Rekordflug:Nachwuchspiloten segeln fast 1000 Kilometer auf Föhnwelle

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Über den Alpen - hier das Inntal in der Nähe Rofan-Gebirges: Die beiden Piloten dokumentieren ihren Rekordflug ständig per Kamera und Selfie-Stick. (Foto: Segelflugzentrum Königsdorf)

Mit rund 957 Kilometern ist an diesem Tag weltweit niemand so weit geflogen wie sie. Bis zum Vierwaldstätter See in der Schweiz gleiten sie nach Westen - und zurück.

Von Benjamin Engel, Königsdorf

Um Punkt 7.30 Uhr geht die Sonne am dem Segelflugplatz in Königsdorf auf. Ein Tiefdruckgebiet weit im Westen facht am vergangenen Sonntag starken Föhnwind an. Mit bis zu 90 Stundenkilometern bläst er aus Südwest. Nur dank dieser seltenen Wetterkonstellation können die jungen Segelflieger Benjamin Bachmaier und Vincent Heckert an diesem Morgen überhaupt mit ihrem Zweisitzer abheben.

Denn bei der schwachen Sonneneinstrahlung im Winter fehlen den Segelflieger normalerweise die thermischen Winde, um aufsteigen zu können. Der Föhnwind ermöglicht den beiden Männern auch ein Rekord: Mit rund 957 Kilometern ist an diesem Tag weltweit niemand so weit geflogen wie sie. Bis zum Vierwaldstätter See in der Schweiz gleiten sie nach Westen - und zurück.

Föhnfliegen gilt im Segelflugsport als Königsdisziplin. Bläst der warme Wind von Süden über die Alpen hinweg, bilden sich Luftschwingungen - sogenannte Leewellen. Für den 24-jährigen Bachmaier ist die besondere Energie in der Luft an solch seltenen Föhntagen mit starkem Wind das Beeindruckendste. "Die Aufwinde heben das Flugzeug bis zu zehn Meter in der Sekunde nach oben. Das ist faszinierend", sagt er.

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Gleichzeitig ist das Fliegen in den Alpen bei so hohen Windgeschwindigkeiten anspruchsvoll. Zwischen den zackigen Gipfeln können vor allem unter 3000 Metern Höhe heftige Turbulenzen das Segelflugzeug treffen, es schnell absacken lassen, anheben oder zur Seite drücken. "Man muss das Flugzeug ständig austarieren", erklärt Bachmaier.

Der 24-Jährige hat schon 2007 den Flugschein gemacht

Der junge Mann ist in Wolfratshausen aufgewachsen. Bereits 2007 hat er den Segelflugschein gemacht und ist vor rund sechs Jahren zum ersten Mal bei so starkem Föhn geflogen. Eine solche Wetterkonstellation gibt es meist höchstens zweimal im Jahr. Er ist froh, dass ihn der 19-jährige Heckert begleitet hat. So habe einer sich mehr auf das Fliegen und der andere auf den Funkkontakt konzentrieren können, sagt er. Beide sind versierte Segelflieger. Sie nehmen in diesem Jahr an der Deutschen Segelflugmeisterschaft der Junioren teil.

Auch beim Segelflugzentrum ist man begeistert. "Ich freue mich für die beiden", sagt Sprecher Mathias Schunk. Der Erfolg komme nicht von ungefähr - die Piloten seien die "Top-Youngsters" vor Ort.

Zum Start vor vier Tagen zieht Sepp Eberl mit seinem Schleppflugzeug den Segelflieger zunächst hinter sich her. Über dem Walchensee klinken sich die jungen Männer aus. Im Eschen-Leinetal treffen sie auf den ersten Aufwind. Die Luftströmung trägt sie Richtung Inntal und Arlberg. Im Montafon bläst ein besonders starker Aufwind. Mit mehr als zehn Metern pro Sekunde reißt der das Flugzeug wie mit einem Aufzug nach oben.

Auf 4600 Metern brauchen die beiden ihr Sauerstoffgerät

Über dem Vierwaldstädter See müssen die Segelflieger schließlich in einer Höhe von 4600 Metern umkehren. Gegen 10.45 Uhr steht die Schlechtwetterfront kurz vor ihnen. Die Außentemperatur zeigt jetzt minus 18 Grad. Eine Heizung gibt es im Flieger nicht. Doch die jungen Männer haben ein Sauerstoffgerät mit, um die dünne Luft besser auszuhalten.

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Die Beiden tragen mehrere Kleidungslagen im Zwiebelschichtprinzip und dicke Stiefel. Trotzdem wird es kalt an den Füßen. "Mehr als Null Grad hat es im Cockpit nicht", sagt Heckert. Für ihn ist es der weiteste und längste Segelflug in seinem Leben. Erst 2013 hat er den Schein gemacht. Die Faszination aus Freiheit und sportlichem Fliegen treibt ihn an. Die Schlechtwetterfront vor sich zu sehen, sei richtig spektakulär gewesen, sagt er. Bei Föhn wirkten die Farben intensiver. Es sei zu spüren, dass etwas vor sich gehe.

Vom Vierwaldstätter See geht es zunächst wieder nach Landeck in Tirol zurück. Von dort noch einmal westlich von Bad Ragaz in der Schweiz. Dann fliegen die Männer bis zum Rofan am Inntal und noch einmal bis zum Arlbergpass - immer bis kurz vor die Schlechtwetterfront. Nach zehn Stunden landen sie wieder in Königsdorf. Da geht die Sonne im Westen gerade unter.

1000 Kilometer sind auch sonst nur schwer zu schaffen

Beide lieben am Segelfliegen besonders die Streckenflüge über große Distanzen. Dafür bieten Föhntage mit starkem Wind mit mindestens um die 100 Stundenkilometer ideale Voraussetzungen. Die 1000-Kilometer-Marke spielt eine große Rolle: Denn eine solche Strecke lässt sich selbst unter günstigen normalen Wetterbedingungen kaum schaffen, wie Bachmaier erklärt.

Segelflieger auf der ganzen Welt vergleichen ihre zurückgelegten Distanzen am Ende jedes Flugtages auf speziellen Internetseiten. Vor vier Tagen die längste Strecke weltweit geschafft zu haben, ist für Bachmaier etwas besonderes. Ihn fasziniert vor allem, dass er ständig gegen die Schwerkraft kämpfen und Aufwinde suchen muss. Dauernd solche Probleme zu lösen, macht ihm den meisten Spaß.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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