Grundeigentümer wehren sich:Auf dass die S7 nie ankomme

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Für Landwirte und Hausbesitzer an der Ausbaustrecke über Gelting nach Geretsried-Süd können die Verzögerungen in der Planung gar nicht lang genug dauern. Die Bahn legt sich nicht auf einen Termin zur Inbetriebnahme fest.

Von Konstantin Kaip

Über die S-Bahn-Verlängerung nach Geretsried wird seit mehr als 40 Jahren geredet. Bis sie kommt, werden noch einige Jahre vergehen. Denn das Planfeststellungsverfahren könnte sich hinziehen. Die Bahn rechnet damit, dass im Jahr 2024 mit dem Bau begonnen werden kann. Ein Termin für die Inbetriebnahme könne aber erst nach Abschluss der Vorplanung genannt werden. Derweil sehnen Tausende Geretsrieder Pendler den Tag herbei, an dem sie nicht mehr mit Auto oder Bus in die Nachbarstadt fahren müssen, um in die S 7 zu steigen. Allerdings gibt es auch Bürger, die sich wünschen, der Prozess möge noch lange dauern: Grundbesitzer, durch deren Flächen die geplante Trasse führt.

Einer von ihnen ist Wolfgang Haase. Der Landwirt hat seinen Hof gegenüber dem Gasthof Geiger in Geretsried. Sein Grund soll von der Schiene zerschnitten werden, kurz bevor sie zum geplanten Endbahnhof Geretsried Süd abbiegt. Haase sagt, er könnte dann zwei Stadel und eine Hütte nicht mehr nutzen, müsste sie abreißen und woanders aufbauen lassen und bei seiner täglichen Arbeit große Umwege in Kauf nehmen. "Das ist ein massiver Eingriff in unseren Privatbesitz", erklärt er. Erfahren habe er von den Plänen aus der Zeitung und auf Informationsveranstaltungen. Von der Bahn habe sich niemand an ihn gewendet. "Ich bin nicht gewillt zu verkaufen", sagt der Landwirt. Weil er jedoch gegen das öffentliche Interesse nichts ausrichten könne, hoffe er zumindest auf angemessene Entschädigung.

Auf der Böhmwiese (links) gegenüber dem Geretsrieder Rathaus (rechts unten, mit Turm) soll der zentrale Haltepunkt der S-Bahn entstehen. Die Stadt hat dafür schon lange eine Masterplanung, aber auf den Zeitplan der Bahn hat sie kaum Einfluss. (Foto: Manfred Neubauer)

Damit steht der Landwirt nicht alleine da. Mit zahlreichen anderen Grundbesitzern, die sich gegen die Pläne wehren, hat er die Münchner Anwaltskanzlei Labbé und Partner damit beauftragt, ihre Interessen zu wahren. "Wir haben alle denselben Anwalt genommen", sagt Haase. "Damit sie die Landwirte nicht gegeneinander aufbringen können." Unter den Klienten der Kanzlei sind zwölf Bauern aus Gelting, deren Felder von der Bahntrasse zerschnitten würden. Einer von ihnen ist Georg Ambacher. "Die S-Bahn soll ziemlich mittig quer im 45-Grad-Winkel durch alle Flächen gehen", sagt er. Auch durch seinen Acker. Die Folge: Umwege, höherer Produktionsaufwand, längere Arbeitszeiten. Sinnvoll findet Ambacher das nicht. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen die S-Bahn-Verlängerung", stellt er klar. "Aber sie sollte da fahren, wo Leute sind." Den geplanten Bahnhof in Gelting hält er für einen Fehler, denn er sei zu weit vom Ortskern entfernt. "Die Leute müssten sowieso mit dem Auto dorthin fahren. Dann können sie gleich nach Wolfratshausen - oder nach Waldram."

Eine Trasse durch den Wolfratshauser Stadtteil Waldram hat die Bahn als unwirtschaftlich verworfen - obwohl es dort eine Bürgerinitiative für einen S-Bahn-Halt gibt. Stattdessen hält man an dem Bahnhof in Geretsried-Gelting fest, gegen den sich dort seit Jahren eine Bürgerinitiative wehrt. Ambacher hat seine Ansichten kürzlich auch Reportern der BR-Sendung "Quer" erklärt. Vertreter der Bahn hätten bislang weder mit ihm noch mit den anderen Bauern gesprochen.

"Verhandlungen mit Grundstückseigentümern werden erst geführt, wenn der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist", teilt eine Bahn-Sprecherin mit. Wann das ist, darüber kann nur spekuliert werden. Die Bahn will die Planänderungen für den Tunnel mit unterirdischem Bahnhof in Wolfratshausen im dritten Quartal dieses Jahres beim Eisenbahnbundesamt, der Genehmigungsbehörde, einreichen. Das Amt wird die Unterlagen neun bis zwölf Monate lang prüfen, bevor es sie an die Regierung von Oberbayern als Anhörungsbehörde weitergibt. Nach einer offenen Auslegung mit dreimonatiger Einwendungsfrist und anschließender Stellungnahme der Bahn gibt es eine Erörterung, deren Ergebnisse zurück an das Eisenbahnbundesamt gehen, das den Planfeststellungsbeschluss erlässt. Der offizielle Klageweg könne erst beschritten werden, wenn die aktualisierten Unterlagen ausgelegt sind, heißt es bei der Bahn. "Grundsätzlich streben wir jedoch an, dass wir uns mit allen Betroffenen einigen."

Das dürfte im Sinne der Pendler sein - und der Politiker, die seit Jahren für die S-Bahn-Verlängerung eintreten. "Die Planer haben immer betont, dass langwierige Gerichtsprozesse nicht mit einkalkuliert sind", sagt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). Er hoffe, dass nicht Klagen von Eigentümern den Bau der Trasse verzögern - die Möglichkeit bestehe allerdings. "Das Damoklesschwert hängt leider über jedem Infrastrukturprojekt."

Für Johann und Sieglinde Klotz ist indes die bevorstehende S-Bahn-Verlängerung ein Damoklesschwert. Das Haus an der Wolfratshauser Straße, in dem das Geltinger Ehepaar seit bald 40 Jahren lebt, steht der geplanten Trasse im Weg. Dass es abgerissen werden muss, wenn die Schienen gebaut werden, haben sie vor elf Jahren bei einer Präsentation in Geretsried erfahren. Seitdem leben sie mit der Ungewissheit, wie es weitergehen soll. Zunächst hätten sie sich einen Anwalt genommen, sagt Sieglinde Klotz. Den wolle man wieder einschalten, sobald sich etwas Neues ergebe: "Allein kann man nichts bewirken." Derzeit aber warteten sie einfach ab, bis sich die Planungen konkretisieren. Eilig haben sie es nicht. Bis zum Baubeginn der 9,2 Kilometer langen Bahn-Strecke dürfe es ruhig noch sehr lange dauern, sagt die Geltingerin. "Mein Mann ist 85, und ich werde heuer 79 Jahre alt. Da will man natürlich nicht mehr umziehen."

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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