Typologie der Jogger:Schwitzen, schwatzen, schweifen

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Die Saison für Läufer hat wieder begonnen, die verschiedensten Lauftypen sind unterwegs. Eine Typologie der Jogger-Charaktere.

P. Crone

Kilometerweit rennen, nur um nach zig Minuten wieder an der Haustür anzukommen, wo man zuvor gestartet ist, verschwitzt und muffelnd. Jogging-Saison! Aber mittlerweile ist Laufen nicht mehr nur gesund, die Strecken werden zunehmend auch zum riesigen Laufsteg.

Sehen und gesehen werden, nicht nur in Schwimmbad, Biergarten oder Cafés, nein, auch beim Joggen. Hier kommt noch hinzu: Überholen und überholt werden. Wer nun womöglich zum ersten Mal zu den Laufschuhen greift, sollte gut vorbereitet sein.

Dabei hilft zum einen die Lektüre des Mobilen Lebens in der kommenden Montagsausgabe der SZ. Zum anderen sollte man wissen, was auf einen zukommt. Deshalb hier eine von Philipp Crone zusammengestellte Auswahl der Typen, die dem Läufer begegnen könnten.

Der Angeber

Man erkennt ihn von Weitem, er leuchtet durch Geäst und Blätter, denn der Angeber trägt seine Trophäe auf der Brust: das knall-orangene Leibchen (Fachbegriff: Finisher-T-Shirt) vom letzten oder auch ersten Stadtlauf, am besten noch mit Startnummer. Es bedeutet: Seht her, ich bin schon einmal mehr als zehn Kilometer gelaufen. Die Orange-Quote der Jogger-Outfits sinkt allerdings mit zunehmender Laufgeschwindigkeit.

Erscheinung: Schweifender, suchender Blick, nagelneue oder frisch gewaschene weiße Profischuhe.

Gedanken: Was riecht denn hier so komisch nach zu oft getragenem Trikot?

Der Soldat

Ist gut getarnt, trägt nämlich meist ein graues T-Shirt, wahlweise mit "Navy"-Aufdruck. Grau deshalb, weil man da die wenigen, kaum - also eigentlich gar nicht - vorhandenen Schweißflecken nicht gut sieht. Beide Fäuste umklammern kleine oder größere Laufhanteln. Dazu trägt der Soldat kurze Haare und bewegt sich nach der strikten Bewegungsschule von Forrest Gump.

Musik: Run DMC.

Der Profi

Ist in letzter Zeit nicht mehr ganz so leicht zu erkennen, denn seit einigen Jahren sind die ehemals obligaten kurzen Turnhosen - die glänzenden mit den beiden seitlichen Einschnitten an der Hüfte - ganz offensichtlich vergriffen.

Erscheinung: Drahtig und leise, trägt dreckige, weiße Profischuhe und aerodynamische, eng anliegende Muschelkopfhörer. Jeder Schritt ist ein Sprung.

Musik: B4 und B5.

Die Paarläufer

Pärchen sind in allen Konstellationen fast gleichermaßen vertreten. Meist ist er oder sie außer Atem, und der andere schlurft unterfordert nebenher. Dafür erzählt dieser pausenlos, während der kurzatmige Nebenläufer gestresst ist, weil er kaum Luft zum Antworten hat. Selten auch im Partnerlook, und, ganz selten: Einer mit Kopfhörern, der andere nicht. In dem Fall:

Musik: Keine, Kopfhörer sind nur Attrappe, damit Ruhe herrscht.

Der Coole

Weißes Feinripp-Unterhemd, Ray-Ban-Sonnenbrille, schon beim ersten Sonnenstrahl im März münzgebräunt, auf dem frisierten Haar einen Kopfhörer mit kokosnussgroßen Ohrmuscheln. Gelangweilter Blick ins Nichts. Läuft langsam, sonst gibt es Scheuerstellen an den Ohren.

Gedanken: Ja, bin ich denn der einzig Normale hier?

Musik: Irgendwas, Hauptsache, keiner kennt's.

Die Ratscher

Sind in verschiedenen Varianten anzutreffen. Zum Beispiel drei nebeneinander, die den Gehwegverkehr aufhalten und gelegentlich angeklingelt werden. Denn wer ratscht, läuft meist langsam. Variante zwei ist das Kumpellaufen. Das findet oft bei höherem Tempo statt, und hier bedeutet die gleichzeitige Unterhaltung gerade beim Passieren entgegenkommender Läufer: Ich könnte ja noch viel schneller, wenn ich nicht pausenlos reden müsste.

Erscheinung: Graue Schlabberhose und Motto-T-Shirts (Variante eins), Funktionskleidung (Variante zwei).

Der Marathon-Anwärter

Hat die größte Ausrüstung bei sich: Zum einen eine Pulsuhr samt Brustband, dazu entweder kleine Wasserfläschchen am Patronengürtel oder eine Trinkflasche im Känguruh-Halter. Ist tendenziell jenseits der 30, will sich selbst finden oder den New-York-Marathon in seinen Manager-Lebenslauf aufnehmen.

Gedanke: Warum habe ich nur gewettet?

Musik: Mike Oldfield, Tracks ab 20 Minuten, oder Harry Potter-Hörbücher.

Der Modische

Trägt seinen iPod entweder am Arm oder am Kragen, dazu bei Damen gerne einen V-Ausschnitt, im Prinzip Freizeit-Oberbekleidung zur Jogginghose und neuen Schuhen. Hinterlässt auf dem Weg eine dezente Parfumnote.

Musik: Cheryl Cole, MGMT

Der Effektive

Ihn verraten die Details. Zum Beispiel ein Schlüsselbund, Handy oder der Geldbeutel in der Hand, oft auch die dunklen Bürosocken in hellen Laufschuhen. Man läuft vom Arbeitsplatz nach Hause oder umgekehrt. Gerne auch mal mit einer leichten DinA4-Lektüre in der Hand. Geübte verrutschen kaum mehr in der Zeile. Auch die Kinderwagen-Läufer fallen unter diese Kategorie, sie teilen sich aber noch einmal auf in die Unterkategorien Schieber oder Schubser.

Erscheinung: Wechselnde wirre Grimassen - zur Unterhaltung des gelangweilten Nachwuchses.

Der Fußballer

Joggingjacke passend zur Jogginghose, hier ist vor allem der Laufstil entscheidend: Leicht nach vorne gebeugt, "durch Vorwärtsbewegung verhindern, dass man umfällt" (München 7). Kann unglaublich langsam laufen, der Trick dabei: höher als weit abstoßen, erscheint oft im Rudel.

Gedanken: keine

© SZ vom 10.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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