Das ist schön:Platz hat's

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Über die Frage, wie eng Kultursäle auch nach Corona bestuhlt werden sollen, wird schon jetzt diskutiert. Im Bild das Lustspielhaus im ersten Herbst der Pandemie. (Foto: Catherina Hess)

Kulturbetrieb bei 75 Prozent Auslastung - gut oder schlecht? Das Lustspielhaus jedenfalls kehrt nicht mehr zur Vor-Corona-Bestuhlung zurück.

Von Oliver Hochkeppel

Richtig voll kam es einem nach langer Zeit mal wieder in den kleinen Kulturtempeln vor. Ob in der Unterfahrt, in der Pasinger Fabrik oder im Lustspielhaus, jeder verfügbare Platz war besetzt, die Stimmung prächtig, die Energie im Raum für die Künstler wieder spürbar. Alles wie früher also, vor Corona? Nicht ganz. In Wahrheit waren es ja weniger Zuschauer, nur 75 Prozent der alten Auslastung eben. "Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie wir hier mal 100 Prozent reinbekommen haben", sagt die fürs Organisatorische in der Unterfahrt zuständige Anna Schluifelder.

"Alle sind entspannter", sagt Till Hofmann

Erinnern ist wichtig. Manches war vor Corona gar nicht so schön, wie wir es uns heute einbilden. Man hatte sich halt über die Jahre an vieles gewöhnt. Zum Beispiel daran, das Lustspielhaus schon mal mit schmerzendem Knie oder blauen Flecken zu verlassen. Bis zu fünf Stühle an den winzigen runden Tischen, da war oft eine Extremität im Weg. Dahin zurück soll es nicht mehr gehen. "Wir werden es so lassen, wie es jetzt ist", hat Till Hofmann unter dem Eindruck der Martina-Schwarzmann-Premiere gesagt. "Das ist perfekt so. Alle sind entspannter." Buchstäblich mehr Raum für die Kultur also. Und was ist mit der Wirtschaftlichkeit? "Wir werden über die Pachten reden müssen", sagt Hofmann trocken. Und sicher über Preise. Im Zuge der allgemeinen Kostensteigerungen wird auch das Grundnahrungsmittel Kultur sowieso teurer werden.

Das also könnte ein positiver Corona-Effekt werden: Darüber nachzudenken, ob man immer alles herausholen muss, was herauszuholen ist. Die Veranstalter haben in den vergangenen zwei Jahren ohnehin lernen müssen, wie man mit weniger auskommt. Und die Vermieter haben angesichts des wachsenden Gewerbe-Leerstands hoffentlich auch begriffen, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Von der über das ewige Mietenwachstum ganz vergessenen Verpflichtung des Eigentums aufs Gemeinwohl, wie es in der Bayerischen Verfassung steht, mal ganz abgesehen. Bleibt die Frage, wie viele dem Beispiel folgen, auf das Prinzip der Profitmaximierung zu verzichten. Und sei es nur, damit man einen Veranstaltungssaal ohne Knieschmerzen verlassen kann. Das wäre schön.

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