Vor der Premiere:Die große, undankbare Rolle im "Fack ju Göhte"-Musical

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Im Fack ju Göhte-Musical spielt Schauspieler Max Hemmersdorfer den Lehrer Zeki Müller (der im Film von Elyas M'Barek dargestellt wird.) (Foto: Alessandra Schellnegger)

Schauspieler Max Hemmersdorfer steht im Mittelpunkt des Musicals "Fack ju Göhte", das am Sonntag Premiere feiert. Er muss sich mit Elyas M'Barek vergleichen lassen.

Von Christiane Lutz, München

Die Säge kreischt immer noch. Aber wenigstens ist die Bohrmaschine gerade leise. Der Lärm ist in den vergangenen Wochen zum Hintergrundrauschen in Max Hemmersdorfers Leben geworden. "Während der Proben war hier permanent Baustelle", sagt er. "Das machste mal acht Stunden, da ist der Lustgewinn nicht so groß." Aber was will man tun? Ist die Bühne nicht fertig, kann er nicht auftreten.

So läuft das eben, wenn binnen weniger Wochen eine Uraufführung einstudiert werden und nebenbei ein alter Kartoffelspeicher zu einem funktionierenden Musical-Theater umgebaut werden soll. Einer Musical-Turnhalle, um genau zu sein, denn das, was hier am Sonntag Premiere hat, ist "Fack ju Göhte", die Musicalversion des wahnsinnig erfolgreichen Kinofilms mit Elyas M'Barek.

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Max Hemmersdorfer wirkt trotz der nicht gerade idealen Arbeitsbedingungen recht gechillt, als er ein paar Tage vor der Premiere im improvisierten Produktionsbüro auf einem Stuhl lümmelt. Er spielt den Zeki Müller, die Hauptrolle, in der im Film Elyas M'Barek zu sehen ist. Auch deswegen wird Hemmersdorfer genau beobachtet.

An der Handlung hat sich nichts geändert: Zeki Müller ist ein Kleinkrimineller, der erbeutetes Geld wiederhaben will, das unter einer Turnhalle vergraben liegt. Müller wird Aushilfslehrer an der Schule, die an die Turnhalle angrenzt. Es folgen die Zähmung der renitenten 10 b und, natürlich, die Liebesgeschichte mit der streberhaften Pädagogin Lisi Schnabelstedt.

Die Musical-Produktionsfirma Stage Entertainment beauftragte die Musiker Nicolas Rebscher, Simon Triebel und Autor Kevin Schröder damit, die Geschichte für die Bühne umzuschreiben und Musik zu komponieren. Regie führt Christoph Drewitz, der zuletzt "Rocky" inszeniert hat.

Die Musik ist eine Mischung aus leichter Popmusik mit Anleihen aus Hip-Hop. Das kommt Max Hemmersdorfer sehr entgegen, denn Musical, das kann er eigentlich gar nicht. "Neulich war ich im Glöckner von Notre-Dame, das ist natürlich ganz was anderes, wie da gesungen wird. Bei uns liegt die Hauptlast immer noch auf dem Schauspiel. Läge sie auf dem Gesang, würde ich den Job nicht machen. Da gibt es andere, die das besser können."

Der 32-Jährige, der in Bobingen bei Augsburg aufgewachsen ist, hat Schauspiel in Essen studiert, am Theater Konstanz gespielt, ein paar Filme gedreht. Musical hat er nur einmal an der Schule gemacht, bei "Honk!", einer Hässliches-Entlein-Geschichte. Hemmersdorfer spielte eine militante Gans mit Sprachfehler. Seine Mitschüler schlossen Wetten darüber ab, ob der obercoole Max mit seinen weiten Hosen und Rapper-Insignien hinschmeißen würde, weil ihm das doch zu peinlich würde. Er zog es durch.

Stage Entertainment wollte ihn unbedingt für die Rolle haben. "Ich hatte einen riesigen Respekt, um nicht zu sagen Schiss davor, das zu machen", sagt er. Am Anfang war er unfrei beim Singen, fühlte sich vom Rhythmus der Musik bedrängt. "Ich hatte Schwierigkeiten, nicht zu spielen aufzuhören, wenn ich anfing zu singen."

Ein Gesangslehrer sollte ihm die Furcht austreiben. "Es geht beim Singen um Genuss. Beim Singen ist die Situation nicht so wichtig, nur das Gefühl. Ein Song ist im Grunde ein auf drei Minuten ausgedehnter Gefühlsmoment." Inzwischen falle es ihm leichter, "sein Herz zu öffnen", wie er sagt.

Bei "Fack ju Göhte" sieht das Herzöffnen später bei der Probe dann so aus: Schüler Daniel aka Danger (Lukas Sandmann) spielt die Balkonszene aus "Romeo und Julia", würgt den Shakespeare-Text aber mehr hervor, als ihn anmutig vorzutragen. Zeki Müller crasht die Theater-AG unter der Leitung eines sächselnden Germanisten und ermutigt Danger: "Sag das mal so, wie du es heute sagen würdest."

Danger sagt das so, wie er es sagen würde: "Ey, Julia? Bist du wach? Komm raus auf den Balkon - Es kann nix passiern - ich habe ein Kondom!" Schnappatmung beim Germanisten. Hemmersdorfer: "Das war doch richtig gut!", "nein!", "doch!", "nein!", "doch!" Am Ende stürmt der Germanist hinaus, Müller übernimmt.

Stage Entertainment versucht seit Jahren, München zu erobern. Anders als in Hamburg oder Stuttgart gibt es hier keine riesigen Musicalhäuser, die Logos von Löwenköpfen kilometerweit in die Nacht hinaus strahlen. Das Deutsche Theater, in dem regelmäßig Gastspiele der Stage laufen, verschwindet optisch geradezu in der Schwanthaler Straße. Mit dem sehr jungen Thema von "Fack ju Göhte" testet die Stage nun Publikum und Potenzial des Standortes.

Das Werk 7 im Werksviertel eignet sich deshalb, weil dort sowieso noch alles improvisiert ist. Dass die Zuschauer am Sonntag zur Premiere über holprige Sträßchen zum unauffälligen Theater geführt werden, passt zur Stimmung des Musicals. Etwa 5,7 Millionen Euro kostete der Umbau des alten Kartoffellagers. Acht Vorstellungen pro Woche wird es geben, ins Turnhallen-Theater passen knapp 700 Zuschauer. Laut Stage Entertainment läuft der Vorverkauf gut, bis Ende September wird das Musical erst mal durchgespielt.

Hemmersdorfers Vertrag läuft bis Ende April. Er will erst einmal testen, wie er mit der Belastung klar kommt, mit dem Singen. Mit seinem "Sack Flöhe", wie er seine sehr viel jüngeren Spielerkollegen nennt, kommt er jedenfalls bestens klar. Sie sind so jung, weil sie ja glaubhaft Zehntklässler spielen müssen. Den Figuren Danger, Chantal, Zeynep und dem Streber Jerome haben die Musicalautoren noch eine Portion Tiefe mitgegeben. Damit können sie schon mal nicht verlieren.

Auf Hemmersdorfer hingegen lastet der größte Druck. Er muss sich, ob er will oder nicht, mit Elyas M'Barek vergleichen lassen, den sehr viele junge Menschen richtig toll finden. "Da muss man halt was Eigenes finden, es bleibt einem ja nichts", sagt er. Kennengelernt hat er M'Barek nie, obwohl der im gleichen Fitnessstudio trainiert wie er. "Aber vielleicht treffen wir uns mal da und trinken gemeinsam einen Proteinshake aus dem Eimer." Da hört die Säge auf zu kreischen. Und Max Hemmersdorfer freut sich richtig.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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