Supermarkt-Übernahme:Tengelmann wird Edeka - was das bedeutet

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Illustration: Dennis Schmidt (Foto: Dennis Schmidt)

Edeka verleibt sich 188 Tengelmann-Filialen in der Region ein und steigt zum klaren Marktführer auf. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen für Mitarbeiter und Verbraucher.

Von Katja Riedel

Edeka schluckt Tengelmann - in der Region München entsteht ein Supermarktgigant mit deutlich mehr als 250 Filialen von Edeka- und Nettomärkten. Was das für den Münchner Lebensmittelmarkt bedeutet? Eine Übersicht.

Was wird aus den bisherigen 188 Tengelmann-Läden in der Region?

Das gelbumrandete rote "T" wird aus dem Münchner Stadtbild schnell verschwinden. Die Marke Tengelmann hatte zuletzt trotz aller Tradition kein gutes Image mehr, sie wird nicht erhalten. Das neue Schild, das an die ehemaligen Tengelmann-Märkte angebracht wird, ist gelb-blau, darauf wird "Edeka Neukauf" stehen. Später ist nicht ausgeschlossen, dass manch ehemaliger Tengelmann zu einem Netto-Markt umfirmiert wird, denn auch Netto gehört zu der Gruppe. Die Tengelmann-Filialen haben sehr unterschiedliche Größen, von etwa 150 bis zu 2800 Quadratmetern.

Besonders attraktiv sind diejenigen, die sich in der Innenstadt befinden. Tengelmann hat davon sehr viele, weil die Supermarktkette einst in München gestartet ist. Ändern wird sich das Sortiment. Das werde jetzt mit dem Wechsel zu Edeka deutlich größer, sagt Manfred Schick, Betriebsratsvorsitzender und bisher Aufsichtsratsmitglied von Tengelmann.

Wie es mit jedem einzelnen Standort weitergeht, wird die neu gebildete Münchner Tarifkommission mit Edeka aushandeln. Hier sitzen Betriebsräte und Gewerkschafter, sie verhandeln auch darüber, ob einzelne Märkte schon vor Ablauf der Schutzfrist an selbständige Kaufleute übergeben werden können. Diese Frist gehört zu den strengen Auflagen der Erlaubnis, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gegen das Votum der Monopolkommission erteilt hatte.

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Wie viele Mitarbeiter bei Tengelmann sind betroffen?

Etwa 5400 Menschen arbeiten in der Region. 4960 in den Filialen, 280 im Lager in Eching, 130 im Birkenhof Fleischwerk in Donauwörth. 25 Mitarbeiter gehören zum zukunftsträchtigen Onlinezweig, dem Lieferdienst "Bringmeister".

Wird die Fusion Arbeitsplätze kosten?

Zunächst sind die Mitarbeiter durch die Auflagen des Ministeriums geschützt. Und zwar sieben Jahre lang: Fünf Jahre soll alles beim Alten bleiben, danach kann Edeka über die Zukunft der Märkte entscheiden. Zwei weitere Jahre gilt der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Auch selbständige Kaufleute im Edeka-Handelsverband oder etwaige andere Interessenten für einzelne Standorte müssten sich dann noch für diese Zeit daran halten. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sagt Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Münchner BBE Handelsberatung. "Dort, wo es schlechte Standorte gibt, bleiben sie schlecht. Sie werden wohl irgendwann aus dem Markt ausscheiden."

Was bedeutet die Fusion für die Münchner Verbraucher?

Handelsexperte Stumpf ist sich sicher: "Für die Verbraucher ist die Fusion nicht die beste Lösung." In München droht keine Überversorgung an Lebensmittel-Handelsflächen. Zwar gibt es nirgendwo so viele Supermärkte wie in Deutschland, aber München ist trotz seiner Kaufkraft derzeit unter Bundesdurchschnitt versorgt. Wären einige Märkte an Rewe oder etwa den Schweizer Konzern Migros mit seinen Tegut-Märkten gegangen, hätte es die Chance gegeben, dass diese anderen, neuen Sortimente für die Kunden attraktiv sind und das Angebot langfristig erweitert werde, folgert Stumpf. Stattdessen drohe nun ein noch stärkerer Einheitsbrei als ohnehin schon - und die Kannibalisierung. Etwa im Würmtal gebe es Fälle, in denen bis zu 20 000 Verbraucher künftig nur noch die Auswahl hätten zwischen Edeka, Edeka oder Edeka.

Kann der neue Supermarktgigant künftig die Preise diktieren?

Er könnte es mancherorts wahrscheinlich - doch zu erwarten sei das eher nicht, sind sich die Handelsexperten einig. Jedenfalls was die Verbraucher betrifft. Gegenüber Lieferanten kann Edeka dagegen nun aufgrund der neuen Marktmacht verbesserte Einkaufskonditionen heraushandeln, sagt Manfred Schick vom Tengelmann-Betriebsrat. Er sieht dies als Vorteil für die Verbraucher - und für das künftige Überleben der angeschlagenen Tengelmann-Filialen. Allerdings drücken die Discounter wie Aldi und Lidl das Preisniveau. Sie mischen sich stärker in das Kerngeschäft der Vollsortimenter ein, indem sie immer mehr Markenware in ihr Sortiment aufnehmen, in den Filialen frisch backen und diese auch optisch aufhübschen.

Was bedeutet der Deal für die direkte Konkurrenz?

Für Rewe ist die Fusion ein herber Schlag, der Konzern wird massiv und schlagartig abgehängt. Lange haben Edeka und Rewe um die Vorherrschaft in München gestritten - um jeden einzelnen Markt. Mit "Rewe City" hat der Konkurrent ein Konzept, das gut zu vielen kleineren Tengelmann-Märkten in Citylage gepasst hätte. Hier ist zu erwarten, dass Edeka ein eigenes City-Konzept entwickelt, das auf schnelle Einkäufe der Berufstätigen abgestimmt ist und ein spezielles Sortiment beinhaltet.

Welche Rolle spielt der Online-Handel?

Was in den Innenstädten schon passiert ist, wird sich nach Meinung vieler Handelsexperten mit etwas Verzögerung auch bei Lebensmitteln nicht aufhalten lassen. Noch spielt Online mit bis zu einem Prozent Marktanteil eine kleine Rolle. 2025 soll sich das laut Prognose der BBE Handelsberatung geändert haben: auf fünf bis sechs Prozent soll der Anteil wachsen.

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Wer überlebt im Zweifelsfall eher: Die alten Edekas oder die Tengelmann-Märkte?

Wenn ein selbständiger Kaufmann einen Edeka-Markt übernimmt, muss er bis zu etwa einer Million Euro selbst finanzieren, sagen Insider. Auch deshalb fällt es vor allem Selbständigen mit kleineren Märkten schwer, die Tarife zu zahlen, die nun für alle Filialen gelten, die übernommen und von Edeka selbst geführt werden. Allerdings mangelt es in München an Verkäufern im Einzelhandel. Deshalb müssen alle ohnehin höhere Löhne zahlen. Welcher von zwei benachbarten Märkten mit ähnlichem Sortiment überlebt, ist schwer prognostizierbar und liegt auch am Verbraucher: Der entscheidet auch nach Gefühl.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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