Verwaltungsgerichte:Zu wenige Richter entscheiden über zu viele Asylverfahren

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Allein im Regierungsbezirk Oberbayern sind derzeit noch etwa 35 000 Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offen. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die bayerischen Verwaltungsgerichte haben mit dem Asylrecht schwer zu kämpfen. Mehr als 11 000 neue Verfahren registrierten die Gerichte 2015.
  • Bayern hat zuletzt 26 zusätzliche Richterstellen geschaffen.
  • Ohne weitere zusätzliche Stellen werde sich die durchschnittliche Verfahrensdauer von sieben Monaten nicht halten lassen, warnt der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs.

Von Marco Völklein

Die Verwaltungsgerichte ächzen unter der großen Zahl von Asylverfahren. Allein 2015 wurden bei den sechs bayerischen Verwaltungsgerichten der ersten Instanz 11 071 Klagen und Eilverfahren eingereicht, 52,2 Prozent mehr als im Vorjahr. "Wir haben mit dem Asylrecht schwer zu kämpfen", sagt Stephan Kersten, Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. 2012 hatte die Zahl der erstinstanzlichen Verfahren bayernweit noch bei etwas mehr als 3000 gelegen.

Knapp 9100 Verfahren gingen bis einschließlich Juli 2016 ein. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, würde das im Vergleich zum Vorjahr eine weitere Zunahme um 40 Prozent bedeuten. Sollte der Freistaat die Zahl der Richter nicht aufstocken, würden sich die Bearbeitungszeiten für Verfahren verlängern, sagt Kersten - nicht nur bei Asylverfahren, auch in anderen Rechtsfeldern, etwa bei Verfahren zum Baurecht, zum Beamtenrecht oder bei Verkehrsrechtsfragen. Derzeit beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer an bayerischen Verwaltungsgerichten sieben Monate. "Dieses Tempo werden wir nicht halten können", glaubt auch Andrea Breit, Präsidentin des Verwaltungsgerichts München.

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Um dem Anstieg der eingehenden Asylverfahren zu begegnen, hatte der Freistaat zuletzt bayernweit bereits 26 zusätzliche Richterstellen geschaffen; die reichten aber womöglich nicht aus, um den erwarteten Anstieg abzuarbeiten. Kersten fordert daher, der Freistaat möge einen "Stellenpool" für Richter einführen, damit notfalls zusätzliche Kräfte gewonnen werden könnten, sollte die Zahl der Asylverfahren weiter kräftig anwachsen.

Allein im Regierungsbezirk Oberbayern seien derzeit noch etwa 35 000 Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) offen, ergänzt die Münchner Verwaltungsgerichtspräsidentin Breit. Sollte auch nur ein Drittel oder ein Viertel dieser Fälle vor ihrem Gericht landen, sei dies "eine Hausnummer, die uns vor Herausforderungen stellt und uns Sorgen macht", sagt Breit.

Die kniffligeren Fälle kommen erst noch

So erteile das Bamf mittlerweile Flüchtlingen aus Syrien nur noch einen "subsidiären Schutz"; dieser erlaube es den Geflüchteten aber nicht, ihre Familien nach Deutschland nachzuholen. Deshalb klagten viele auf den vollen Schutz des Asylrechts - mit entsprechend mehr Verfahren rechnet Breit in den nächsten Monaten oder gar Jahren.

Denn eines machten Breit und Kersten am Mittwoch auch deutlich: "Wir wissen absolut nicht, was da noch auf uns zukommt." Wird die Zahl der Asylsuchenden weiter steigen? Oder geht sie gar drastisch zurück? Sollte die Zahl der Flüchtlinge tatsächlich drastisch zurückgehen, sagt Kersten, "ist der aktuelle Berg an Verfahren in ein paar Jahren wieder abgearbeitet".

Breit indes geht davon aus, dass zumindest in diesem und im nächsten Jahr noch einiges an Arbeit auf die Richter zukommt: "Bislang wurden vor allem die einfachen Fälle vom Bamf beschieden." Klagen dagegen waren auch für die Verwaltungsrichter eine relativ simple Angelegenheit. Nun aber gehe das Bamf die kniffligeren Fälle an, die dann auch vor Gericht mehr Aufwand mit sich brächten und länger dauerten.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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