Penzberg:Wildwuchs der Kleingärten

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Rasen und Beete hier, Schrott und Lärm dort: Die Stadt will Ordnung und Ruhe in die Parzellen bringen.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Es ist ein verwunschener Ort zwischen Supermarkt und Bahngleisen. Manchmal sogar ein wenig düster. Verschlungene Pfade, die plötzlich im grünen Nirgendwo enden. Hohe Bäume, wilde Hecken. Dazwischen auch viel Licht. Lauben und Gärten, die mit Liebe gepflegt werden. Willkommen in der Kleingartenanlage Breitfilz. Dort ist alles zu finden: akkurat geschnittener Rasen, Beete mit Stangenbohnen und Kohlrabi, Blumenrabatten und Schaukeln für Kinder. Nicht alle der etwa 350 Parzellen präsentieren sich so adrett. Müll, Schrott und moderndes Holz türmen sich auf manchen Grundstücken. Etliche sind stark verwildert. Rettungskräfte haben in diesem Labyrinth keine Chance, sich zu orientieren. Die Stadt Penzberg plant, dort Ordnung zu schaffen.

Seit 38 Jahren pflegt Rudi Reiterer seine Gartenparzelle mitten im Naturschutzgebiet. An diesem sonnigen Dienstagvormittag steht er barfuß auf der Wiese. Bester, weicher Torfboden, sagt der 75-Jährige. Wie die übrigen Pächter hat auch er ein Schreiben von der Stadt bekommen mit der Bitte, seine Parzelle auf dem Lageplan einzuzeichnen. Dass man im Rathaus endlich dem Wildwuchs ein Ende bereiten wolle, findet Rudi Reiterer gut. "Jeder muss halt seine Parzelle sauber halten", sagt er. Er zahlt für seine 440 Quadratmeter 170 Euro im Jahr. In seinen Beeten blühen Tagetes, Rittersporn und Dahlien. Viele Jahre habe die Stadt sich nicht um die Kleingartenanlage gekümmert. Ende der 1980er-Jahre sei die Nummerierung der Parzellen angeordnet worden, erinnert er sich. "Vorher hat es nicht mal das gegeben."

Die Kleingartenanlage Breitfilz. (Foto: Manfred Neubauer)

Wie sinnvoll, sogar lebensrettend eine korrekte Nummerierung der einzelnen Parzellen sein kann, berichteten Angelika Rihm vom Liegenschaftsamt und Stadtkämmerer Johann Blank. In dem unübersichtlichen Areal sei es unmöglich, etwa einen Brand zu löschen, da es keine exakten Lagepläne gebe, die Parzellennummern nicht mehr stimmten und vor allem die Wege mit schwerem Gerät oder Ausrüstung nicht passierbar seien, führte Rihm im Verwaltungsausschuss des Stadtrats aus. Einige Pächter hätten sich beschwert über Lärm, Grünabfälle, Müll, Verwahrlosung und anderer Vorkommnisse. Daher gab es im Frühjahr 2017 eine Begehung. Rihm sprach von teilweise chaotischen Zuständen. Holzöfen, die wegen Brandgefahr verboten seien; unerlaubter Wasserentnahme aus dem Moor; Stromaggregate, die in Kleingartenanlagen nicht zulässig seien; nicht artgerechte Tierhaltung. So soll es neben Hühnern, Gänsen, Enten, Ziegen auch Schildkröten und ein Hängebauchschwein geben. Bürgermeisterin Elke Zehetner (parteifrei/SPD) berichtete, es seien in der Anlage sogar viele tote Tiere in einer Hütte entdeckt worden. Wegen der schlechten Wege habe der Besitzer im Winter seine Parzelle nicht mehr erreichen können, die Tiere seien verendet.

Schilder vor Ort informieren bereits über Geldbußen von bis zu 100.000 Euro. (Foto: Manfred Neubauer)

Nicht nur die Kleingartenanlage Breitfilz steht im Fokus der Verwaltung. Es geht auch um die Anlage an der Wankstraße mit etwa 78 Parzellen und im Gleisdreieck mit etwa 20 Parzellen. "Circa-Angaben deshalb, weil wir keine genaue Kenntnis davon haben, wie viele Parzellen es tatsächlich gibt. Manche Pächter haben mehrere zusammengelegt", sagte Rihm.

Nicht immer zahlten die Kleingärtner auch für die größeren Grundstücke. Kurzum: Rihm und Blank plädierten dafür, die drei Anlagen künftig stärker zu kontrollieren und genau festzuschreiben, was dort erlaubt ist und was nicht. Derzeit fehlt es der Verwaltung an einer Rechtsgrundlage, auf der sie tätig werden kann. Die bestehenden Pachtverträge seien inhaltlich wenig präzise, heißt es.

Auch Swimmingpools sind den Naturschützern ein Dorn im Auge. (Foto: Manfred Neubauer)

Manche Lauben dürften so gar nicht bezeichnet werden. Vielmehr handle es sich um Schwarzbauten, sagt Blank. Seine Mitarbeiterin Rihm hat auch dies auf vielen Fotos festgehalten. Die Häuser ähneln eher russischen Datschen. An manchen Tagen liefen so viele Stromaggregate, dass es ihm zu laut sei, berichtet Rudi Reiterer. Mehr Kontrolle sei schon in Ordnung, sagt er. Aber nicht auf Kosten der Individualität. Alle Lauben in Reih und Glied, das sei nicht sein Ding. Und wie die Stadt auf dem Moorboden gut befestigte Wege für Rettungskräfte schaffen wolle, sei ihm ein Rätsel.

Kleingartler Rudi Reiterer hat einen vorbildlichen Garten. (Foto: Manfred Neubauer)

Mehrere Jahre musste sich Cordula Kalthoff mit ihrer Familie für ihr eigenes Stückchen Land gedulden. "Die Warteliste für die Parzellen ist lang." Nun wachsen Himbeeren und viel Gemüse im Garten und es bleibt Platz für ihr Baby zum Spielen. "Wir sind dankbar, dass man hier so frei seinen Garten gestalten kann", sagt sie. Das sei das Besondere am Breitfilz. Dass manche ihre Parzellen verkommen ließen, finde sie nicht gut. Manchmal frage sie sich, warum die Stadt diese Gärten nicht an Leute weitergibt, die so gerne endlich ein Stückchen Grün hätten - "wie wir." Wenn die Stadt nun verstärkt ein Auge auf den Wildwuchs haben wolle, begrüße sie das. Aber bitte kein Überreglementieren.

Genau das möchte auch Stadtrat Michael Zöller (SPD) verhindern: Müllentsorgung, Naturschutz, Brandschutz - all dies seien berechtigte Anliegen, doch klinge ihm das zu bürokratisch. Ihm wäre wohler, wenn die Stadt den Pächtern nicht ein Konzept überstülpen, sondern sich dort Ehrenamtliche zu einem Beirat zusammenschlössen. Dieser könnte mithilfe der Stadt nach Recht und Ordnung schauen.

Blank versicherte, man wolle die Kleingartler "mitnehmen". Deshalb sei eine Pächterversammlung geplant. Dennoch sollten die bestehenden Pachtverträge mit Ablauf des aktuellen Pachtjahres gekündigt werden. Im Anschluss würden den Parzellenmietern neue Verträge auf Grundlage einer neuen verbindlichen Gartenordnung angeboten. Um das alles auf den Weg zu bringen, müssten die Kleingartenanlage zuerst vermessen und im Breitfilz neu nummeriert werden. Auch bedarf es eines Sicherheitskonzepts auf Wunsch der Feuerwehr. "Wir wollen nicht alles abreißen, sondern weitgehend den Ist-Zustand legalisieren", sagt Rihm. Das werde nur nicht immer möglich sein.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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