Geretsrieder Starkbieranstich:"Mia san mia, ihr auch"

Lesezeit: 2 min

Bei seiner traditionellen Fastenpredigt auf dem Geretsrieder Starkbierfest teilt Ludwig Schmid als Bruder Barnabas ordentlich aus. Stadträte und Bundespolitiker bekommen ihr Fett weg. Er stimmt aber auch versöhnliche Töne in Richtung Nachbarstadt an.

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Die Stadt Geretsried - jung, ständig auf der Suche nach sich selbst und nicht gerade typisch bayerisch - pflegt ihre Traditionen. Zu diesen zählen das Starkbierfest der Gartenberger Bunker-Blasmusik und der dortige Auftritt des stadtbekannten Bäckers Ludwig Schmid als Fastenprediger Bruder Barnabas. Schonungslos und mit teils ernsten Tönen hat dieser am Wochenende ausgeteilt - gegen die Politik im eigenen Ort, gegen die Nachbarstadt Wolfratshausen und gegen die Große Koalition in Berlin: "Da tun sich schwarze Halbstarke mit roten Zwergen zusammen und meinen, sie sind groß."

Beim großen Derblecken zum Starkbieranstich zeigte sich Barnabas mitunter messerscharf. "Wacht's auf aus eurem Kuschelmodus", forderte er die Geretsrieder Parteien und Fraktionen auf. Gleich zum Einstieg musste die CSU einstecken: "Der Name ist Programm, Chaoten, Spezialisten, Unruhestifter." Anstelle einer Großen Koalition gebe es im Stadtrat eine "KoKo - eine Komplett-Koalition".

Deutliche Worte fand Bruder Barnabas auch zur Regierungsbildung in Berlin: "Mir wäre eine Minderheitsregierung im Bund durchaus sympathisch gewesen", sagte er, "da hätten wir tatsächlich mal eine an den Themen ausgerichtete Sachpolitik machen müssen."

Bei Starkbier und Schmankerln gab es einiges zu lachen, aber auch zum Nachdenken. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Publikum lauschte zu Beginn der Fastenpredigt in konzentrierter Stille; vereinzelt brach aus der einen oder anderen Ecke Gelächter oder spontaner Applaus hervor, die große Menge aber konnte über die scharfen Statements zunächst nicht lachen. Das änderte sich, als Bruder Barnabas den Karl-Lederer-Platz aufs Tapet brachte. "Lieber Bürger, schaue nach Moskau und lerne für Geretsried. Ein jeder Russe weiß: Leg dich nicht mit dem Krämmel an." Kräftigen Applaus gab es für Barnabas' Forderung, das "Geretsrieder Alleinstellungsmerkmal - das kostenfreie Parken" für die entstehende Tiefgarage zu wahren. Apropos Verkehr: Lobend äußerte sich Bruder Barnabas über die Idee des Wolfratshauser Stadtrats Alfred Fraas, für 150 Millionen einen Tunnel von Egling bis Geretsried zu bauen. "Dass ja keiner mehr nach Wolfratshausen kommt! Das beruhigt ungemein. Nicht nur verkehrstechnisch", flachste Barnabas.

In einer Geretsrieder Fastenpredigt auf die Seitenhiebe gegen Wolfratshausen zu verzichten, das käme einem Bruch mit den Traditionen gleich. Doch heuer teilte Barnabas nicht nur aus, er schlug auch versöhnliche Töne an - ganz zur Freude des Geretsrieder Publikums. Für die Erkenntnis "Wir im Norden könnten leicht sagen: Mia san Mia. Wir wissen's nur noch nicht" gab es begeisterten Jubel und Applaus. Die Schuld an den Konflikten im Nordlandkreis suchte Barnabas bei Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler), einem "Tölzer Fuchs". Geretsried hätte für sein eigenes neues Hallenbad bereits Grund und Geld gehabt. "Doch bevor sich der Landkreisnorden weiterentwickelt, nutzt der Niedermaier die Chance und schlägt ein interkommunales Hallenbad vor. Weil bis das einmal gebaut wird, tut sich der Nordlandkreis schon streiten bis aufs Blut." Mit den Betriebskosten werde alles noch schlimmer werden. "Eine unendliche Geschichte", sagte Bruder Barnabas. "Immer wieder lasst ihr euch gegeneinander ausspielen." Der Grund: Solange sich Wolfratshausen und Geretsried nicht vertragen, könne der Süden machen, was er wolle. "Wenn sie euch also aus dem Süden das nächste Mal einen Stock zwischen die Füße schmeißen, fangt nicht gleich wieder das Hackeln an. Hebt das Stöckchen auf und schmeißt es zurück."

Ludwig Schmid alias Bruder Barnabas hielt seine Fastenpredigt im knallvollen Ratsstubensaal. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zuletzt wagte Barnabas einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. "Vielleicht erlebe ich ja sogar noch, dass sich die Wolfratshauser und die Geretsrieder vertragen." Darauf ließ er das Publikum aufstehen und sich mit dem Gesicht in Richtung Wolfratshausen drehen: "Dann öffnet die Arme als Zeichen der Freundschaft, und dann rufen wir gemeinsam Richtung Wolfratshausen, vielleicht kommt es ja irgendwann auch zurück." Und so rief ein bis auf den letzten Platz gefüllter Ratsstubensaal mehrmals "Mia san Mia, ihr auch" dem Nachbarort entgegen. "Und wisst ihr, was das Beste daran ist, wenn man sich nach Wolfratshausen dreht?", fragte Bruder Barnabas. "Der Arsch zeigt nach Süden."

Vom Publikum gab es dafür lang anhaltenden Applaus im Stehen.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: