München/Kochel:Streit um Zuglärm in Kochel

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Nachbarn ärgern sich über den Zuglärm: Kochel am See ist die Endstation der Werdenfelsbahn. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Eisenbahnbundesamt fordert seit Jahren vergeblich Lärmmessungen von der Bahn - und klagt jetzt

Von Barbara Briessmann, München/Kochel

"Das Gericht denkt, das müsste man doch hinkriegen mit so einer Messung", meinte der Vorsitzende des 22. Senats im Verwaltungsgerichtshof München am Donnerstag. Thema der Verhandlung war der nächtliche Zuglärm am Bahnhof Kochel. Die Deutsche Bahn Netz AG klagt gegen das Eisenbahnbundesamt. Das fordert nämlich von der DB Netz eine Schallmessung, diese wehrt sich dagegen. Schon mehr als zwei Jahre wird darüber gestritten. Allerdings hat keine der Parteien eine Ahnung, wie sich die Situation am Kochler Bahnhof aktuell gestaltet, ob es überhaupt noch Beschwerden von Anwohnern gibt. "Schwierig, der Zustand des Nichtwissens heute", meinte das Gericht, das eine Entscheidung in dieser Sache nach über vier Stunden Verhandlung "in Ruhe überlegen will" und diese demnächst zustellt.

Die Lage ist verzwickt: Die DB Netz stellt die Infrastruktur zur Verfügung, vermietet an Eisenbahnbetreiber wie die DB Regio. Allerdings ist der Vermieter verantwortlich dafür, was auf seinen Gleisen passiert. Über Jahre waren im Umweltreferat des Bundesamts Beschwerden von Kochlern eingegangen, deswegen forderte das eine Messung, die von der Netz AG vorgelegt werden sollte. Denn in der Gemeinde am See hatten die Bürger schon selbst einmal eine Messung durchgeführt, die nächtliche Werte von 55 bis 75 Dezibel ergab. "Bedenklich", so der Vorsitzende am Donnerstag. Ansonsten habe es keine Messungen gegeben. "Lärmempfinden und Beschwerden" seien immer etwas Subjektives, meint Rechtsanwalt Andreas Geiger, der die DB vertritt.

Was denn inzwischen in Kochel passiert sei, möchte das Gericht wissen. Angeblich wird Gleis 4, das direkt ans Wohngebiet grenzt, nicht mehr genutzt. Das bedeute aber nicht, dass es künftig nicht mehr genutzt werde, wurde zu Protokoll gegeben. Schon im vergangenen Jahr hatte die Bahn angekündigt, Fahrzeuge nur noch im sogenannten Fahrzeugzustand vier in Kochel abzustellen. "Das ist energiesparend, lärmoptimiert, leiser", so der Vorsitzende Richter. "Damit hat sich das Problem doch gelöst", meinte er, auf eine Einigung drängend zwischen den Parteien drängend.

Hat es aber nicht, wie eine Nachfrage bei Thomas Weißenborn zeigt, der Verkehrsexperte der Kochler SPD, Pro-Bahn-Mitglied und täglicher DB-Kunde ist. "Es ist besser geworden, aber nicht zufriedenstellend", so sein Zwischenfazit. Es stimme, dass Gleis 4 nicht mehr Abstellgleis sei, "außer in Ausnahmefällen". Dass die Anwohner am Bahnhof jetzt ruhig schlafen könnten, sei aber ein Irrtum. Auch sei bei den meisten Triebzügen der Fahrzeugzustand vier, aber "zum Teil funktioniert das nicht, da bekommen wir andere Wagen". Was die Kochler aber weiter aus dem Schlaf reiße, seien die "Knallgeräusche, das Schießen", wenn die Druckluft nach dem Abstellen oder vor Inbetriebnahme abgeführt wird. Inzwischen sei der gesamte Gemeinderat von Kochel inklusive Bürgermeister "stocksauer". Auch deswegen, weil an unbeschrankten Übergängen inzwischen nicht nur ein Signal, sondern gleich ein Notsignal ausgeführt werde. "Das muss abgestellt werden", so Weißenborn.

Die neue Formulierung des Bescheids, den das Bundesamt mit dem Gericht fand, wird den Kochlern kaum Hoffnung machen. Darin wird die DB Netz AG nur noch aufgefordert, Messungen dann zu machen, wenn ein Zug heruntergefahren ist und bevor der erste Zug hochgefahren wird. In der Zeit dazwischen laufen nur die Aggregate. Eine Entscheidung des Gerichts in der Sache wird den beiden Kontrahenten in den nächsten Wochen schriftlich zugestellt.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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