Kloster Beuerberg:Die scheinbar harmlose Petersilie

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Der Garten ist Teil der neuen Ausstellung "Das Spiel beginnt! Spielend Leben lernen". Er wurde zur Saisoneröffnung neu bepflanzt - auch ein Giftbeet wurde angelegt

Von Susanne Hauck, Eurasburg

Schüler haben sich schon immer schwer damit getan, Stoff auswendig zu lernen. Das ist heute so, das war früher nicht anders. Im Mittelalter war es gang und gäbe, die Arzneikunde in Versform zu dichten, damit die Zöglinge sich über den Rhythmus den Inhalt besser einprägen konnten. Wenn sich dieses Jahr die Pforten des aufgelassenen Klosters Beuerberg zur dritten Ausstellung über das Leben der Nonnen öffnen, wird sich auch der Garten am Thema "Das Spiel beginnt! Spielend Leben lernen" orientieren; er wurde eigens dafür bepflanzt.

Die Apothekerin Sibylle Reinicke veranstaltet Führungen durch den Klostergarten, der sich wieder im Originalzustand als Nutzgarten präsentiert. Das Lieblingsthema Reinickes, die äußerst spannend über die Entwicklung der Medizin erzählen kann, ist die vergessene Welt der Heilkräuter. Die antiken Arzneien fanden über die Völkerwanderung zu uns, und weil die Mönche schreiben konnten, sind die Rezepturen überliefert. Ordensbrüder waren es auch, die in den Klöstern Heilkräuterbeete anlegten. Einer der ersten war Wallahfried von Strabo. Der Abt des Klosters Reichenau verfasste im neunten Jahrhundert das Lehrgedicht "De Cultura Hortorum", in dem er in Hexametern verschiedene Küchen- und Arzneipflanzen und ihre Anwendungsmöglichkeiten beschrieb und seinen Schülern zum Auswendiglernen gab. "Bis Paracelsus wurde die Wissenschaft in Form von solchen Lehrgedichten vermittelt", weiß Reinicke.

Apothekerin Sibylle Reinicke erklärt Schaden und Nutzen der Kräuter. (Foto: Hartmut Pöstges)

Aber auch scheinbar unbedarfte Kinderreime haben es in sich. "Petersil und Suppenkraut wächst in unserem Garten, unser Lieschen ist die Braut, kann nicht länger warten, roter Wein und weißer Wein, morgen wird die Hochzeit sein", zitiert sie. Diese seit langem überlieferten Verse sind nur auf den ersten Blick naiv, in Wirklichkeit geht es um die tragische Situation einer schwangeren, unverheirateten Frau. Mit Hilfe der giftigen Petersilie treibt sie ihr Kind ab, der rote und der weiße Wein weist auf die Körperflüssigkeiten hin. Da greift Reinicke dann doch lieber zum schützenden Frauenmantel, der weibliche Leiden und Menstruationsbeschwerden lindern soll, auch wenn die Wirkung nicht belegt ist: "Er heißt so, weil die Blätter an einen mittelalterlichen Umhang erinnern."

Auf spielerische Art Medizin-Wissen lernen, das konnte man auch mit Quartett-Karten, die in den Sechzigerjahren beliebt waren und die verschiedenen Heilpflanzen vorstellen. In ihrer Freizeit waren die Salesianerinnen in der Klosterküche aktiv und stellten "Morsellen-Bonbons" nach alten Rezepten her. Keine bittere Pille, sondern Zuckerwerk mit Gewürzen. Wer das einmal probieren möchte, hat dazu in einem Workshop mit Reinicke Gelegenheit, den sie wie die Führungen samstags anbietet.

In Beuerberg wird neu gepflanzt und gesät, damit sich die alte Klostergarten-Kultur darstellen lässt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schon jetzt, gute drei Wochen vor der Ausstellungseröffnung am 20. Mai, strahlen die Klostergärten in neuem Glanz. Die Apfelbäume sind schon aufgeblüht, dazu wurden Quitten, Birnen-, Zwetschgen-, und Walnussbäume sowie viele Beerensträucher und Gemüse gepflanzt, Teer herausgerissen und neue Platten verlegt. Sigfried und Rosi Manhart, ein Gärtnerehepaar aus der Nachbarschaft, haben alles wieder in Ordnung gebracht, denn nachdem die Salesianerinnen 2014 ausgezogen waren, verwilderte die Anlage. Auch vorher schon ging die Pflege über die Kräfte der betagten Nonnen. Endlich dürfen auch die überwinterten Zitronenbäumchen, die bereits dicke gelbe Früchte tragen, wieder an die frische Luft. "Schon im 19. Jahrhundert hegten und pflegten die Salesianerinnen die Zitronen, denn sie erinnerten sie an ihre Heimat Italien", erzählt Rosi Manhart. Nun sieht der Garten wieder so aus wie früher und dient der Selbstversorgung. Auch die Heilpflanzenbeete sind ganz nach dem Konzept des Klosters Sankt Gallen angelegt, dem Garten-Masterplan aus dem achten Jahrhundert.

Nicht nach Gallener Regeln, aber trotzdem interessant ist das umzäunte neue Giftpflanzenbeet, das Reinicke zum Abschluss zeigt. Dort wachsen der Rizinusbaum, Tabak, Tollkirsche, Fingerhut, Stechapfel - und die Petersilie, die tatsächlich in Teilen toxisch ist. Während die Wurzel die Manneskraft stärken soll, wurde der hochgiftige Samen für riskante Abtreibungen benutzt. Reinicke weiß den passenden Spruch dazu: "Sie hilft dem Mann aufs Pferd und der Frau unter die Erde."

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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