Titanic City:Luftgitarre und Headbanging

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Das Titanic City ist ein unverkrampfter Club für ein Publikum Ü-30. Hier kann man sogar noch Headbangen und Luftgitarre spielen - und kommt dabei äußerst cool rüber.

Annette Wild

Mitten in Schwabing gelegen und doch so weit entfernt vom Schickimicki-Schnöseltum wie kein anderer Münchner Club: Seit 1984 trotzt das Titanic City allen Offensiven von Außen. Manche meinen, das Titanic City sei etwas zu grattelig und man könnte mehr aus ihm machen.

Headbanging, der übliche Tanzstil im "Titanic City". (Foto: Foto: Annette Wild)

Aber bitte: was denn noch "mehr" draus machen? Was braucht denn ein Club? Gute Musik, günstige Getränke und nette Menschen. Nicht verkehrt sind auch ein Kickertisch, eine kleine Tanzfläche sowie eine gute Anlage - das war's. Und das gibt's im Titanic City. Dass die Filzpodeste, auf denen man sitzt, vielleicht etwas abgenutzt sind - wen stört's? Die Stammgäste vom Titanic City sicher nicht!

Handbanging und billiges Bier

Es ist Freitagabend. Wir steigen die Treppe in den kleinen Kellerklub in der Nähe des Kurfürstenplatzes hinunter und es ist fast ein bisschen so, als würden wir in unsere Jugend zurückversetzt: Rock-Hits der 70er, 80er und 90er Jahre dröhnen aus den Boxen in den schummrigen Raum. An der Bar meinen wir zunächst, uns verhört zu haben. 1,50 für ein Bier? Wo gibt's denn so etwas? "Die Happy Hour gilt aber nur bis 24 Uhr", belehrt uns eine sympathische Thekenkraft.

Wir schauen uns um und sehen vor allem Ü-30-Menschen. Aber nicht mit der verkrampften "Wir hauen heute mal so richtig auf den Putz"-Attitüde, die man auf den unsäglichen Ü-30-Großveranstaltungen ertragen muss. Es wird getanzt und auch uns zieht es bald auf die kleine Tanzfläche. Red Hot Chili Peppers, AC/DC, James Brown, Marillion, Supertramp - von Rock über Poprock, Funkrock bis Funk: Wir tanzen, wie wir schon lange nicht mehr getanzt haben und schütteln dabei unser Haar. Headbanging, jawohl!

Das fühlt sich verdammt gut und gar nicht falsch oder aufgesetzt an. Das Kopfschütteln steckt einfach noch in uns drin und wollte schon lange mal wieder raus! Die Musik schafft eine Verbindung zu den anderen Tänzern, sei es zum grazilen Tänzer oder dem virtuosen, älteren Luftgitarre-Maestro. Es hat gar nichts Lächerliches, wie der Mann mit Hut und Cowboystiefeln, der ein bisschen aussieht wie Udo Lindenberg, sein Luftinstrument bearbeitet. Eher etwas extrem Cooles und Beeindruckendes. Denn man merkt: dieser Mann kennt jeden Ton des Songs, fühlt jede Note in seinen Fingern. Denn Rocker ist und bleibt man. Rock ist eben keine schnell verderbliche Jugendkultur, sondern eine Einstellung fürs Leben.

Günstiges Aufputschmittel

Zwischendurch trinken wir literweise Goaßenmaß (bis 24 Uhr 3 Euro, ab 24 Uhr 6 Euro). Der Mix aus Bier, Cola und Kirschwasser ist das allgemein bevorzugte Getränk des Abends. Die Atmosphäre ist einfach nett, intim und unstressig. Schnöseliges Partyvölkchen, dem T-Shirts und Frisuren wichtiger sind als alles andere, sucht man hier vergebens. Was zählt ist die gemeinsame Liebe zur Musik - zum Rock.

Und so finden die unterschiedlichsten Rock-Liebhaber hier ihr Forum. So wie die Partygänger der "schwarzen Szene" hier am Mittwoch bei der Gothic Night ein mit Kerzen geschmücktes Zuhause vorfinden. Am Samstag pilgern die Heavy-Metaller zur Metal Night und Reggae-Fans strömen am Donnerstag zahlreich ins Titanic City.

Und obwohl das Titanic City für einen Kellerklub nicht schlecht läuft, träumt Geschäftsführer Luigi Marzio davon, irgendwo weit draußen in einer ruhigen Gegend eine Halle mit Club für das Titanic City zu finden. Hartnäckige Anwohner-Klagen wegen Lärmbelästigung machen ihn langsam mürbe.

"Das Haus, in dem das Titanic City ist, wurde luxussaniert. Die neuen Bewohner beschweren sich über den Lärm. Mitte 2010 sollen wir zumachen. Und das, obwohl hier schon seit über 30 Jahren eine Diskothek drin ist", erklärt der 44-jährige resigniert. Freilich sei nicht das Titanic City schon so lange hier ansässig.

Das alte Lied

1980 habe alles in Aufhausen bei Erding angefangen. "Seit 1984 ist das Titanic City hier in diesen Räumen", so der Münchner. Marzio schwärmt von legendären Zeiten, also sonntags noch ab sechs Uhr früh der Techno-Club "Labor" im Titanic City stattfand. "Früher kam hier immer die Belegschaft vom P1 und das ganze Viva-Team vorbei", erinnert sich der Geschäftsführer.

Marzios persönliche Vorliebe gelte aber der Heavy-Metal-Musik. "Ich hab hier schon Konzerte von weltbekannten Heavy-Metal-Bands wie "Udo", "Nazareth" oder "Rose Tattoo" veranstaltet - wegen großer Nachfrage allerdings im Metropolis in der Kultfabrik. Das Publikum kommt dafür extra aus der Schweiz, Österreich Rumänien und sogar Israel", erzählt der Chef. Und jeden ersten Dienstag im Monat gibt's den City Jam. Eine Jam Session mit Schwabinger Musikern. "Ein Zuckerl auf der Bühne sind auch oft die Konzerte an Montagen. Junge Band spielen für einen Eintritt von zwei bis zehn Euro Blues und Rock", wirbt Marzio.

Das schauen wir uns auch mal an und hoffen für uns und Herrn Marzio derweil, dass das Titanic City die Eisberge noch eine Weile umschifft und irgendwann vielleicht in ruhigerem Gewässer einen Ankerplatz findet.

Titanic City, Nordendstraße 64, Eingang Kurfürstenstraße, Telefon 089/2717219, www.titaniccity.de . Öffnungszeiten: Sonntag und Montag geschlossen - außer vor Feiertagen, jeden 1. Dienstag im Monat "City Jam", mittwochs "Dark Vision Night", Gothic-Night von 21 bis 3 Uhr. Donnerstags "Roots & Culture", Sound System: Culture ab 23 Uhr, freitags Rock Night, von 22 bis 5 Uhr, samstags Metal Night von von 22 bis 4 Uhr

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