Weihnachtsgeschenke:München ist im Tauschrausch

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Marc Engelmann hat seinem Sohn ein Feuerwehrauto geschenkt. Doch die Leiter funktionierte zunächst nicht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach dem Einkaufsrummel vor Heiligabend stürmen die Münchner die Geschäfte, um unpassende Geschenke wieder loszuwerden oder Gutscheine einzulösen.

Von Jessica Schober

Hängende Ohrläppchen sind allemal besser als hängende Mundwinkel. Denn gegen erstere kann man ganz leicht etwas tun: Die überraschend schweren Ohrringe für die Gattin wieder umtauschen zum Beispiel. So hat es Gerhard Müller gestern getan, nachdem er am Heiligabend bemerkte, dass sein Geschenk seine Frau Karin nicht so zum Strahlen brachte, wie er gehofft hatte. "Ich war vor Weihnachten extra beim Juwelier Augustin und hatte schöne, hellblaue Ohrringe ausgesucht. Aber ich wäre nie darauf gekommen, dass die für so ein Ohrlapperl zu schwer sein könnten", sagt der 49-Jährige. Kaum dass die Geschäfte wieder öffneten, ging das Ehepaar aus Kaltenberg nun am Mittwoch zum Juwelier und tauschte den Schmuck um. "Jetzt habe ich sogar ein Upgrade bekommen", sagt Karin Müller lachend, "die neuen Ohrringe sind leichter, filigraner, aber auch teurer."

Umtauschaktionen führten viele Münchner am ersten Werktag nach dem Fest in die Geschäfte der Innenstadt. Die Fußgängerzone am Stachus verwandelte sich wieder in jene gut besuchte Einkaufsmeile, die sie auch schon vor Weihnachten war. Das kann auch Wolfgang Fischer von der Unternehmensinitiative Citypartner München bestätigen. "Die Einkaufstage nach den Feiertagen sind inzwischen fast genauso umsatzstark wie die Zeit vor Heiligabend." Im Vergleich zum Vorjahr mit seinen mediterranen Temperaturen sei es heuer winterlich kalt, in den Bergen liege ordentlich Schnee. "Deshalb waren die Umsätze im Wintersportbereich viel besser, Skier und Outdoorjacken gingen im Einzelhandel gut weg", sagt Fischer.

Bei Sport Scheck in der Kaufingerstraße haben gerade zwei junge Menschen ein wenig wintertaugliches Sportgerät umgetauscht: Die Garchingerin Nina Huber hatte ihrem Freund Yves Compera einen Tennisschläger geschenkt - leider in der falschen Griffgröße. "Ich wollte ihn überraschen und konnte deshalb nicht nachfragen, als ich mich zwischen zwei Größen nicht entscheiden konnte", sagt die 25-Jährige. Der Umtausch im Sportgeschäft ging rasch und problemlos, so eilt das Paar zurück zum Parkplatz, um die volle Innenstadt möglichst schnell wieder zu verlassen. Zu viel Trubel.

Zwei gleiche Handyhüllen für die Mutter: das klassische Großfamiliendilemma

Auf ein umständlicheres Tausch-Prozedere musste sich Philipp Neugebauer einlassen. Dabei wollte er doch nur eine Handyhülle in einer anderen Größe haben. "Ich habe dieses Jahr zu Weihnachten meine über 80-jährigen Eltern mit Smartphones ausgestattet, das war schon eine Herausforderung an sich." Doch ausgerechnet bei der Handyhülle führte ein Absprachefehler mit seiner Schwester zu einem Doppelkauf. Klassisches Großfamiliendilemma. Nun steht Neugebauer mit mehreren gestempelten Kopien und Belegen im Saturn-Elektrofachmarkt an der Neuhauser Straße und heftet sich an die Fersen einer Mitarbeiterin, um in die richtige Fachabteilung zu gelangen. "Man braucht schon eine mittlere intellektuelle Ausstattung, um hier den richtigen Ansprechpartner zu finden", scherzt der 44-Jährige. "Soll mal keiner sagen, dass es bei meinem Arbeitgeber im Justizministerium sonderlich bürokratisch zuginge". Letztlich hat er Glück; der Umtausch ist nach 45 Minuten abgewickelt. Andere Kunden stehen noch länger an, um ihre falschen Haartrockner oder doppelt geschenkte Peter-Maffey-CDs wieder loszuwerden.

Tochter Therese will lieber das Geld zurück als den Kulturbeutel von Mutter Julia Schreiber zu behalten. (Foto: N/A)

Warum er sich lohnt, Geschenke im Einzelhandel zu kaufen und nicht im Internet zu bestellen, hat Marc Engelmann an diesem Vormittag erfahren. Seinem zweieinhalbjährigen Sohn hat er ein großes rotes Feuerwehrauto vom Obletter Spielwarenladen geschenkt - erwartungsgemäß entbrannte beim Beschenkten Begeisterung, sofort wurde das Auto von einer Einsatztruppe Playmobilfiguren in Beschlag genommen. Doch, oh Schreck, die Drehleiter ließ sich nicht herausbewegen. Also kam der Vater aus der Isarvorstadt, um sich von der Spielwarenladen-Mitarbeiterin unterweisen zu lassen: Um die Leiter auszufahren, müsse das Produkt nicht umgetauscht werden, vielmehr genüge ein beherzter Griff an den entsprechenden Hebel. "Ich dachte, das Ding wäre kaputt. Aber die Mitarbeiterin hat mir gezeigt, wie man es richtig bedient", sagt Engelmann, "Hätte ich das Auto im Internet bestellt, wäre das jetzt ultranervig geworden mit dem Verschicken der Retourenware." Fürs nächste Jahr wünsche sich der Sohnemann nun ein Müllauto, auch das werde er wohl wieder in der Innenstadt kaufen.

Dass Kinder nicht immer so leicht beschenken sind, hat dieses Jahr Julia Schreiber erlebt. Ihrer 21-jährigen Tochter Therese hatte sie einen feinen Kulturbeutel aus Leder beim Oberpollinger gekauft. Doch die Tochter sagte nur: "Ich brauche den eigentlich gar nicht. Ich habe ja schon genug Dinge". Nun hofft die Mutter, dass das im November gekaufte Täschchen in edler gelber Verpackung überhaupt noch umgetauscht werden kann. Denn die Händler sind nicht zur Rücknahme von Ware verpflichtet, nur weil sie nicht gefällt. Einzig aus Kulanz werden Geschenke zurückgenommen, in der Hoffnung, die Kunden mögen doch etwas anderes finden.

Dass diese Rechnung zuweilen zugunsten der Einzelhändler ausfällt, zeigt das Beispiel von Marco Ludwig. Der 58-jährige Werbeberater bekam von seiner Frau einen Pullover aus dem Bekleidungsgeschäft Hirmer geschenkt, ausgerechnet in Hellblau und dann auch noch zu schmal geschnitten. "Vielleicht habe ich dem Christkind nicht laut und deutlich genug gesagt, was genau ich mir wünsche", sagt er schmunzelnd. Ganz standesgemäß tauschte er den Pulli nun um in ein Modell, das ihm mehr zusagt: Ein schwarzer Rollkragenpulli sollte es sein. Und weil die Schwiegermutter noch einen Gutschein fürs gleiche Geschäft geschenkt hatte, nahm Ludwig auch gleich noch ein zweites Teil mit.

Insgesamt gingen die Umtauschaktionen aber zurück, denn "das Geschäft mit den Gutscheinen zieht weiter an", berichtet City-Partner-Geschäftsführer Fischer. Das hat auch der Geschenkgutschein-Spezialist Jochen Schweizer bemerkt. "Trotz der besonderen Konstellation mit einer deutlich kürzeren Adventszeit sind wir zufrieden mit den Verkäufen in unseren vier Filialen in München", sagt Pressesprecher Marco Dautel. Dabei seien die Münchner besonders adrenalinversessen bei der Auswahl der Gutscheine. "München steht auf Action und Erlebniskurzreisen. Im Verhältnis zum Rest der Republik sind Erlebnisse aus den Kategorien Fliegen und Fallen, Motorpower sowie Abenteuer und Sport beliebter", sagt Dautel. Wem das zu waghalsig ist, der kann den Bon für weniger gefährliche Erlebnisse eintauschen.

Beziehungsende
:"Die dumme Gans hat gestern Schluss gemacht"

Einen Tag vor Heiligabend verlässt ihn seine Freundin, also drapiert ein Franke aus Frust seine Weihnachtsgans an einen Brunnen - ungebraten und mit bösem Kommentar.

Kolumne von Katja Auer

Für alle, die unpassende Geschenke nicht umtauschen können, bleibt das Gebrauchtwarenkaufhaus Halle 2 der Münchner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWM). Hier wird alles, was keiner wollte, zum günstigen Preis verkauft. Wer seine Fehlkäufe beim Wertstoffhof abgibt, "macht sozial Schwächeren einen Freude und stabilisiert gleichzeitig die Müllgebühren", heißt es bei der AWM. Es gibt ihn also, den Gnadenhof für falsche Geschenke.

© SZ vom 28.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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