Tierischer Traditionslauf:Die mit den Ochsen rennen

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Alle vier Jahre reiten Münsinger auf ihren Viechern um die Wette - diesmal werden 15 000 Besucher erwartet. Thomas Sebald und Michael Pfatrisch müssen die Tiere in den nächsten vier Wochen noch an sich gewöhnen.

Von Benjamin Engel

Der 17-jährige Thomas Sebald redet dem 850-Kilo-Koloss gut zu, ganz leise, streichelt ihn - und besticht ihn auch gerne mit einem Leckerli aus gemahlenem Getreide. Der Bursche vom Staudacherhof muss geduldig sein, wenn er sich seinem Django nähert. Als Sebald versucht, sich auf den Rücken des Ochsen mit schwarzem Fell zu schwingen, bockt das Tier. Sofort bricht der junge Mann ab. Denn ist die Beziehung zwischen beiden erst einmal gestört, wird Django ihm kaum mehr folgen. Und das muss er, wenn in vier Wochen das große Rennen ansteht.

Nur alle vier Jahre treten die wackeren Münsinger Madln und Burschen zum Ochsenrennen an. Bis zu 15 000 Besucher aus dem ganzen Oberland werden am 28. August erwartet. Mit einem viertägigen Volksfest stimmt sich das Dorf auf seinen großen Tag ein.

Die Viecher grasen friedlich auf der eingezäunten und von knorrigen Bäumen bestandenen Weide hinter dem Staudacherhof - der drei Jahre und drei Monate alten Django und sein etwa zwei Monate jüngerer Halbbruder Baze. Eigens für dieses Rennen ziehen die Sebalds auf dem Hof Ochsen auf. Landwirt Thomas Sebald Senior zählt zu den Urvätern der Gaudi mit der Premiere vor 20 Jahren. Er erinnert sich, dass Gastwirt und Metzger Joseph Großmann die Idee zum Verein "D' Ochserer" mit anderen aus einer Laune heraus bei einem Frühschoppen entwickelt habe. Zudem inspirierte sie die Serie "Irgendwie und Sowieso", in einer Folge nimmt darin Schauspieler Ottfried Fischer mit seinem Ringo an einem Ochsenrennen teil. Die Premiere von 1996 sei eine "Riesen-Gaudi" gewesen, sagt Sebald. Damals hätten sie lediglich die Genehmigung für das Festzelt eingeholt und seien dann einfach mit ihren Ochsen am Renntag auf der Krummleitn zwischen Holzhausener und Degerndorfer Straße geritten.

Michael Pfatrisch (l.) und Thomas Sebald bereiten Baze und Django auf das Rennen in vier Wochen vor. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zur sechsten Ausgabe ist der bürokratische Aufwand ungleich größer: Erstmals findet das Rennen auf der Hertawies westlich der Holzhausener Straße statt. Thomas Sellmeier von der Münsinger Feuerwehr hat dafür ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet. Alle wichtigen Aspekte rund um Rettungswege, Straßensperrungen und Parkplätze sind darin zu beachten. Schließlich erwarten die Organisatoren um die beiden Vereinsvorsitzenden Peter Bauer und Anton Leinbach solche Besuchermassen, dass sie Zuschauer aus der näheren Umgebung bitten zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu kommen.

Bevor es soweit ist, warten auf Thomas Sebald Junior und den 25-jährigen Michael Pfatrisch - er reitet auf Baze - noch so einige Geduldsproben. Während der Jüngere zum ersten Mal am Ochsenrennen mitmacht, war der Ältere schon vor vier Jahren dabei. Damals schied er im Halbfinale aus. Doch um das Gewinnen gehe es ihm ohnehin nicht. Denn ob der Ochse beim Rennen laufe oder stehen bleibe, sei Glückssache. Das mache gerade den Spaß aus. "Das ist ja kein Pferderennen. Wenn der Ochse stehen bleibt, ist das ja gerade die Unterhaltung", sagt Pfatrisch. Seit einem Monat trainieren er und Sebald schon intensiv mit ihren Ochsen - zwei bis drei Stunden am Tag. Sie legen den Tieren Halfter an und führen sie hinter sich her. Jetzt müssen die beiden es in den verbleibenden vier Wochen noch schaffen, dass die Ochsen sie auch als Reiter akzeptieren. Damit die Tiere sich langsam an das Gewicht gewöhnen, legen Sebald und Pfatrisch ihnen zuerst Sandsäcke auf. "Die müssen merken, dass es nichts Außergewöhnliches ist, wenn sie was tragen." Schließlich müssen sie auch noch lernen, den Bauchgurt anzulegen, an dessen Lederschlaufen sich die Reiter festhalten.

Beim letzten Lauf vor vier Jahren legte sich Georg Kühn auf Bertl ins Zeug. (Foto: Hartmut Pöstges)

Django und Baze haben denselben Stier aus der Rasse der Weißblauen Belgier zum Vater. Weil die Mutter von Django ein Braunvieh war, hat das Tier ein dunkles Fell. Baze ist dagegen weiß. Seine Mutter war ein Fleckvieh. Bei der Geburt wiegen die Kälber etwa 40 Kilogramm, nehmen jeden Tag schließlich mehrere Kilogramm zu. In den vergangenen Jahren waren die beiden Ochsen auf der Seelackenalm nahe des Sudelfeldgebiets. Pfatrisch erklärt, dass die hügeligen Almböden die Muskulatur der Tiere stärkten. Und das sei wichtig. Schließlich müssten die Tiere gesund sein, um beim Rennen mitlaufen zu dürfen. So untersuche ein Amtstierarzt die Ochsen und nehme ihnen sogar Blut ab. Auch wichtig: viel Wasser. Die Ochsen dieser Größe brauchen etwa 40 bis 50 Liter, an warmen Tagen noch mehr. Die Tiere müssen mindestens 30 Monate alt sein, um Mitlaufen zu dürfen. Ihr Wert: 2000 bis 3000 Euro.

Rückt der Termin des Ochsenrennens näher, helfen viele im Dorf mit, erklärt Thomas Sebald Senior. Neben den Vereinsmitgliedern der Ochserer packen die Mitglieder vom Münsinger Burschenverein mit an. Mitarbeiter vom Bauhof helfen ebenfalls mit. Denn es gibt viel zu tun - vom Aufbauen der Startboxen und Absperren der Hertawies bis zum Verkaufen der Festzeichen. Die Ochsen müssen auch gut an die vielen Menschen gewöhnt sein: Denn beim Aufgalopp der Renntiere und Reiter im Festzug drängen sich Tausende dicht an dicht am Wegesrand.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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