Finanzskandal in Spanien:Prinzessin vor Gericht

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Zum ersten Mal seit der Wiedereinführung der Monarchie in Spanien vor vier Jahrzehnten steht eine enge Verwandte des Monarchen als Angeklagte vor Gericht. (Foto: REUTERS)

In Spanien erschien heute Infantin Cristina zum ersten Mal vor Gericht. Sie soll illegale Finanzgeschäfte ihres Mannes gedeckt haben. Nun wird sich zeigen, ob auch sie ins Gefängnis muss.

Von Thomas Urban, Madrid

Stundenlang hatten ein paar Dutzend Schaulustige bei kühlem Wetter und steifem Westwind tapfer auf den Moment gewartet. Doch dann gab es im Morgengrauen kurz nach acht Uhr eigentlich nichts zu sehen: Ein banaler grauer Skoda mit getönten Scheiben fuhr vor, dann stiegen Cristina de Borbón, Schwester des spanischen Königs Felipe VI., und ihr Mann, Iñaki Urdangarin, aus und eilten wortlos in einen Veranstaltungssaal in einem Gewerbegebiet von Palma de Mallorca, der nun vorübergehend Schauplatz des "Jahrhundertprozesses" ist: die Prinzessin vor Gericht.

Sie hielten Abstand voneinander, kein Händchenhalten, kein Augenkontakt. Die Regenbogenpresse hatte zuletzt über Missstimmungen zwischen den beiden berichtet, Urdangarin soll es mit der ehelichen Treue nicht so genau genommen haben.

Prozess
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Zum ersten Mal steht ein Mitglied des spanischen Königshauses vor Gericht. Die Sicherheitsvorkehrungen sind immens.

Auch bei der Eröffnung der Verhandlung war es so: Sie saßen in der letzten von drei Reihen, die die insgesamt 18 Angeklagten und ihre Anwälte einnahmen, sie ganz rechts außen, er ganz links. Zum ersten Mal seit der Wiedereinführung der Monarchie in Spanien vor vier Jahrzehnten steht eine enge Verwandte des Monarchen als Angeklagte vor Gericht.

Die Infantin soll den Betrug ihres Mannes gedeckt haben

Der 50 Jahre alten Cristina wird vorgeworfen, die illegalen Steuertricksereien ihres Mannes, eines früheren Handballstars, gedeckt und von der Unterschlagung von Millionen öffentlicher Gelder durch ihn gewusst zu haben.

Urdangarin, der mit der spanischen Nationalmannschaft Bronze bei den Olympischen Spielen von Atlanta (1996) und Sydney (2000) gewonnen hatte, war als Direktor einer angeblich gemeinnützigen Stiftung mit der Organisation von Sport- und Tourismus-Kongressen befasst. Dabei wurden laut Anklage Rechnungen manipuliert, Urkunden gefälscht, manche der Veranstaltungen, die den Regionalbehörden der Balearen sowie von Valencia in Rechnung gestellt wurden, sollen überhaupt nicht stattgefunden haben. An den Manipulationen sollen Politiker der konservativen Volkspartei (PP) aus den beiden Regionen beteiligt gewesen sein.

Bei der Verlesung der Anklageschrift schauten Cristina und der vier Meter von ihr entfernt sitzende Urdangarin mit versteinerten Gesichtern geradeaus. Der 1,97 Meter große frühere Modellathlet, der mit der Infantin vier Kinder hat, ist in letzter Zeit stark ergraut. Sein Leben besteht seit fünf Jahren vor allem aus der Vorbereitung von Auftritten, bei denen es um die Verfahren um seine Tätigkeit in der Stiftung während der Jahre 2004 bis 2006 geht. Die Staatsanwaltschaft hat bislang 19 Jahre Haft für ihn gefordert. Sein Schwager Felipe hat dem Ehepaar im vergangenen Sommer den Titel "Herzöge von Palma", der den beiden mit der Hochzeit 1997 verliehen worden war, wieder aberkannt.

Spanisches Königshaus
:König Felipe entzieht seiner Schwester den Adelstitel

Infantin Cristina ist nicht länger die Herzogin von Palma de Mallorca: Ihr Bruder, der spanische König, hat ihr den Titel entzogen. Cristina steht wegen Beihilfe zum Steuerbetrug vor Gericht.

Das Steuerrecht will es so, dass auch illegale Einkünfte dem Fiskus gemeldet werden müssen. Das aber hat Urdangarin nicht getan, und Cristina, die seit der Abdankung ihres Vaters Juan Carlos im Sommer 2014 formal nicht mehr dem Königshaus angehört, hat bei der Verschleierung des Familieneinkommens kräftig geholfen. Dies meint zumindest ein Verein namens "Manos limpios" (Saubere Hände), der sich der Bekämpfung der Korruption verschrieben hat und nun als Nebenkläger auftritt.

Doch die Staatsanwaltschaft hat gegen Cristina keinerlei Vorwürfe erhoben, sondern ihren bisherigen Erklärungen geglaubt, sie habe "im Vertrauen auf die Ehrlichkeit des Ehemannes" alle Dokumente ohne nähere Prüfung unterschrieben, die dieser ihr vorgelegt habe. Diese Großzügigkeit der Staatsanwaltschaft wurde von einem Teil der Medien heftig kritisiert, sie spekulierten, ob nicht im Hintergrund das von den Konservativen kontrollierte Justizministerium an den Strippen gezogen hat. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass die drei Richterinnen, die über die Schuld der 18 Angeklagten zu befinden haben, sich der ungewöhnlichen Unschuldsvermutung der Staatsanwaltschaft anschließen und Cristina vom weiteren Verfahren ausnehmen.

Zumindest Urdangarin muss vermutlich ins Gefängnis

Deren Mann aber kann sich kaum Hoffnung machen, einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Längst haben die großen Zeitungen respektlose Karikaturen abgedruckt: Cristina strickt für ihren Iñaki die gestreifte Gefängniskluft, sie bringt ihm im Henkelmann Butterbrote und in der Thermosflasche Kaffee zur Besucherstunde. Mittlerweile lebt sie mit den vier Kindern in Genf, eine spanische Bank, kontrolliert von Politikern aus den Reihen der PP, hat sie dorthin als Repräsentantin entsandt.

Doch ausgerechnet aus der königstreuen Partei droht dem Paar nun besondere Gefahr: Der frühere Regionalpräsident der Balearen, Jaime Matas, wegen seiner Verstrickung in diverse Finanzaffären bereits zu sechs Jahren Haft verurteilt, hat nun angekündigt, in der Affäre um Urdangarin "reinen Tisch zu machen". Matas erhofft sich davon einen Strafnachlass, für Urdangarin könnte es einen Aufschlag geben. An jedem Prozesstag hat er Gelegenheit, sich mit dieser Perspektive auseinanderzusetzen: Der Weg zum provisorischen Gerichtsgebäude führt am Gefängnis vorbei.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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