Havarie der "Costa Concordia":Taucher finden zwei weitere Leichen im Schiffswrack

Die Zahl der Todesopfer des Schiffsunglücks ist auf fünf gestiegen: Taucher haben zwei weitere Leichen im Wrack der "Costa Concordia" gefunden. Der Kapitän verteidigt sich indes gegen die Vorwürfe. Er habe das Schiff nicht verlassen, als noch Passagiere an Bord waren - und der Felsen, auf den das Schiff gelaufen war, sei in seinen Seekarten nicht verzeichnet gewesen.

Nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia vor der toskanischen Küste gerät der Kapitän unter Druck. Er steht im Zentrum der Ermittlungen der italienischen Behörden. Am Sonntag erhärteten sich die Vorwürfe gegen ihn, vorzeitig das sinkende Schiff verlassen zu haben. Die Costa Concordia mit rund 4200 Menschen an Bord - darunter hunderte Deutsche - war Freitagnacht vor der toskanischen Küste auf Felsen gestoßen und auf die Seite gekippt.

Rescuers travel in a boat next to the Costa Concordia cruise ship that ran aground off the west coast of Italy at Giglio island

Taucher haben zwei weitere Leichen im havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" gefunden. Damit steigt die Zahl der Todesopfer des Schiffbruchs auf fünf.

(Foto: REUTERS)

Taucher der Küstenwache fanden am Sonntag in dem Kreuzfahrtschiff zwei weitere tote Passagiere. Damit stieg die Zahl der bestätigten Todesopfer auf fünf. Bei den beiden geborgenen Toten handelt es sich Medienberichten zufolge um einen Italiener und einen Spanier. Das meldete die Agentur Ansa am Sonntagabend unter Berufung auf "informierte Kreise". Zuvor hatten die italienischen Behörden den Tod von zwei Franzosen und einem Peruaner bestätigt. 15 Menschen wurden noch vermisst, darunter der Nachrichtenagentur dpa zufolge vier Deutsche. Vermisst werden unter anderem ein Ehepaar aus Hessen sowie zwei Frauen aus Baden-Württemberg.

Ein Vertreter der italienischen Küstenwache sagte, Kapitän Francesco Schettino sei bereits zu einem Zeitpunkt an Land gesehen worden, als die Evakuierungsaktion noch in vollem Gange gewesen sei. Die Küstenwache habe ihn aufgefordert, seiner Pflicht nachzukommen und zu dem sinkenden Schiff zurückzukehren, sagte Francesco Paolillo der Nachrichtenagentur AP. Der Kapitän habe dies aber ignoriert.

In einem Interview hatte sich Schettino am Sonntag gegen Vorwürfe gewehrt, er habe das Schiff bereits verlassen, als sich noch Passagiere an Bord befunden hätten. "Wir waren die letzten, die das Schiff verlassen haben", sagte er. Passagiere hatten dem bereits widersprochen. Schettino erklärte, das Schiff sei auf Felsen aufgelaufen, die in seinen Seekarten nicht verzeichnet gewesen seien. "Wir navigierten etwa 300 Meter von den Felsen entfernt", sagte der Kapitän der Sendergruppe Mediaset. "Ein solcher Felsen hätte dort gar nicht sein sollen." Der Kapitän kam in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen.

Der italienischen Nachrichtenagentur Ansa sagte Staatsanwalt Francesco Verusio, der Kapitän habe eine Route gewählt, die zu nah an der Küste verlaufen sei. Das bestätigten Augenzeugen auf der Insel Giglio. Sie erklärten, sie hätten das Schiff noch nie so nah an der Küste gesehen.

Die Betreibergesellschaft Costa Crociere mit Sitz in Genua räumte am Sonntagabend ein, es habe den Anschein, dass der Kapitän fehlerhafte Entscheidungen getroffen habe. Er sei anscheinend zu nahe an die Küste gefahren und von den vorgegebenen Evakuierungsprozeduren abgewichen, hieß es laut Medienberichten in einer Erklärung des Unternehmens. Costa äußerte "sein tiefstes Bedauern über diesen schrecklichen Unfall".

Drei Menschen wurden am Samstag und Sonntag lebend aus dem Wrack gerettet: ein frisch verheiratetes Ehepaar aus Südkorea und ein italienisches Besatzungsmitglied. Taucher hätten inzwischen auch die sogenannte "Black Box" des Schiffs geborgen, sagte ein Sprecher der Küstenwache dem italienischen Fernsehsender Sky Italia. Die darauf aufgezeichneten Navigationsinformationen sollen Antworten auf einige der offenen Fragen liefern.

Verwirrung herrschte um die Zahl der Vermissten. Die Zahlen variierten am Sonntag zwischen 17 und 36. Der Präfekt der Region Grosseto, Giuseppe Linardi, sagte, die Listen der Reederei und die der nach der Rettung registrierten Passagiere und Besatzungsmitglieder müssten noch verglichen werden. Das könne die Differenz zwischen den 4232 Menschen an Bord und den nach dem Schiffbruch registrierten 4196 ausmachen. Passagiere aus der Toskana und Latium hätten sich möglicherweise sofort auf den Weg nach Hause gemacht. Dagegen sagte der Präsident der Region Toskana, Enrico Rossi, es würden nur noch 17 Menschen vermisst, elf Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder. Nach dem Fund der beiden Leichen am Sonntag wären es demnach noch 15 Vermisste.

Die Evakuierung verlief chaotisch

Szenen wie auf der Titanic sollen sich nach der Havarie auf der Costa Concordia abgespielt haben. Viele der Passagiere beklagten, dass die Besatzung ihnen keine ausreichenden Anweisungen zur Evakuierung des Schiffs gegeben habe. Außerdem werfen sie der Crew vor, die Aussetzung der Rettungsboote so lange verzögert zu haben, bis sie wegen der Schräglage des Schiffs nicht mehr ausgebracht werden konnten.

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Taucher haben zwei Leichen im havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" gefunden. Damit steigt die Zahl der Opfer des Schiffbruchs vor der toskanischen Küste auf fünf.

(Foto: AFP)

Mehrere Passagiere sagten, Besatzungsmitglieder hätten den Passagieren 45 Minuten lang erzählt, der Lichtausfall sei durch ein einfaches technisches Problem verursacht worden. Weiter berichteten die Passagiere, dass seit dem Beginn der Kreuzfahrt am 7. Januar bis zu dem Unglück keine Evakuierungsübung abgehalten worden sei. Für Samstag war eine solche Übung geplant.

Etwa 60 Menschen wurden verletzt. Zehn der Verletzten waren nach Angaben des Auswärtigen Amts Deutsche. Sie seien in Krankenhäusern behandelt, mittlerweile aber schon wieder entlassen worden. Insgesamt waren unter den 4200 Passagieren und Besatzungsmitgliedern aus mehr als 60 Ländern an Bord der Costa Concordia etwa 560 Deutsche. Die meisten von ihnen seien bereits am Samstag mit Flugzeugen oder Bussen wieder nach Hause gebracht worden, sagte der Sprecher des Veranstalters Costa Kreuzfahrten, Werner Claasen, am Sonntag.

Dem Umweltproblem nach der Havarie wollen sich die italienischen Behörden nach dem Ende der Suchaktion widmen. Diese habe Vorrang, so heißt es. In den Tanks der Costa Concordia sind knapp 2400 Tonnen Treibstoff. Bisher soll aber noch nichts ins Mittelmeer gelangt sein. Umweltminister Corrado Clini hat für Montag zu einem Expertengespräch nach Livorno geladen, um über mögliche Umweltrisiken zu sprechen. Unklar war, ob das Schiff komplett sinkt und wie es geborgen werden kann.

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