Öffentlicher Nahverkehr:Hunderte Barrieren sind abzubauen

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Alle Bushaltestellen im Landkreis müssen von den Kommunen überarbeitet werden.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Mehr als 700 Haltestellen gibt es zwischen Icking und der Jachenau, von der kleinen Busbucht irgendwo auf dem Land bis zum Bahnhof in der Stadt. All diese Stationen müssen nach dem Personenbeförderungsgesetz in Bayern bis Januar 2023 völlig barrierefrei sein. Der Landkreis hat deshalb von einem Fachbüro ein Kataster erstellen lassen, das jetzt fertig ist. Für die meisten Haltestellen im Landkreis, die bislang selten barrierefrei sind, tragen die 21 Kommunen als Straßenbaulastträger die Verantwortung. Sie müssten nun mit Behindertenvertretern, Fahrgastverbänden und Verkehrsunternehmen einen Maßnahmenkatalog erstellen, sagte Johann Kunz, Experte für Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) im Landratsamt, im Umwelt- und Infrastrukturausschuss des Kreistags.

Das dürfte teuer werden. Der barrierefreie Ausbau einer Haltestelle kann bis zu 30 000 Euro kosten, wie Vergleichswerte anderer Kommunen zeigen. Die neue gesetzliche Regelung basiert auf der UN-Behindertenrechtskonvention zum Thema Inklusion und ist EU-Recht. Es genügt dabei nicht, einfach nur Niederflurbusse einzusetzen, die behinderten Menschen, Senioren mit Gehhilfe oder Eltern mit Kinderwagen das bequeme Einsteigen ermöglichen. Ebenso wenig reicht es, die Haltestelle selbst barrierefrei zu gestalten - auch alle Wege dorthin müssen künftig behindertengerecht sein. Wenn eine Station bis 2023 nicht umgebaut wird, müsse dies als Ausnahme im Nahverkehrsplan des Landkreises ausdrücklich niedergeschrieben sein, sagte Kunz. Und das mit einer ausführlichen Begründung, warum die Umgestaltung im Einzelnen nicht geschieht oder wann sie in Angriff genommen wird.

Trotz der strengen Vorgaben ist Kunz zufolge allerdings nicht damit zu rechnen, dass jede der mehr als 700 Haltestellen im Landkreis in sechs Jahren barrierefrei sein wird. Dabei verweist der ÖPNV-Fachmann auf jene Stopps, an denen ein oder zwei Fahrgäste am Tag in einen Bus einsteigen. "Vielleicht reicht dort ja auch die eine oder andere kleinere Maßnahme." Ganz anders sieht es an den großen Haltepunkten aus: dem Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) am Isarkai in Bad Tölz, dem Schulzentrum Geretsried oder auch der Busstation am S-Bahnhof Wolfratshausen. Eines stellte Kunz allerdings klar: "Wenn eine Haltestelle bis 2023 nicht gemacht ist, könnte es rechtlich schwierig werden für den Straßenbaulastträger." Danach hat jedermann das Recht, die Barrierefreiheit an einer Station einzuklagen.

Das Kataster, das von einem Fachbüro für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik erstellt wurde, geht ziemlich in die Tiefe. Art und Zahl der Bordsteine, der Bodenbelag, Wartezone, Gehwege und Markierungen, Steigungen und Anfahrtsrichtungen der Busse, Leitsysteme für Sehbehinderte, Fotos vom Ist-Zustand - all dies sei in dem Kompendium für jede einzelne Haltestelle dokumentiert, berichtete Kunz. Die Straßenbaulastträger, zu denen neben den Kommunen auch der Freistaat für Bundesstraßen und der Landkreis für Kreisstraßen zählen, sind nun gefordert, einen Maßnahmenkatalog für den Ausbau der Haltestellen zu erarbeiten. Darin gelte es Prioritäten festzusetzen, so Kunz. Wichtige Kriterien dafür seien relevante Einrichtungen im Umfeld eines Bus-Stopps, beispielsweise Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser oder Behindertenwerkstätten, das jeweilige ÖPNV-Angebot mit Zahl und Takt der Fahrten oder auch das Fahrgastaufkommen. Kreisrätin Cornelia Irmer (Freie Wähler) begrüßte die rasche Fertigstellung des Haltestellenkatasters, das erst im September vorigen Jahres vom Umweltausschuss beschlossen worden war. Sie sieht jede Kommune im Landkreis "in der Verantwortung, sich jetzt mit den Verbänden zusammenzusetzen".

© SZ vom 17.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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