

Ihre Diagnose: Depressive Erschöpfung

Die ist gar nicht so gering. Es geht um den Ernst des Lehrerberufs, den man nicht willkürlich eintauschen kann gegen das Verlangen, ein Teil der Spaßgesellschaft zu sein. Der Staatsanwalt klagt, Mutter Volk habe genau das getan. Die 48-Jährige sagt: "Ich bin unschuldig." Ihr Anwalt Jonas Hennig führte am Donnerstag aus: Seine Mandantin habe ihre Symptome wahrheitsgemäß geschildert. Die Diagnose "Depressive Erschöpfung" nebst dreiwöchiger Krankschreibung habe sie nicht als Grund gegen die Australien-Reise verstehen müssen. Der Ortswechsel habe ihr gutgetan.

Die Verurteilung durch das Amtsgericht nannte Hennig ein "Wuturteil": "Es spricht die Sprache der medialen Vorverurteilung." Der Amtsrichterin fiel damals auf, dass die Reise schon ausgemacht war, bevor der Direktor den Antrag der Mutter auf Sonderurlaub abgelehnt hat. Kurz vor der Abreise soll sich der Gesundheitszustand der Mutter dann schnell verschlechtert haben. Sie suchte erst einen Arzt, dann eine Ärztin auf. Über Australien sprach sie mit beiden nicht, nur über ihre akute Erschöpfung wegen des harten Schuldienstes.

Die Allgemeinmedizinerin Margret Bading stellte die dreiwöchige Krankschreibung aus. Vor dem Landgericht bezeugte sie, dass sie es verdächtig gefunden hätte, wenn Mutter Volk vom Dschungelcamp-Vorhaben gesprochen hätte. Denn: "Wer eine depressive Erschöpfung hat, kann nicht so eine strapaziöse Reise machen."

Und Nathalie Volk? Sie wollte nicht noch mal sagen, was sie schon vor dem Amtsgericht gesagt hatte, und musste das auch nicht. Sie war nur kurz im Saal. Das Urteil wird am 6. März erwartet. Es entscheidet nicht darüber, ob die Mutter Lehrerin bleiben darf. Derzeit ist sie suspendiert, das Land Niedersachsen will ihr den Beamtenstatus nehmen. Die mündliche Verhandlung darüber ist am 28. Juni. Der Fall Volk ist verwirrend, aber er zeigt: Dschungelcamp und Schuldienst passen einfach nicht zusammen.

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