Nach dem Neujahrsbrand in Geretsried:Auf Monate unbewohnbar

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Vier Familien können nicht in ihr Zuhause an der Sudetenstraße zurück. Polizei schätzt Gesamtschaden auf eine halbe Million. Baugenossenschaft und Stadt Geretsried helfen unbürokratisch.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Es sei schon "ein bissel surreal", sagt Wolfgang Werner: Der Geretsrieder SPD-Stadtrat und Sportreferent verbringt den Weihnachtsurlaub mit Frau und fünfjährigem Sohn im Ausland, ruft zu Neujahr bei der Familie in Geretsried an, und da wird ihm schonend beigebracht, dass seine Wohnung ausgebrannt ist. Auch Fotos gibt es dank moderner Technik und sozialen Netzwerken gleich zu sehen. "Da schaut man sich das dann aus der Ferne an ...", sinniert Werner, es sei wirklich schlimm. Der Kleine weine immer wieder wegen seiner verbrannten Spielsachen, zwischendurch komme die Nachricht, einige Elektrogeräte seien noch benutzbar. Die drei Zimmer in der dritten Etage der Sudetenstraße 43 aber sind definitiv unbewohnbar.

Vor dieser Situation stehen nach dem Großbrand in der Nacht auf Neujahr vier Familien. Nach Einschätzung der Gutachter werde die Sanierung des Hauses acht bis zehn Monate dauern, so teilt die Hausherrin, die Baugenossenschaft Geretsried (BG), mit. Wesentliche Bauteile müssten komplett erneuert werden, erklärt BG-Geschäftsführer Wolfgang Selig. Drei Wohnungen müssten entkernt, das Dach neu eingedeckt werden- "was natürlich witterungsabhängig ist".

Die Polizei ist inzwischen, wie ihr Sprecher Jürgen Thalmeier am Donnerstag sagte, zu 99 Prozent sicher, dass der Brand durch eine Silvesterrakete ausgelöst wurde. Der Sachschaden betrage mindestens eine halbe Million Euro. Ob jemals ein Täter (Thalmeier spricht von "zumindest fahrlässiger Verursachung") festgestellt werden kann, scheint fraglich: Auf die Bitte um Hinweise sei bis jetzt gar nichts bei der Polizei eingegangen. Die Frage der Ermittler ist, ob jemand beobachtet hat, dass eine Rakete in Richtung des Hauses abging. Thalmeier räumt ein, das sei bei großen Gruppen, wie sie zu Silvester zusammenstünden, schwierig.

Sowohl die Baugenossenschaft als auch das Rathaus haben sich nach dem Brand umgehend um Soforthilfe bemüht. Bürgermeister Michael Müller (CSU), der sich zusammen mit Ordnungsamtsleiter Werner Frank noch in der Brandnacht selbst einen Eindruck verschafft hatte, zeigte sich "tief erschüttert". Müller ordnete an, dass die betroffenen Familien jeweils 1000 Euro aus einem städtischen Fonds erhalten. Außerdem bot er zwei städtische Wohnungen für den Übergang an. Die Baugenossenschaft kann, wie Selig mitteilt, zusätzlich kurzfristig zwei eigene Wohnungen zur Verfügung stellen. Detailfragen wie die Möblierung müssten noch geklärt werden. Auch die BG gibt den betroffenen Familien jeweils 1000 Euro Soforthilfe.

Voraussichtlich seien drei, eventuell auch vier Wohnungen länger nicht nutzbar, sagt Selig. Bei der vierten Wohnung müsse noch eine genauere technische Analyse vorgenommen werden, um eine solide Entscheidung treffen zu können. Die Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss unter dem brennenden Dachgeschoß seien vom herabfließenden Löschwasser laut Gutachter deutlich weniger beeinträchtigt als zunächst befürchtet.

Eine Fachfirma für Brandschäden hat nach Auskunft des BG-Geschäftsführers die Entsorgung von kaputtem Hausrat übernommen und hilft den betroffenen Mietern auch bei der Entscheidung, was entsorgt werden muss und was wiederhergestellt werden kann.

Wolfgang Werner und seine Familie hatten die genaue Besichtigung der verbrannten Wohnung am Donnerstag noch vor sich, an diesem Tag wollten sie nach Hause zurückkehren. Werner wusste aber schon aus den Schilderungen seiner Verwandten in Geretsried: "Der Ruß, der Gestank - das kann man sich nicht vorstellen." Und seine Frau ahnte, dass der eigentliche Schock erst kommen werde, wenn sie in der Wohnung steht.

Der Brand unter und im Dach des Mehrfamilienhauses in der Sudetenstraße war kurz nach Mitternacht am 1. Januar gemeldet worden. Er breitete sich rasch aus, schließlich standen Teile des Dachstuhls in Brand; die Flammen schlugen meterhoch in den Nachthimmel. Mehr als 20 Bewohner des Hauses waren laut Polizei in Gefahr. Sie mussten ihre Wohnungen verlassen, zwei Personen erlitten nach Angaben der Beamten einen Schock, verletzt wurde jedoch niemand, obwohl das Feuer auch starken Rauch entwickelt hatte.

Im Einsatz waren das Technische Hilfswerk (THW), die Feuerwehren Geretsried, Gelting, Königsdorf und Osterhofen, Ärzte und Sanitäter. Ihnen allen dankt Bürgermeister Müller nachdrücklich. Sie hätten "den Brand stundenlang bekämpft, Menschen vor noch schlimmeren Schäden bewahrt und um das Hab und Gut der Betroffenen gerungen". Auch viele Mitbürger hätten mit Trost und Taten geholfen: "Die Geretsrieder beweisen wieder einmal sehr deutlich, dass Solidarität und Mitmenschlichkeit in unserer Stadt keine leeren Worte sind."

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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