Sieber:Hochbetrieb in der Wurstfabrik

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Am Mittwoch rückt erst die Staatsanwaltschaft an, dann kommen die Behörden zum Runden Tisch - und nicken einen ersten Leitfaden für ein neues Hygiene-Konzept ab

Von David Costanzo, Geretsried

Drei Wochen war die Großmetzgerei Sieber wie eingefroren. Die Produktion in der Böhmerwaldstraße steht. Die Mitarbeiter müssen nach dem Listerien-Skandal zu Hause bleiben. Das Fleisch liegt eiskalt im Kühllager. Doch der Mittwoch wird ein heißer Tag, ein womöglich entscheidender Tag. In der Wurstfabrik bricht Hochbetrieb aus: Die neue Kundschaft gibt sich die Klinke in die Hand - darunter erwartete wie ungebetene.

Letztere rückt schon gegen sieben Uhr in der Frühe an: 20 Beamte der Kripo und ein Staatsanwalt knöpfen sich fünf Adressen vor. Sie fahnden vor allem nach den Ergebnissen früherer, interner Listerien-Kontrollen. Darum durchsuchen sie nicht nur die Wurstfabrik in Geretsried, sondern auch das Privathaus des früheren Chefs Dietmar Schach im Landkreis Starnberg sowie drei Lebensmittellabore - zwei im Großraum München und eines in Baden-Württemberg.

Kistenweise schleppen die Ermittler Unterlagen in die Autos. Am Ende der Aktion haben sie 50 Aktenordner beschlagnahmt. Die Computer lassen sie stehen, aber sämtliche Daten ziehen sie auf eigene Festplatten. "Wir haben ein paar Sachen abgeholt", sagt Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich. Jetzt geht es an die Auswertung.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft München II lautet: Verdacht des Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz. Daran hat sich laut Heidenreich im Lauf der bislang zweiwöchigen Ermittlungen nichts geändert. Das Verfahren richte sich konkret gegen einen Verantwortlichen der Firma Sieber. Und das Unternehmen, sagt Sprecher Erich Jeske, ist alles andere als überrascht.

Gegen zehn Uhr ist die Aktion laut Staatsanwaltschaft beendet. Dabei geht es um die Vergangenheit. Von elf Uhr an um die Zukunft, so es denn noch eine gibt: Die nächsten Besucher steigen die weißgekachelten Treppen der schmucklosen Werkshalle hinauf. Es ist das erste große Treffen aller beteiligten Behörden, der erste Runde Tisch, den der frühere Sieber-Chef Schach gefordert hatte - und den man ihm nach eigenen Angaben verweigert habe, was die Behörden bestreiten. Nun sitzen die Verantwortlichen an einem Tisch, der tatsächlich rund ist - der vorläufige Insolvenzverwalter Josef Hingerl samt Mitarbeiter, der von ihm beauftragte Sachverständige Dieter Elsser-Gravesen, der eigens aus Dänemark einflog, Vertreter des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, von Regierung von Oberbayern und Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen. Der frühere Chef Dietmar Schach ist auch dabei, auch wenn er nicht mit am Tisch, sondern in der zweiten Reihe sitzt.

Der Sachverständige hat viel Erfahrung mit Listerien in der Lebensmittelindustrie. Er stellt seinen Leitfaden für ein Konzept vor, mit dem Sieber künftig bakterienfrei produzieren können soll. Das eigentliche Konzept liegt laut Landratsamt noch nicht vor, sondern Anleitung dazu. Es wird noch dauern, bis Sieber wieder produzieren kann - auch wenn Insolvenzverwalter Hingerl am liebsten morgen den Wurstkessel einheizen würde. Immerhin: Diesen ersten Leitfaden nicken die Behörden ab. Es fehlen noch ein Konzept, die Umsetzung, eine Genehmigung, eine Probeproduktion, wochenlange Kontrollen - und ob dann am Ende die Kunden noch zu Sieber-Wurst greifen, ist offen. Der Insolvenzverwalter ist zuversichtlich.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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