Bühne:Der Mann als ewig Suchender

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Das Werk des norwegischen Dramatikers Ibsen gilt als eine Herausforderung. Die Schäftlarner aber meistern diese, allen voran Johannes Lorenz (2.v.l.) als Peer Gynt, der enorme Wandlungsfähigkeit beweist. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Theatergruppe des Schäftlarner Gymnasiums bringt Henrik Ibsens Drama "Peer Gynt" auf die Bühne. Während die berühmte Figur der Literatur stets scheitert, gelingt den Schülern eine bravuröse Inszenierung

Von Sabine Näher, Schäftlarn

Mit der Wahl dieses Stoffes hat es sich die Theatergruppe des Schäftlarner Gymnasiums alles andere als leicht gemacht. "Peer Gynt" hat Henrik Ibsen 1867 nämlich nicht als Bühnenstück, sondern als dramatisches Gedicht verfasst. Ohne Rücksicht auf szenische Umsetzbarkeit kann Ibsen seinen Protagonisten so in die Welt der Trolle und Dämonen eintauchen lassen, nach Marokko und zur Sphinx von Gizeh nach Ägypten entführen, einen Schiffsuntergang überleben, in die Irrenanstalt einweisen und schließlich Jahrzehnte später in die norwegische Heimat zurückkehren lassen. Der Erfolg des Buches veranlasste Ibsen zwar, knapp zehn Jahre später eine Bühnenfassung einzurichten. Bekannter als diese ist heute allerdings die von Edvard Grieg dazu komponierte Bühnenmusik, die als Peer-Gynt-Suiten die Konzertsäle eroberte. Dass das Drama selbst eher selten auf die Bühne kommt, hat wohl mit den erwähnten szenischen Herausforderungen zu tun. Sehr mutig also von den Schäftlarner Gymnasiasten, sich diesen zu stellen.

Wegweisend für die Inszenierung ist die Entscheidung, mit einer quasi leeren, weißen Bühne zu arbeiten, in der lediglich ein zwei Meter breiter und 2,10 Meter hoher Quader steht, der nach vorne, nach oben und seitlich mit Luken geöffnet werden kann. Er wird ebenso zum Bauernhaus wie zum Schiff oder Palast des Bergkönigs und dient wie die hellen Wände ringsum als Projektionsfläche für Filmeinspielungen, die etwa das stürmische Meer, die Wüste oder die Sphinx zeigen. Das heißt, die Fantasie des Zuschauers ist gefragt. Und die Kunst der Darsteller, diese zu beflügeln, ist herausgefordert.

Zum überwiegenden Teil gelingt das der Theatergruppe unter Leitung von Herbert Schmid bravourös; es gibt indes auch Szenen, die sich schwer enträtseln lassen. Allen voran muss unbedingt Johannes Lorenz erwähnt werden, der als Peer Gynt den ganzen Abend trägt und vom Knaben über den Lebemann bis zum gebrochenen Greis seine Wandlungsfähigkeit beweist. Er ist präsent vom ersten Auftritt an und schafft es, diese Präsenz in allen Szenen aufrecht zu erhalten - eine echte Bühnenbegabung. Genau genommen ist Peer die einzige Hauptrolle des Stücks; alle anderen Figuren tauchen nur in einzelnen Szenen auf, haben keine eigene Entwicklung, sondern dienen nur dazu, Peer zu reflektieren. So auch Solvejg, die der Protagonist als junges Mädchen kennenlernt. Sie verliebt sich in Peer - und wartet ihr Leben lang auf ihn. Am Ende nimmt sie den gescheiterten Helden in Empfang, "erlöst" ihn durch ihre Liebe und unwandelbare Treue. So anmutig Flurina Schuster das spielt, so ungut ist die Empfindung, die diese Figur heutzutage auslöst: Eine unbeirrt liebende Frau, die ihr ganzes Leben opfert für einen Mann, der durch die Welt gondelt und nichts auslässt. Ein wenig erinnert diese Konstellation an Faust und Gretchen: Der Mann als der ewig Suchende, Forschende, der alles wissen will, die Frau als die Passive, Duldende, die hinnimmt, was von ihm kommt. Oder eben nicht kommt.

Die Vielzahl der Rollen macht es unmöglich, alle Darsteller zu würdigen. Herausgegriffen seien Marie-Luise März als Peers Mutter, die unter dem Sohn, der gegen alle Regeln rebelliert, leidet. Victoria Fladner als vor Energie sprühende Tochter des Trollkönigs, die wie ein Naturereignis über die Bühne wirbelt, und Elisa Kremer als Anitra, die Peer mit ihren Verführungskünsten umgarnt. Alles Frauen, die in ihrer Beziehung zu Peer einzelne Facetten dessen aufzeigen, was in einer gelungenen Beziehung vereint sein könnte. Sehr eindrucksvoll gestaltet sich auch der Auftritt von Tim Gerloff als Knopfgießer, ein wenig angelegt wie der Boandlkramer, und Severiano Benussi als "Pfarrer", hinter dessen Verkleidung der Teufel höchstpersönlich steckt. Als Szenen besonders gelungen sind der Sturm auf dem Meer, bei dem der Quader durch Blitzlichteffekte, Donnern und Sturmgebraus tatsächlich als Schiff in den Wellen zu versinken droht, und das Irrenhaus in Kairo, wo Richard Höfter als Doktor Begriffenfeldt ein Kabinettstückchen abliefert. Denn der ist mittlerweile selbst verrückt geworden, ist also Arzt und Insasse zugleich. Doch ein solch aufwendiger Theaterabend braucht nicht nur Akteure auf, sondern auch hinter der Bühne. So umfasst die Besetzungsliste drei Seiten des (gut gemachten) Programmhefts. Lauter Beifall und Jubel des rundweg begeisterten Publikums dankt ihnen allen.

Weitere Aufführungen am 12., 14. und 16. März, jeweils um 19.30 Uhr in der Aula des Gymnasiums Schäftlarn. Der Eintritt ist frei

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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