Politiker-Derblecken:Pakt mit dem Eibl in Krämmelshausen

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Beim Wolfratshauser Starkbieranstich lässt die Loisachtaler Bauernbühne Bürgermeister Heilinglechner einschlafen - und schickt ihn in einen abgedrehten Albtraum mit düsteren Zukunftsvisionen und bizarren Koalitionen.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Was tut man, wenn die Realität wenig Aufregung bietet? Man träumt sich in eine andere Welt. Diesen Kunstgriff hat auch die Loisachtaler Bauernbühne bei ihrem Stück angewendet, das sie beim Starkbieranstich am Freitag in der voll besetzten Loisachhalle gezeigt hat. Die Gruppe, die wieder im gesamten Ensemble auftrat, hatte ein weitgehend skandalfreies politisches Jahr als Ausgangsmaterial. Und so ließ sie Bürgermeister Klaus Heilinglechner, gespielt von Andreas Wastian, kurzerhand einschlummern - und schickte ihn auf eine psychedelische Reise in sein Unterbewusstsein, wo er in eine düstere Zukunft blickt. Für den Spaß des Publikums eine weise Entscheidung. Schließlich lässt sich's im Schlummerland richtig entfesselt derblecken.

Nachdem Evelyn Hörschelmann ihn zur Melodie vom "Jungen mit der Mundharmonika" in den Traum geschickt hat, findet sich der staunende Rathauschef in einem Raum mit Wolken-Toren und einer geflügelten Wolfsstatue wieder. Das von Max Prestel und seinem Team gestaltete Bühnenbild stellt das "Vorzimmer zum Bürgermeisterhimmel" dar, wie er sogleich von Wiggerl Gollwitzer belehrt wird. Der spielt, wie schon beim "Brandner Kasper", den Portner, der die Himmelspforte bewacht - und feststellt, dass Heilinglechner noch zwei Jahre bis zur Kommunalwahl hat, bei der er wieder kandidiert: "Für deine Verhältnisse is des scho... mutig", stellt der Portner fest. Denn: "Fettnapf - dein Name ist Klaus."

Im Himmel darf Heilinglechner ungestraft vom Kaiserspeck kosten und einen bangen Blick in seine Zukunft werfen. Den gewährt ihm das Orakel, das Christine Dillinger herrlich larmoyant als Grantlerin über einem Weißwurtskessel verkörpert. Und so muss er gleich bezeugen, wie der Werbekreis-Chefin und "Frau des immerhin Zweiten Bürgermeisters" Ingrid Schnaller (Christine Brauner) unter Donner der Leibhaftige erscheint: CSU-Stadtrat Günther Eibl, den Tom Janoschi mit weiß geschminktem Gesicht genüsslich diabolisch zum Mephisto macht. "Ach du Schande - da Eibl!" ruft "die Schnallerin". Aber dann bietet der ihr einen unwiderstehlichen Pakt an: eine Koalition mit der CSU, in der sie zweite Bürgermeisterin wird. In seiner Verzweiflung ergreift Heilinglechner dann selbst ungewöhnliche Maßnahmen - und macht seinem pedantischsten Kritiker auf Knien einen Antrag: dem Grünen-Stadtrat Hans Schmidt (Michael Hanak), der auf dem Fahrrad vorbeikommt. Heilinglechner gewährt ihm sein Radwegenetz und die Baumschutzverordnung, wenn Schmidt seine Redezeit in Sitzungen auf eine Minute verkürzt, mit maximal zwei Fremdwörtern pro Beitrag.

Doch der Ärger hört nicht auf: Nicht nur, dass ihn CSU-Stadtrat Alfred Fraas, den Franz Foitzik als Tunnel grabenden Maulwurf mit Vollbart spielt, an sein unglücklich montiertes Weidacher Ortsteilschild erinnert. Es kommt auch noch der ganze Bautrupp aus der Nachbarstadt "Krämmelsried": Bürgermeister Michael Müller (Christian Foitzik) und die Stadträte Hans Hopfner (Max Prestel) und Gerhard Meinl (Florian Roth). Die zeigen dem zerknirschten "Heili" nicht nur, dass man Bürgerbegehren auch einfach wegignorieren kann. Sie stellen zudem fest, dass man auch im Himmel viel mehr verdichten müsste und betonieren Wolfratshausen kurzerhand zu einem einzigen Parkplatz. Wo soll das nur hinführen? Ein Blick in das Jahr 2025 klärt es auf: Die Nachbarstadt hat das geliebte "Wor" längst verschluckt. Und "Krämmelshausen" wird vom einzigen würdigen Regenten geführt: Edmund Stoiber, den Hermann Paetzmann in einer feierlich gestammelten Schlussrede verkörpert. Als Heilinglechner endlich aus seinem Albtraum erwacht, schwört er: "Liaba in die nächste Stadtratssitzung ois wia no amoi in so am Himmi kemma!"

Den Zuschauern aber hat die Bauernbühne mal wieder einen unvergesslichen Abend beschert: mit einem Trip, bizarrer als jeder saubere Rausch mit Traunsteiner Starkbier. Das hatte zuvor die bayerische Bierkönigin Lena Hochstraßer angezapft.

Klaus Heilinglechner (rechts, mit Ehefrau Christine und Florian Streibl) bewahrt im Publikum tapfer seinen Humor. (Foto: Hartmut Pöstges)
© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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